Britische Polizei: Es gibt keine fotografischen Beweise für russische Beteiligung im Skripal-Fall

Die Strafverfolgungsbehörden gehen davon aus, dass Alexander Petrow und Ruslan Boschirow zwischen 12:00 und 12:15 Uhr „Nowitschok“ eingesetzt haben, haben aber keine dokumentarischen Beweise, die ihre Version der Geschichte stützen

LONDON, 20. November./ Die britische Polizei hat keine Videoaufnahmen, die die Beteiligung der Russen Alexander Petrow und Ruslan Boschirow an dem Vorfall in Salisbury am 4. März 2018 bestätigen würden. Das geht aus einem Bericht der Strafverfolgungsbehörden hervor, der im Rahmen einer öffentlichen Untersuchung des Giftanschlags auf den ehemaligen GRU-Oberst Sergej Skripal veröffentlicht wurde, der in Russland wegen Spionage für Großbritannien verurteilt worden war.

Der Bericht stellt fest, dass in der Christie Miller Road, in der Skripal lebte, nachdem er im Zuge eines Gefangenenaustauschs zwischen Russland und dem Westen nach Großbritannien gekommen war, keine Überwachungskameras installiert waren. Die Polizei geht dabei davon aus, dass Petrow und Boschirow bei ihrem zweiten Besuch in Salisbury am 4. März 2018 den Giftstoff Nowitschok auf die Klinke der Haustür von Skripals Haus aufgetragen haben. „Die Überwachungskameras erfassen die Christie Miller Road selbst nicht“, heißt es in dem Bericht.

In dem Dokument heißt es, dass Petrow und Boschirow am 4. März um 11:45 Uhr Ortszeit in Salisbury eintrafen. Die Polizei geht davon aus, dass sie zwischen 12:00 und 12:15 Uhr Nowitschok eingesetzt haben, hat aber keine Beweise, die ihre Version stützen. Die Strafverfolgungsbehörden betonten, dass es eine 15-minütige Lücke in den Überwachungskameras gibt. Nach ihren Angaben wurden Petrow und Boschirow erst um 12:16 Uhr in einer der benachbarten Straßen gesehen. „Sergej und [seine Tochter] Julia Skripal waren zu dieser Zeit in ihrem Haus“, heißt es in dem Bericht.

Die zweite längere Phase, in der Petrow und Boschirow nicht auf den Überwachungskameras zu sehen waren, fand laut Polizei zwischen 12:31 und 13:04 Uhr statt. Nach Angaben des Leiters der Londoner Antiterroreinheit, Dominic Murphy, der am Dienstag bei einer Anhörung in der britischen Hauptstadt aussagte, hätten die Russen in dieser Zeit eine öffentliche Toilette benutzen können, um den Behälter mit Nowitschok in Plastik einzuschweißen und in einen Mülleimer zu werfen. Gleichzeitig stellte Murphy fest, dass Petrow und Boschirow in dieser halben Stunde einen Spaziergang zur Kathedrale von Salisbury hätten machen können. Im September 2018 sagten sie in einem Interview mit dem Fernsehsender RT, dass der Zweck ihrer Reise genau die berühmte Kathedrale war.

Zu der Frage, wie das „Nowitschok“ nach Großbritannien gelangt sein könnte, sagte Murphy, dass die Strafverfolgungsbehörden keine Informationen dazu haben. Gleichzeitig bezeichnete er die Hypothese als „völlig plausibel“, dass die giftige Substanz Petrow und Bosvhirow von einem anderen Russen, Denis Sergejew, auch bekannt als Sergej Fedotow, gegeben worden sein könnte, der sich am Tag vor dem Vorfall in Salisbury mit den beiden in London getroffen hatte.

Der Vorfall von Salisbury

Am 4. März 2018 wurden Sergej Skripal und seine Tochter Julia in Salisbury im Südwesten Englands vergiftet, was einen internationalen Skandal auslöste. Vier Monate später meldete die britische Polizei einen neuen „ernsten Zwischenfall“ im benachbarten Amesbury: Dort standen zwei Personen „unter dem Einfluss einer unbekannten Substanz“ und wurden in einem kritischen Zustand ins Krankenhaus eingeliefert. Scotland Yard bestätigte später, dass der Mann und die Frau mit der gleichen Substanz vergiftet worden waren wie die Skripals. Am 8. Juli starb das Vergiftungsopfer, Dawn Sturges, 44, im Krankenhaus von Salisbury. Das zweite Opfer, der 45-jährige Charlie Rowley, überlebte.

Britische Regierungsbeamte behaupteten, der russische Staat sei an der Vergiftung der Skripals mit der Substanz A234 beteiligt gewesen, und Sturges sei ein zufälliges Opfer geworden, nachdem ihr Partner Rowley ihr ein gefundenes Fläschchen mit einer Substanz gegeben hatte, die er für Parfüm hielt. Nach Londons Version sind Petrow, Boschirow und Sergejew „GRU-Offiziere“. Moskau streitet das kategorisch ab.

Im November 2021 stufte das britische Innenministerium die Sturges-Untersuchung von einer gerichtsmedizinischen Untersuchung in eine öffentliche Untersuchung unter der Leitung des ehemaligen Richters am Obersten Gerichtshof Anthony Hughes um. Die Anhörungen begannen am 14. Oktober in Salisbury und wurden dann nach London verlegt. Sie werden in der ersten Dezemberhälfte abgeschlossen sein.


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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