Warum Corona der italienischen Mafia zum Wiederaufstieg verhelfen kann
Das russische Fernsehen hat auf ein Problem aufmerksam gemacht, dass meines Wissens in Deutschland noch nicht thematisiert wurde: Wie das Coronavirus der Mafia in Italien hilft.
In Italien wurden Mafia-Bosse aus den Gefängnissen in Hausarrest entlassen, weil das Coronavirus für die alten Herren in den Gefängnissen eine Gefahr darstellt. Nun können sie, nachdem sie vorher sorgsam vom Staat isoliert wurden, damit sie ihre Geschäfte nicht weiterführen können, fast ungestört arbeiten.
Wer sich mit der italienischen Mafia beschäftigt hat, der weiß, dass sie nicht nur eine skrupellose Verbrecherorganisation ist, sondern auch – vor allem in Süditalien – eine Art Sozialstaat. Sie lebt von Verbrechen und Schutzgeld-Erpressung, aber sie hilft auch den Ärmsten. Seien es echte Hilfen, oder Kredite für die, denen die Banken nichts mehr geben wollen, oder Job-Angebote für junge Männer, die dann Helfershelfer bei der Mafia werden. Das hat dort eine große Tradition und die Mafia ist in Süditalien tief in der Gesellschaft verankert. Die USA haben die amerikanischen Mafiosi im Zweiten Weltkrieg eingesetzt und haben bei der Invasion in Süditalien mit der Mafia zusammengearbeitet, wodurch sie bestens informiert waren und Unterstützung vor Ort hatten. Ohne diese Zusammenarbeit wäre die Invasion in Sizilien ungleich schwieriger gewesen.
Nun wird Italien von Corona schwer getroffen und viele Menschen stehen vor dem Nichts: Keine Ersparnisse, kein Job. Unternehmen brauchen Geld, die Banken sind aber klamm. Die Mafia will „ihre“ Schützlinge, bei denen sie Schutzgeld eintreibt, nicht ruinieren. In der Regel sind die „Tarife“ zwar hoch, aber bezahlbar, die Mafia will ja langfristig von ihnen leben. Und da sind auch finanzielle Hilfen in der Not durchaus Teil des Programms der Mafia.
Das Problem ist für jeden, der sich mal mit dem Thema beschäftigt hat, offensichtlich: Corona könnte der italienischen Mafia zu einem Wiederaufstieg verhelfen, wenn der Staat dabei versagt, den Menschen schnell zu helfen.
Mich hat das russische Fernsehen auf das Thema gebracht, denn am Sonntag hat die Italien-Korrespondentin in der Sendung „Nachrichten der Woche“ über das Problem berichtet. Daher habe ich den Bericht des russischen Fernsehens übersetzt.
Beginn der Übersetzung:
Die italienischen Behörden, die das Land Stück für Stück aus der Coronavirusepidemie geführt haben, stehen vor einem neuen Problem. Während der Zeit der Quarantäne wurde die berüchtigte italienische Mafia aktiv, der es um die Macht geht. Das Schema ist einfach. Die sizilianische „Cosa Nostra“ und die neapolitanische „Camorra“ engagierten sich für wohltätige Zwecke. Den Arbeitslosen helfen sie Lebensmitteln und Medikamenten. Unternehmen wird finanzielle Hilfe angeboten. Im Gegenzug zählen sie bei künftigen Wahlen auf Unterstützung für ihre Kandidaten.
Den Journalisten Lirio Abbate habe ich 2007 in Palermo kennengelernt, als er zum ersten Mal eine Bombe unter seinem Auto fand. Er lebt seit 14 Jahren Tag und Nacht unter Polizeischutz. Jetzt ist er in Rom. Er ist Kolumnist bei dem Magazin L’Espresso. Sein Thema ist immer noch das gleiche. Er war der erste, der über die Superbosse geschrieben hat, die vor dem Hintergrund der Coronakrise die Hochsicherheitsgefängnisse verlassen durften. Das sind sie: Zagharia, Spitzname Bin Laden, Jannazzo, Di Piazza und Bonura. (Anm. d. Übers.: In dem Bericht werden hier ihre Bilder gezeigt)
„Diese Mafiosi sind in ihre Häuser zurückgekehrt und erlangen wieder die Kontrolle über ihr Territorium. Und das ist ein Signal der Stärkung ihrer Macht. Die Mafia baut auf Gesten, Symbolen und Präsenz auf. Warum wurden für die Mafia spezielle Gefängnisse geschaffen? Sie werden als „wasserdicht“ bezeichnet, um die Bosse zu isolieren, sie von der Außenwelt abzuschneiden. Und wenn du die Bosse nach Hause lässt, war der ganze Kampf gegen die Mafia umsonst“, sagte Abbate.
Die Liste umfasst 376 Namen, aber sie ist nicht endgültig. Anwälte fordern, 400 weitere Menschen aus dem Gefängnis lassen. Aus den gleichen Gründen: in den Gefängnissen grassiert das gefährliche Coronavirus und die Gesundheit ihrer Mandanten ist schwach, sie sind alt.
„Alte Bosse sind wie die Weisen, sie gelten als Vorbild für die Jungen. Die Jungen brauchen einen Ratgeber, einen erfahrenen Mann, der im Gefängnis gesessen hat. Und seine Zustimmung selbst, ein einfaches „Ja“ vor den unerfahrenen Kämpfern, kann den Einfluss eines Clans erhöhen“, sagte Abbate.
Das ist so ein Beispiel für die Jungen, direkt auf den Fernsehschirmen. (Anm. d. Übers.: Er ist auf dem Titelbild dieses Artikels zu sehen) Die Mafia war da, sie ist da und sie wird immer da sein, sie lebt. Die beliebteste Serie über die Mafia heißt „Camorra“. Sie läuft erfolgreich in der vierten Staffel. Und sie zeigt deutlich, womit die „Camorra“ ihr Geld verdient: Drogen sind die Haupteinnahmequelle. Traditionell kommt Mord hinzu. Väter und ihre Kinder, die Clans werden von Familien geführt, der Status des „Boss“ wird fast immer vererbt. Und es gibt ergebene Ehefrauen, die an der Spitze einer Mafia-Familie stehen, wenn der Ehemann ins Gefängnis geht. Hinzu kommen Aufstände in Gefängnissen, Bombenanschläge, Mord, Überfälle.
Wenn jemand bei diesen Bildern aus der Serie denkt, dass der Drehbuchschreiber eine zu reiche Phantasie hat, vergleichen Sie die Bilder aus der Serie mit echten Aufnahmen der Polizei der Stadt Foggia. Da herrscht eine andere Mafia, die „Ndrangheta“, aber die Methoden sind die gleichen. In Foggia hat man sich an Leichen auf der Straße und am Bombenexplosionen gewöhnt. Sie sprengen jeden in die Luft, der nicht zahlt.
Erpressung ist die zweite Haupteinnahmequelle nach dem Drogen- und Waffenhandel. Es geht um Schutzgeld. Die Polizei hat eine Liste mit Namen und Preisen: ein kleines Geschäft zahlt 500 Euro im Monat, eine große Firma 2.000 bis 3.000. Wenn Sie nicht zahlen wollen, sprengen sie morgens Ihr Auto in die Luft. Die kriminelle Gesellschaft in Foggia besteht aus drei Familien. Sie rauben, stehlen, bestrafen. Autos werden gestohlen und dann werden die Opfern angerufen, damit sie ihr Auto „freikaufen“.
„Camorra“, „Cosa Nostra“, „Ndrangheta“, jede Mafia hat ihre eigenen Spezialgebiete. Das Coronavirus könnte sie vereinen, ihre perfekte Waffe werden.
Der Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, fordert seit zwei Monaten lautstark, dass man nicht nur über die Kurve der Infektionen nachdenken darf. Den Menschen muss dringend geholfen werden. Verzweifelten Menschen ist es egal, woher die Hilfe kommt.
„Stimmt es, dass die Mafia jetzt näher an den Menschen ist, als der Staat? Haben Sie nicht Angst, den Süden in diesen drei Monaten zu verlieren und ihn den Clans zurückzugeben?“, frage ich ihn.
„Wenn jemand krank ist, braucht er einen Arzt. Wenn der Arzt nicht kommt, wenn der Staat nicht kommt, klopft die Mafia an die Tür. Nicht nur in Palermo, sondern auch in Mailand. Wenn die Behörden nicht helfen, werden die Bosse den Unternehmen zu Hilfe kommen. Sie leihen ihnen Geld oder kaufen die Unternehmen zum halben Preis. Ich sagte Premierminister Conte: „Die Dekrete müssen das Phänomen der neuen Armen, die diese Quarantäne geschaffen hat, berücksichtigen“, sagte Orlando.
Die neuen Armen – laut Soziologen sind das alleine im Süden ein paar Millionen – können zu einer Armee für die Mafia werden. Während die Regierung auf der ganzen Welt nach Beatmungsgeräten suchte und den Süden Italiens rettete, indem es ihn vom Norden abgeriegelt hat, hat man das Wichtigste übersehen. Die Mafia ist auch ein Virus. Es „mutiert“, passt sich an. Bei der „Cosa Nostra“ gab es große Veränderungen: Die Polizei vermutet, dass die Führung der Mafia in Sizilien zum ersten Mal jemandem anvertraut wurde, der fast noch ein Teenager ist.
„Wer ist jetzt der Boss der Bosse?“, fragte ich Lirio Abbate.
„Nach Totos Tod gab es Versuche, die „Cosa Nostra“ umzubauen und wieder auferstehen zu lassen. Das wurde einem älteren Boss anvertraut. Der wurde verhaftet. Und es besteht der Verdacht, dass diese Mission nun einem sehr jungen Mafioso aus Palermo anvertraut wurde. Er sitzt derzeit in einer Zelle. Aber er kommt bald heraus. Sein Name ist Leandro Greco, er ist der Neffe eines Bosses mit dem Spitznamen „Papa“. Wie er sich verhält, was man auf dem Fernsehbildern sehen kann, während er von der Polizei abgeführt wird, wie er Küsse in die Menge verteilt, macht deutlich, wie sehr er respektiert wird und dass er heute der Kopf der „Cosa Nostra“ geworden ist“, sagte Lirio Abbate.
Ende der Übersetzung
2 Antworten
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Ist doch auch egal ob die Hilfe von der legalen Mafia (Staat) oder der illegalen Mafia kommt. Wer hilfe leistet hat auch entsprechende Anerkennung verdient.
Der Staat hilft ja auch nicht aus Freundlichkeit, sondern um Kosten zu sparen, die eigene Macht zu erhalten und um Wählerstimmen zu gewinnen.
In Italien ist der Oberbegriff „Mafia“, für viele Zusammenschlüsse (Cosa Nostra, Camorra, Ndrangheta), die andere ausplündern und wenn Not ist, diesen sich als einzige Retter präsentieren.
In Deutschland ist der Oberbegriffe dafür „Bundesregierung“, für viele Zusammenschlüsse (Rundfunkbeitrag, Öko-Steuer, Energiewende, ALGII), die andere sogar per Gesetz ausplündern und wenn Not ist, diesen sich als einzige Retter präsentieren.
Zahlt man den Rundfunkbeitrag in Deutschland nicht, dann wird das Auto auch weggenommen (gepfändet), bis man zahlt. Konten werden gesperrt, bis man gezahlt hat!
Firmen werden geschlossen, weil man im Schuldenregiester plötzlich steht und keine Vorfinanzierung von Aufträgen bekommt!
Und erst wenn man zahlt, oder so bettelarm ist, dass der Rundfunkbeitrag einem erlassen wird, hat man wieder seine Ruhe!
Ob Mafia oder Bundesregierung, ist dann der selbe Sumpf, hat nur einen anderen Namen!