Iran-Krise als Innenpolitik – Das russische Fernsehen über die politische Woche in den USA

Schon traditionell schaut das russische Fernsehen in der Sendung „Nachrichten der Woche“ auf den Polit-Zirkus in den USA. An diesem Sonntag war der Blick besonders düster, denn langsam sind die Vorgänge dort auch mit schwarzem Humor kaum mehr zu ertragen.

Die politische Woche in den USA wurde ebenfalls von den Vorgängen rund um den Iran bestimmt und dabei wird erst so richtig deutlich, wie sehr die Welt und unzählige Menschenleben einzig und allein von den innenpolitischen Grabenkämpfen und medialen Schlammschlachten in den USA abhängen. Ich habe diesen Beitrag des russischen Fernsehens daher übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Die Krise, die die Vereinigten Staaten im Nahen Osten provoziert haben, hat auch eine inneramerikanische Dimension. Wie funktioniert die?

Die Proteste gegen die Ermordung von General Soleimani und die neue Krise um den Iran sind Teil der Geschichte des Amtsenthebungsverfahrens geworden. Auf dem Union Square in New York fordert eine Antikriegskundgebung den Rücktritt von Donald Trump und Vizepräsident Mike Pence. Solche Aktionen finden schon die zweite Woche in Folge in allen großen und nicht sehr großen Städten des Landes statt. Es gibt noch keine neuen Umfragen, aber erste Anzeichen deuten darauf hin, dass sieben von zehn Amerikanern besorgt sind, dass die USA beschließen könnten, übereilt militärische Gewalt gegen den Iran anzuwenden. Ihre Befürchtungen bestätigten sich in der Nacht, als die Fahrzeugkolonne des iranischen Generals von einem Hubschrauber oder einer Drohne getroffen wurde.

„Die Vereinigten Staaten sagen, dass Blut an den Händen von General Soleimani klebt. Aber die USA haben viel mehr Blut an den Händen. Angefangen beim Sturz der iranischen Regierung 1953, um dem Schah und seinem blutigen Regime zu helfen. Wir können uns an die beiden Kriege erinnern, die die Vereinigten Staaten gegen den Irak inszeniert haben. Hunderttausende, sogar Millionen von Menschen sind durch US-Aktionen in diesem Teil der Welt ums Leben gekommen. Und dann sagen sie, er ist ein böser Kerl, er muss getötet werden“, sagte Carol Dix, eine der Organisatorinnen der Proteste.

Dafür konnte man sich in Washington – wo es natürlich keine Spur eines moralischen Unbehagens über den Mord gab – nicht einigen. Es gibt keinen evidenzbasierten Grund für den Angriff. Es ist nicht klar, warum es so überstürzt passieren musste. Die neueste Version gab Trump im Interview mit Fox preis.

Der Präsident der Vereinigten Staaten verwechselt seine Aussagen. In nur 24 Stunden vervierfachte sich die Zahl der Botschaften, die der Kommandeur der al-Kuds-Einheit und seine Männer angeblich in die Luft sprengen wollten.

Die Anwesenheit paralleler Kommentare verschlimmert die Situation noch. Mike Pompeo, den US-Außenminister, hat die amerikanische Presse als den wichtigsten Drahtzieher des Angriffs auf Soleimani ausgemacht. Journalisten haben Zugang zum Außenminister und das bringt nicht nur ihn in eine dumme Situation.

Die gemeinsame Pressekonferenz von Pompeo mit Finanzminister Mnuchin verwandelte sich in ein Kreuzverhör. Beide hat Trump vor die Fernsehkameras geschickt, um über die neuen Sanktionen zu erzählen, mit denen der US-Präsident, wie böse Zungen sagen, im letzten Moment den Dritten Weltkriegs verhindert hat. Aber die Journalisten interessierten sich wenig für Sanktionen gegen 17 iranische Bergbau- und Metallunternehmen und ausländische Schiffe. Selbst die Aufnahme von acht weiteren hochrangigen iranischen Beamten in die Sanktionsliste machte keinen wirklichen Eindruck. Die eigentliche Sorge der Presse ist der Mord an Soleimani. Oder besser gesagt, die Strafe für diesen Mord.

„Bitte klären Sie, ob die Bedrohung wirklich unmittelbar bevorstand und welche Botschaften getroffen werden sollten?“

„Wir hatten genaue Informationen über die bevorstehende Bedrohung, auch für amerikanische Botschaften. Punkt“, sagte Pompeo.

„Also haben Sie vorhin aus Versehen gesagt, dass Sie nicht genau wissen, wo und wann die Angriffe stattfinden sollten?“

„Ich sehe keine Widersprüche. Wir wussten nicht, wann genau das passieren würde, aber es war offensichtlich, dass Soleimani selbst einen großangelegten Angriff auf Amerika plante. Es war nur eine Frage der Zeit.“

Diejenigen, die Pompeo auf die Pelle rückten, kann man bösartige Fake-News nennen, die alles hassen, was mit Trump zu tun hat, wie es das Weiße Haus oft tut. Aber wie soll man die eigenen, republikanischen Abgeordneten bezeichnen? Von der Anhörung vor beiden Häusern des Kongresses von Minister Pompeo, Pentagon-Chef Esper, CIA-Direktor Haspel und Stabschef Millie waren nicht nur die Demokraten, sondern auch Trumps Republikaner enttäuscht. Oder besser gesagt, sie waren sauer.

Weiße Krähen wurden auch im Unterhaus gefunden. Und derselbe Matt Goetz, der einer von Trumps entschiedensten Verteidigern war, als sich das Repräsentantenhaus mitten in dem erbitterten Amtsenthebungskampf befand, stimmte nun mit zwei weiteren Republikanern zusammen mit den Demokraten für die vorgeschlagene Resolution. Die verpflichtet den US-Präsidenten, keine Militäraktion gegen den Iran ohne Zustimmung des Kongresses einzuleiten.

In der nächsten Phase muss die Resolution im Senat verabschiedet werden. Die Chancen sind allerdings gering. Die Mehrheit dort haben die Republikaner. Inzwischen sind zwei weitere Gesetze auf dem Weg. Eines blockiert die Finanzierung für jeden Versuch einer Militäraktion gegen die Islamische Republik. Das andere soll die Vollmacht des amerikanischen Präsidenten aufheben, militärische Gewalt im Irak einzusetzen. Die wurde einst von Bush Jr. durchgepeitscht und Trump benutzt sie bereitwillig.

„Die Kongressabgeordneten haben ernste Bedenken hinsichtlich der Entscheidung der US-Regierung, militärische Maßnahmen zu ergreifen. Diese Bedenken wurden während Anhörung von der Regierung nicht ernst genommen“, sagte Nancy Pelosi, de Sprecherin des Repräsentantenhauses.

Es wäre seltsam, wenn es umgekehrt wäre. Es ist kein Zufall, dass sich mitten im Amtsenthebungsverfahren und zu Beginn des Wahlkampfjahres ein sehr eigenartiges Team um Trump gescharrt hat, das für die nationale Sicherheit zuständig ist.

Das Wall Street Journal zeichnet ein Portrait der Gruppe. Der Kern ist ein Klassenkamerad von Außenminister Pompeo und Verteidigungsminister Esper aus ihrer Zeit an der Militärakademie West Point. Sie werden ergänzt durch den neuen Nationalen Sicherheitsberater O’Brien, der an die Stelle von Bolton getreten ist. Trump mag ihn, weil er nicht zu viele Fragen stellt. Allzeit bereit ist auch der Vorsitzender des Ausschusses der Stabschefs Millie. Aber irgendwas ging gründlich schief. Im selben Artikel erscheint eine potenzielle Drohung mit einem zweiten Amtsenthebungsverfahren.

„Nach dem Angriff sagte Trump seinen Helfern, dass er, als er beschloss, General Soleimani zu liquidieren, unter dem Druck der republikanischen Senatoren stand, die er bei der bevorstehenden Anhörung über die Amtsenthebung im Senat als seine Verbündeten betrachtete.“, schreibt das Wall Street Journal.

Was die wirklichen Folgen des Schlages gegen Soleimani waren, scheint Trump erst an dem Morgen erkannt zu haben, als die Nachricht von der abgestürzten ukrainischen Boeing aus Teheran kam. Er kam eine halbe Stunde zu spät zu einer angekündigten Erklärung über den Angriff und er sah nicht wie ein Mann aus, der mit dem, was er tat und sagte, zufrieden war. Trump atmete schwer, sein Mund war trocken. Der US-Präsident äußerte sich nicht zu dem Flugzeug und sah erst auf einer Wahlkampfkundgebung in Ohio, der ersten in diesem Jahr, wieder gefasster aus.

„Wir mussten eine Entscheidung treffen. Wir hatten keine Zeit, Nancy anzurufen. Dieser Kerl, Soleimani, hat Tod und Zerstörung im Nahen Osten und darüber hinaus angerichtet. Er hat Zivilisten und Militär getötet, alle, die ihm im Weg waren. Und dann sind da noch Bernie Sanders und Nancy Pelosi und sie sagen, warum haben Sie nicht um unsere Erlaubnis gebeten, ihn zu beseitigen, Sie hätten den Kongress in dieser Situation konsultieren müssen. Dann könnten wir auch gleich unsere betrügerischen Medien anrufen und ihnen alles über unsere Pläne erzählen“, sagte Trump.

„Haben Sie gehört, was Trump über Sie gesagt hat? Seine Rede wurde bereits als die schlimmste in jüngster Zeit bezeichnet.“, wurde Pelosi von einem Journalisten gefragt.

„Die Trump-Administration tut das, was sie kann“, antwortete Pelosi.

Pelosi übergab später die Akten der Amtsenthebung an den Senat. Trump muss sich möglicherweise auch dort verteidigen. Der ehemalige Sicherheitsberater Bolton hat sich unerwartet bereit erklärt, eine Aussage in dem Amtsenthebungsverfahren zu machen. Es ist ein wichtiger Zeuge, den die Demokraten seit langem befragen wollten. Trump ist vehement dagegen. Er versprach, das mit allen Kräften zu verhindern.

Eigentlich will man Bolton zur Ukraine verhören. Oder besser gesagt über Trumps Telefonat mit Selensky, bei dem der ehemalige Nationale Sicherheitsberater anwesend war. Aber das Thema Iran, über das die Demokraten vielleicht auch sprechen wollen, ist ihm nicht fremd. Die amerikanischen Demokraten selbst sind jedoch weder gegenüber Teheran, noch gegenüber dem Nahen Osten insgesamt freundlich gesinnt.

Ja, Obama hat das für ihn vorteilhafte Atomabkommen mit Teheran geschlossen, aber unter ihm begann auch der syrische Bürgerkrieg. Und in Libyen wurde Gaddafi unter aktiver Beteiligung von Hillary Clinton gestürzt.

Die amerikanischen Politiker kommen und gehen, die amerikanische Politik ändert sich nicht.

Ende der Übersetzung


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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