Spiegel: AfD provoziert Abbruch von Bundestagsstitzung – Was der Spiegel dabei NICHT erwähnt

Die AfD hat am Donnerstag den Abbruch einer Bundestagssitzung provoziert, erfahren wir im Spiegel. Welche Gesetze daher nicht beschlossen werden konnten, wird jedoch im Spiegel nicht erklärt, dabei ist das hochinteressant.

Manchmal verbergen sich hinter unscheinbaren Meldungen sehr interessante Hintergründe. Der Spiegel meldete am Freitag unter der Überschrift „Zu wenige Abgeordnete – AfD-Fraktion provoziert Abbruch der Bundestagssitzung„, dass einige Gesetzesvorlagen nicht beschlossen werden konnten:

„Neben der Abstimmung über das Energiewirtschaftsgesetz, mit dem eine EU-Richtlinie zum Erdgasbinnenmarkt umgesetzt werden soll, entfielen dadurch auch mehrere Abstimmungen über weitere Gesetzentwürfe.“

Das klingt alles andere als interessant, denn der Spiegel erzählt seinen Lesern nicht, worum es bei den Gesetzen geht. Tatsächlich geht es um brisante Gesetze für Nord Stream 2.

Ich habe schon Mitte September über ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Opal-Pipeline berichtet. Da kaum jemandem diese Pipeline ein Begriff ist, muss ich das kurz erklären. Nord Stream 1 bringt Erdgas aus Russland nach Deutschland, wo es in zwei Pipelines innerhalb Europas weiter verteilt wird. Die Nel-Pipeline bringt einen Teil des Gases nach Westen, Opal bringt den anderen Teil nach Süden, also in die Tschechei, nach Österreich und so weiter.

Europäische Richtlinien sehen vor, dass die Infrastruktur (also die Pipelines) rechtlich von den Nutzern (also den Verkäufern des Gases) getrennt sein müssen. Das mag Sinn machen, wenn eine Pipeline mehrere Anbieter bedient, damit sich niemand auf Kosten des anderen einen Vorteil bei den Transportkosten sichern kann. Aber im Falle von Pipelines wie Opal, an die nur ein Anbieter angeschlossen ist, ist die Regelung recht unsinnig. Zumal auch kein Anbieter in Sicht ist, der sich an Opal anschließen möchte.

Trotzdem hat Polen geklagt und das Ergebnis ist nun, dass Opal nur noch zu 50 Prozent genutzt werden darf, weil es eine rechtliche Verbindung zwischen den Eigentümern von Gas und Pipeline gibt. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, aber das Urteil hat die Betreiber von Nord Stream 2 aufgeschreckt, die befürchten, diese Pipeline und auch ihre Verlängerungen an Land nur zu 50 Prozent nutzen zu können.

Das ganze geht zurück auf Anfang des Jahres, als die neue EU-Richtlinie zum Erdgasbinnenmarkt ausgehandelt wurde. Deutschland hat damals viel Druck gemacht, um Nord Stream 2 zu schützen, aber anscheinend gibt es trotzdem noch Hintertüren und die sollten am Donnerstag im Bundestag geschlossen werden. Darüber hatte ich am Donnerstag berichtet.

Und nun hat die AfD diese Abstimmung verhindert. Damit ist das Gesetz zwar nicht vom Tisch, es kann auch an späteren Tagen noch beschlossen werden. Trotzdem ist das Verhalten der AfD zu hinterfragen. Im Spiegel kann man dazu lesen:

„Zu später Stunde leert sich der Bundestag – trotzdem wird normalerweise weiter abgestimmt. Nicht so an diesem Donnerstag. (…) Vor der abschließenden Entscheidung über eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes zweifelte die AfD-Fraktion die Beschlussfähigkeit des Parlaments an und beantragte daraufhin eine namentliche Abstimmung. Das lag an einem Antrag der AfD. Bei dieser Abstimmung gaben nur 133 Parlamentarier ihr Votum ab, womit die notwendige Zahl von 355 Abgeordneten verfehlt wurde. Der Bundestag ist nämlich nur dann beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der 709 Abgeordneten anwesend ist – was zu dieser nächtlichen Stunde allerdings nie der Fall ist.“

Es ist anscheinend durchaus normal, dass der Bundestag gegen seine eigenen Regeln verstößt und einfach Gesetze durchwinkt, wenn er es eigentlich nicht dürfte, weil zu wenig Abgeordnete anwesend sind. Das ist ein eigenes Thema, denn was sind Regeln wert, wenn sie sowieso nicht eingehalten werden? Und was ist ein Parlament wert, das gegen seine eigenen Regeln verstößt?

Aber darum geht es hier nicht. Die Frage, die sich stellt ist, warum die AfD ausgerechnet an diesem Tag und vor dieser wichtigen Abstimmung zu Gunsten von Nord Stream 2 auf die Einhaltung der Regeln gepocht hat. Der AfD wird von Politik und Medien gerne vorgeworfen, zu Russland-freundlich zu sein. In diesem Fall gilt das sicher nicht.

Aber Spiegel-Leser erfahren gar nichts über diese Hintergründe.

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

4 Antworten

  1. Super? aufgepasst !
    Ich hab das zuerst auf „Welt.de“ gelesen wo es auch nicht erwähnt wurde und nur die Rede von Abstimmung über irgendwelch Gesetze war….

    Wo ich mich aber in den Kommentaren wunderte ,das sehr viele ,sehr fähige pro AFD Kommentare zugelassen wurden und nur wenige ,völlig hirnlose anti AFD Kommentare dazwischen gesetzt waren. Die Darstellung ist ja sonst, von den Attributen her, das exakte Gegenteil ….

    Im Spiegel ist das auch manchmal so und ich finde das merkt man irgendwie so unterschwellig, wie denn noch über die Moderation der richtige emotionale Spin geschliffen wird !

    1. PRO – ANTI SPIEGEL (!)

      Darüber nachzudenken, über was abgestimmt wurde und wie… ob die Beschlussfähigkeit erreicht war… das ist stinknormale Recherche..
      Den Sprung darüberhinaus, eben darüber nachzudenken, über was abgestimmt hätte werden sollen…
      Denn wollen wir mal hoffen, dass bald die erste Million an Klick’s erreicht sind und man auf die 5- vor den 6 Nullen sich freuen darf.

      Klasse (!)

  2. Zur Erinnerung

    „Die Planungen zum Bau der Ostsee-Pipeline wurden anfangs von der EU unterstützt und das Projekt erhielt bereits im Jahr 2000 eine prioritäre Stellung im Programm Transeuropäische Netze. Die Haltung gegenüber dem Projekt änderte sich jedoch teilweise, als Russland Ende 2005 der Ukraine wegen nicht beglichener Rechnungen Gaslieferungen sperrte. “

    Man merke sich, das Transitland zahlt einen Teil seiner Rechnungen nicht und abgestraft wird Deutschland. Wenn das Projekt Priorität besaß, wie erklärt sich dann der Umstand das diese Priorität plötzlich nicht mehr nötig sein soll? Gerade die Risiken des Transits werden durch die Direktverbindungen erheblich gemindert.

    Wenn unter dem Vorwand „Planungssicherheit“ alles nur denkbare reguliert wird dann muss die Frage der politischen Manipulation der EU auf den Tisch.
    Die Drohungen der USA, das Hintertreiben durch Frankreich, das Agieren von Polen u.a. zu einer Zeit nachdem Genehmigungen erteilt wurden sollte man als das benennen was es ist , ein Angriff auf Deutschland und seine Interessen. Deutschland ist zu keinem Zeitpunkt verpflichtet mit den Beträgen seiner Bürger zusätzlich noch die Kassen anderer Länder zu füllen.

    Dieses Theater um die Gasleitung sollte uns die Augen öffnen wer Freund/Partner und wer Feind ist.

    Wenn man nachtragend ist sollte man vllt fordern das jeder Gegner der Pipeline auch auf dieses Gas verzichtet. Nix Nahrung, Eigenheim, Auto, warme Stube und sonstige Annehmlichkeiten bei der jetzt und zukünftig Gas verbraucht wird. Ich kann das verlogene Gehabe der Grünlinge nicht mehr ertragen denn die Gleichen Grünlinge haben dem dreckigen Frackinggas die Tür nach Deutschland aufgemacht.
    Ganz nebenbei versucht man Privatinvestitionen zu zerstören aber schmeißt dem Frankinggas Steuergelder über die EU hinterher.

  3. Dem Plenarprotokoll:
    http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/19/19124.pdf

    kann man Folgendes entnehmen: Die AfD ist FÜR Nordstream 2, will aber die geänderten Gasrichtlinien der EU nicht umsetzen, da sie sie als Kuschen vor den USA interpretiert. Russland habe sich in Bezug auf die Gaslieferungen immer als verlässlicher Partner erwiesen und das beruhe letztlich auf seinem ureigenen Interesse. Warum also die Richtlinien ändern?
    Die GRÜNEN sind GEGEN Nordstream 2, Jürgen Trittin bezeichnet die Pipeline gar als „Wette gegen die EU-Klimapolitik“.
    Die anderen Parteien sind FÜR Nordstream 2, wollen aber (aus transatlantischen Gründen?) die neuen Richtlinien umsetzen.
    Den Vogel abgeschossen hat m.E. Timon Gremmels (SPD): Er kritisiert den Druck, den die USA ausüben und fordert eine europäische Antwort, die seines Erachtens aber nur darin bestehen kann, die neuen Gasrichtlinien umzusetzen, die gerade aufgrund des Drucks der USA implementiert wurden. Kannste dir nicht ausdenken sowas.

    Bezüglich der Beschlussfähigkeit des Parlamentes: Herr Friedrich Feststellung der Beschlussfähigkeit war durchaus legal, gemäß § 45 (2) der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags. Eine Überprüfung der Beschlussfähigkeit findet hier nur dann statt, wenn der Sitzungsvorstand die Beschlussfähigkeit nicht einmütig bejaht. Zum Sitzungsvorstand gehören, neben dem Präsidenten, zwei Schriftführer – einer von den Regierungsparteien, einer von der Opposition.
    Was ursprünglich einmal gedacht war, langwierige Verfahren abzukürzen, erweist sich in Zeiten von „alle gegen die AfD“ als fatal: Zieht die AfD die Beschlussfähigkeit des Bundestags in Zweifel, kommt sie nur damit durch, wenn sie gerade einen der Schriftführer in der Debatte stellt. Ansonsten muss sie, wie auch am Freitag geschehen, eine namentliche Abstimmung beantragen.

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