Probleme der Deutschen Welle in Russland: Wie der Spiegel alle Hintergründe verschweigt
Mit knapp zwei Monaten Verspätung gibt es auch in Deutschland endlich Meldungen über ein Thema, über das ich schon seit Anfang August berichte. Es geht um die Konsequenzen, die der Deutschen Welle dafür drohen, zu ungenehmigten Demonstrationen in Moskau aufgerufen zu haben.
Man stelle sich einmal vor, eine Pegida-Demonstration wird in Berlin nicht genehmigt und RT-Deutsch würde trotzdem in Tweets und Artikeln zum Demonstrieren aufrufen. Das Geschrei in Deutschland wäre – völlig zu recht – riesig. Medien sollen berichten und nicht Partei ergreifen. Und schon gar nicht sollen Medien dazu aufrufen, Gesetze zu brechen.
Die Teilnahme an oder der Aufruf zu einer nicht genehmigten Demonstration ist klarer Verstoß gegen Gesetze. Das steht Medien nicht zu, und es steht erst recht keinen Medien zu, die von einem anderen Staat finanziert werden, denn die äußere Einmischung eines Staates in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates ist sogar gemäß UN-Charta, also der Grundlage des Völkerrechts, illegal.
Aber genau das hat die Deutsche Welle in Moskau getan. Sie hat zur Teilnahme an nicht genehmigten Demonstrationen aufgerufen und sie wird – wie RT-Deutsch – komplett von einem Staat finanziert, von Deutschland.
Aber wenn die Deutsche Welle etwas tut, was bei RT-Deutsch in Berlin einen riesigen Skandal auslösen würde, dann finden die deutschen Medien das trotzdem völlig in Ordnung.
Der zuständige Ausschuss der russischen Duma hat nun den Fall untersucht und festgestellt, dass die Deutsche Welle sich dieser und noch anderer Vorwürfe schuldig gemacht hat. Nun liegt es am russischen Außenministerium, zu entscheiden, wie es weiter geht. Alles ist möglich, von einer Verwarnung bis hin zur Entziehung der Akkreditierung, die Deutschen Welle in Russland die journalistische Tätigkeit verbieten würde. Ich habe darüber letzte Woche ausführlich berichtet, die Details finden Sie hier.
Heute nun hat der Spiegel auch darüber berichtet, er ist eben etwas langsam. Den Artikel durfte die Moskau Korrespondentin Christina Hebel schreiben, deren Artikel vor Desinformation nur so triefen und die ich erst letzte Woche bei einer sehr dreisten Lüge ertappt habe. Nur wenige Stunden, nachdem ich über die Lüge geschrieben habe, hat der Spiegel den Artikel still und heimlich verändert und den Teil so verändert, dass er zwar keine so dreiste Lüge mehr enthalten hat, aber immer noch Desinformation für die Leser. Eine Richtigstellung gab es nicht, nur die heimliche, nachträgliche Veränderung des Artikels.
Der Spiegel hat durch die Veränderung des Artikels zwar indirekt die Lüge von Frau Hebel eingestanden, aber keine Konsequenzen gezogen oder seine Leser auch nur darüber informiert. Man hätte ja von einem „Irrtum“ oder so sprechen können, aber nichts dergleichen. Und diese Frau Hebel darf nun wieder aus Moskau über die Deutsche Welle und ihre „wahrheitsgemäße“ Berichterstattung schreiben.
Das wird abenteuerlich, wie wir nun sehen werden.
Unter der Überschrift „Pressefreiheit – Wie die Deutsche Welle in Russland unter Druck gesetzt wird“ kann man von Frau Hebel im Spiegel nach zwei inhaltslosen Absätzen als Einleitung lesen:
„Der Auslandssender berichtet aus Moskau auf Deutsch, Englisch und Russisch. Das scheint Moskau zu missfallen. Unabhängiger, gut recherchierter russischsprachiger Journalismus findet fast nur noch im Internet und wenigen Zeitungen statt“
Diese Lügenbaronin (ja, mit Bezug auf den Vorfall von letzter Woche nenne ich Frau Hebel ab sofort so) schreibt also allen Ernstes über „unabhängigen, gut recherchierten“ Journalismus?
Da stellt sich nebenbei auch die Frage, was an Journalismus „unabhängig“ sein soll, wenn ein Medium, wie die Deutsche Welle, komplett von einem Staat finanziert wird. Nach dieser Logik wäre auch RT-Deutsch unabhängig. Frau Hebel, meinen Sie das wirklich ernst? RT-Deutsch ist – genauso, wie die Deutsche Welle – ein zu hundert Prozent von einem Staat finanziertes Medium und daher per Definition nicht unabhängig. Vielleicht machen sie trotzdem gute Arbeit, kann ja alles sein, aber „unabhängig“ sind beide nicht.
Über den Vorfall und die Vorwürfe der Duma gegen die Deutsche Welle schreibt Frau Hebel im Spiegel:
„In einem auf Russisch verfassten Tweet zeigte der Sender ein Video von Demonstranten, die durch die Innenstadt laufen und „Moskau, geht auf die Straße!“ rufen. Diese Losung wird auch im Text des Tweets widergegeben.
Ein Zitat, sagt die Redaktion.
Ein Aufruf zu unerlaubten Protesten und damit eine politische Einmischung, behauptet dagegen die Piskarjow-Kommission in ihrem wenig überraschenden und einstimmigen Bericht.“
Das ist tatsächlich die Wahrheit, allerdings nicht ganz vollständig. Ich habe hier Anfang August ausführlich darüber geschrieben und die Tweets der Deutschen Welle auch mit Übersetzungen gezeigt. Ein Zitat wird nicht nur in Deutschland, sondern auch in Russland mit Anführungsstrichen deutlich gekennzeichnet. Hier sehen Sie den Tweet, um den es geht und die entscheidenden Worte sind „Москва, выходи!“. Sehen Sie Anführungsstriche?
Hinzu kommt, dass die Deutsche Welle an jenem Tag ungezählte Tweets veröffentlicht hat, wie ich in meinem Artikel aufgezeigt habe. Und sie hat auch viel zitiert. Aber wie jeder, der sich die Tweets der Deutschen Welle Russland vom 27. Juli 2019 anschaut, auch ohne Russischkenntnisse feststellen kann, waren in vielen Tweets Zitate deutlich mit Anführungsstrichen gekennzeichnet. Und wer Russisch versteht der sieht sogar, dass auch die Urheber der Zitate meistens von der Deutschen Welle genannt wurden. Sie hat also an dem Tag alle Zitate ordnungsgemäß als solche gekennzeichnet.
Wie überzeugend ist für Sie dann aber die Argumentation der Deutschen Welle, die sich keiner Schuld bewusst ist und behauptet, der Aufruf zur nicht genehmigten Demonstration sei ein Zitat?
Frau Hebel hat daher in einem Punkt zweifelsfrei recht: Es ist in der Tat „wenig überraschend„, dass die Kommission einstimmig zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es ein „Aufruf zu unerlaubten Protesten und damit eine politische Einmischung“ war. Ich wüsste nicht, zu welchem anderen Ergebnis man nach einer sogar nur oberflächlichen Durchsicht der Tweets der Deutschen Welle vom 27. Juli 2019 kommen kann, aber vielleicht erklärt es mir ja jemand.
Die Frage ist nun, was der Deutschen Welle in Russland passieren kann. Und auch dazu können wir von Frau Hebel eine Menge erfahren. Immerhin stehen folgende Vorwürfe im Raum:
„Die DW habe gegen das Versammlungs-, Informations- und Wahlrecht verstoßen (…) Neu ist nun der Vorwurf, es gäbe in Berichten der DW „Hinweise auf die Rechtfertigung von Extremismus“.“
Besonders der aktuelle Vorwurf gegen die Deutsche Welle wegen Extremismus hat es in sich. Immerhin ist im russischen Strafgesetz „Extremismus“ das, was in Deutschland Volksverhetzung“ ist.
Aber bei Frau Hebel kann man dazu lesen:
„Die Kommission verweist auf (…) die Berichterstattung über den Fall eines Bloggers, der wegen eines geschmacklos formulierten Tweets über die Kinder von Polizisten zu einer hohen Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt worden war.“
Der „Blogger“ hatte dazu aufgerufen, die Namen von Polizisten in Erfahrung zu bringen, deren Kinder nach der Schule zu entführen, sie zu Tode zu foltern und die Videoaufnahmen davon den Polizisten mit der Post nach Hause zu schicken. Finden Sie die Formulierung von Frau Hebel, es handle sich lediglich um „geschmacklos formulierte Tweets“ passend? Fühlen Sie sich jetzt gut vom Spiegel informiert?
Die Deutsche Welle hatte den Mann verteidigt und auf Russisch berichtet, er werde ins Gefängnis gesteckt, weil er ein „Oppositioneller“ sei. Wie würden wohl deutsche Medien und Politiker reagieren, wenn Pegida-Mitglieder sich als „Blogger“ und „Oppositionelle“ bezeichnen und dazu aufrufen, die Kinder von deutschen Polizisten zu entführen und zu Tode zu foltern?
Ich kann Ihnen sagen, wie man in Deutschland reagieren würde. Das steht nämlich Strafgesetzbuch. Gemäß §26 wird der „Anstifter“, sofern es zur Tat kommt, genauso hart bestraft, wie der Täter selbst. Und §111 sagt dazu:
„Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften zu einer rechtswidrigen Tat auffordert, wird wie ein Anstifter (§ 26) bestraft. Bleibt die Aufforderung ohne Erfolg, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren“
Dem Mann hätten nach deutschem Recht bis zu fünf Jahre Haft gedroht, da seine Aufrufe niemand in die Tat umgesetzt hat. Hätte es jemand getan, wäre es um Mord gegangen und der „Anstifter“ wäre wie ein Mörder bestraft worden: Lebenslänglich.
Frau Hebel faselt dabei über „geschmacklos formulierte Tweets„.
Aber zurück zu den Konsequenzen, die der Deutschen Welle in Russland drohen.
Neben dem Verbot der Tätigkeit in Russland ist auch eine Einstufung als „ausländischer Agent“ möglich. Frau Hebel dazu:
„Ende 2017 war in Russland das sogenannte Ausländische-Agenten-Gesetz gegen Medien in Kraft getreten, das zunächst nur für NGOs betroffen hatte (Lesen Sie dazu hier die Hintergründe). Dabei handelt es sich um ein vage formuliertes Gesetz. Danach müssen sich Medien als „ausländische Agenten“ bezeichnen, die „politisch tätig“ sind und vom Ausland finanziert werden. Da die DW ihre Mittel aus dem Haushalt der Bundesrepublik erhält (…), kursierte der Name des Senders von Anfang an in Zusammenhang mit dem Gesetz. Bis jetzt listet das russische Justizministerium neun Medien auf, alle von den USA finanziert: die Sender Voice of America und Radio Free Europe/Radio Liberty mit sieben ihrer regionalen und thematischen Tochtergesellschaften.“
Frau Hebel verschweigt hier die Hintergründe des Gesetzes. Zunächst einmal ist das Gesetz über „ausländische Agenten“, das Russland vor einiger Zeit für politische und aus dem Ausland finanzierte NGOs erlassen hat, nur eine abgeschwächte Kopie des FARA-Gesetzes, das in den USA seit 1938 gilt. Die Russen haben sogar den Begriff einfach abgeschrieben, denn FARA bedeutet „Foreign Agents Registration Act“, also „Gesetz zur Registrierung ausländischer Agenten.“
Im Gegensatz zur US-Variante, die bei Verstößen Gefängnisstrafen vorsieht, ist die russische Variante des Gesetzes harmlos. Eine NGO kann – wie in den USA auch – zwar verboten werden, wenn sie gegen die Verfassung agiert, aber ansonsten müssen betroffene NGOs nur ihre Finanzierungsquellen offen legen.
In den USA hingegen drohen nach dem FARA-Gesetz empfindliche Gefängnisstrafen, wie eine russische Studentin gerade erleben durfte, deren einziges Vergehen es war, mit der US-Waffenlobby Kontakt gehabt zu haben, ohne sich als „ausländische Agentin“ zu registrieren.
Dass Russland das Gesetz 2017 auch auf Medien ausgeweitet hat, hat einen einfachen Grund, den Frau Hebel hier in ihrem Artikel aber verschweigt. Nur der aufmerksame Leser kann ihn finden, wenn er den Link i, obigen Zitat anklickt und das dort verlinkte Interview aufmerksam liest. Der Grund ist folgender: Die USA haben Russia Today 2017 als „ausländischen Agenten“ eingestuft und deren Arbeit in den USA massiv eingeschränkt. Und da hat Russland eben dieses Gesetz erlassen und das gleiche mit US-Medien getan, die vom US-amerikanischen Staat finanziert werden: Sie wurden als „ausländische Agenten“ eingestuft.
Russland hat aber keinerlei Interesse, dieses Gesetz anzuwenden. Wenn Russland gewollt hätte, hätte es das Gesetz sofort nicht nur auf die Deutsche Welle, sondern auch auf die BBC und andere ausländische Staatsmedien anwenden können. Das hat Russland aber nie getan.
Aber Russland hat des Gesetz wohl bewusst etwas schwammig formuliert, um es bei Bedarf auf andere anwenden zu können. Der erste Kandidat war allerdings nicht die Deutsche Welle, sondern französische Staatsmedien, denn Frankreich verweigert seit Monaten, russische Journalisten beim Außenministerium zu akkreditieren. Das bedeutet, dass sie in Frankreich nicht arbeiten dürfen und Russland hat angekündigt, in Zukunft mit französischen Journalisten genauso zu verfahren, wenn Frankreich das nicht abstellt. Russland hat übrigens das Recht, das von Frankreich zu fordern, weil die Mitgliedsstaaten der OSZE sich dazu verpflichtet haben, ausländische Journalisten zu akkreditieren.
Und dann regt Frau Hebel sich noch über folgendes auf:
„Und Piskarjow geht noch weiter: Er fordert von Justizministerium, Geheimdienst FSB, der Generalstaatsanwaltschaft und Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor die Berichterstattung der DW, die noch bis 2025 über eine TV-Sendelizenz in Russland verfügt, zu untersuchen.“
Dass er dabei nur dem deutschen Vorbild folgt, verschweigt Frau Hebel den Spiegel-Lesern. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht kann man auf Seite 287 nachlesen, dass der deutsche Geheimdienst bereits die russischen Staatsmedien beobachtet. Das bedeutet, dass der Verfassungsschutz sich das Recht herausnimmt, die Journalisten zu beobachten, ihre Telefone abzuhören und so weiter. Die russischen Behörden sollen nun demnach nur die Berichterstattung des deutschen Staatssenders Deutsche Welle untersuchen, aber schon das regt Frau Hebel auf.
Und noch etwas ist interessant: die Deutsche Welle hat sogar eine Fernsehlizenz für Russland. RT-Deutsch möchte auch eine solche Lizenz für Deutschland, wird sie aber nicht bekommen.
Aber in Russland ist die Pressefreiheit eingeschränkt und Deutschland ist die Presse frei?
2 Antworten
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Die MSM machen genau dasselbe zu Hong Kong. Illegal und Gewalt ist dann OK, wenn es gegen China und Russland geht.
(Wir sind doch die Guten, die bestimmen, was Demokratie ist und was totalitär. Nennt man Deutungshoheit, und Recht hat sich gefälligst dieser Deutungshoheit unterzuordnen.)
Ich habe diesen Artikel in diesem Käseblatt Spiegel heute auch gelesen und da ich ja etliche deiner Artikel dazu schon kannte, Thomas, habe ich so bei mir gedacht, was ist das für eine verlogene Bande! Aber viele unbedarfte Spiegelleser glauben das und werden in die Irre geführt! Wenn dieser Lügensender Deutsche Welle (der den Putsch in der Ukraine als „Revolution“ bezeichnet) eingeschränkt oder gar verboten wird, dann werden Gründe erfunden, um RT zu sperren! Davon bin ich überzeugt!