Nur 869 Mio. von 2 Mrd. verkauft: Warum bleibt Deutschland auf neuen Staatsanleihen sitzen?
Deutschland hat am Mittwoch versucht, eine neue 30-jährige Staatsanleihe zu verkaufen, jedoch ist Deutschland auf den meisten Papieren sitzen geblieben. Wie konnte das passieren?
Das Finanzsystem steht am Abgrund. Nach der Finanzkrise von 2008 und der darauf folgenden, sogenannten, „Eurokrise“ war das Finanzsystem eigentlich schon am Ende. Es wäre komplett zusammengebrochen, wenn nicht die Zentralbanken Milliarden in die Märkte gepumpt, man muss sagen, regelrecht verschenkt hätten. Das Ergebnis spüren inzwischen die meisten Menschen der westlichen Welt: Dieses Überangebot an Geld bei den Banken und Fonds hat zu Blasen geführt. Die Aktienmärkte rennen von einem unbegründeten Allzeit-Hoch zum nächsten. Was die Menschen aber selbst spüren, sind die Preiserhöhungen bei Immobilien, egal ob man Käufer oder Mieter ist.
Diese Kombination aus praktisch unendlich viel Geld im System und daher zwangsläufig niedrigen Zinsen, hat dazu geführt, dass die Verschuldung in der Welt bei über 300 Prozent liegt.
Dass die Zinsen niedrig sind, hat einen einfachen Grund: Der Zins ist der Preis für einen Kredit (also für Geld). Wenn aber unendlich viel Geld da ist, wird niemand einen hohen Preis (Zins) dafür bezahlen. Auch wenn Ihre Bank mit Krediten geizig sein mag, wären Sie ein Fond, würde sie ihnen mit Wonne das Geld, also den Kredit, hinterher schmeißen. Das hat zu der weltweiten Überschuldung geführt und dazu, dass die Preise für Aktien und Immobilien sich von der realem Welt abgekoppelt haben. Das Geld musste irgendwo hin, also kaufte man „Werte“ wie Firmenanteile (Aktien) und Immobilien.
Das Thema der weltweiten Überschuldung habe ich hier einmal analysiert und auch die unweigerlich kommenden Folgen aufgezeigt. Keine Angst, das Thema ist nicht so kompliziert, wie die Medien einem vorgaukeln. Es ist am Ende einfache Mathematik, die jeder, der die vier Grundrechenarten beherrscht, mit einem Taschenrechner selbst nachrechnen kann.
Und diese Situation hat dazu geführt, Sie werden davon schon gehört haben, dass Deutschland, das noch als „sicherer Schuldner“ gilt, seine kurz- und mittelfristigen Staatsanleihen bereits seit einiger Zeit für Null-Zinsen oder sogar negative Zinsen platzieren kann. Die Investoren, also Banken und Fonds, haben so viel Geld, das irgendwo hin muss, dass sie es sogar weggeben, wenn sie hinterher weniger zurückbekommen. Hauptsache, sie finden überhaupt noch einen halbwegs sicheren Ort für ihr Geld.
Was seit dieser Woche neu ist, ist dass Deutschland am Mittwoch versucht hat, eine 30-jährige, also eine langfristige, Anleihe mit Null-Zins im Markt zu platzieren. Und das ging gewaltig in die Hose. Von zwei Milliarden, die man aufnehmen wollte, wurden nur 869 Millionen vom Markt angenommen. Der Rest liegt nun beim Finanzminister, der später versuchen wird, diese Anleihe Stück für Stück noch irgendwie loszuwerden.
Und bis zu einem gewissen Grad wird das funktionieren. Die EZB kauft zwar momentan offiziell keine Staatsanleihen der Mitgliedsstaaten mehr, aber die Tochterinstitute, die Zentralbanken, wie die Bundesbank, tun es immer noch. Das Handelsblatt schreibt dazu:
„Die EZB hat zwar ihre Nettoanleiheläufe vorerst beendet. Doch in ihrem Auftrag erwirbt die Bundesbank weiter Anleihen, um fällige Papiere zu ersetzen. Im September könnte die Notenbank zudem verkünden, dass sie das Anleihekaufprogramm wieder anschiebt. (…) Sie darf zudem höchstens ein knappes Drittel aller ausstehenden Anleihen einer Emission halten. Das wären im Fall des nun ausgegebenen Bonds knapp 670 Millionen Euro. Die lang laufenden Bundespapiere dürften sich auch bei anderen Notenbanken trotz der geringen Rendite einiger Beliebtheit erfreuen.“
Wir haben also bereits einen Finanzmarkt, in dem die eigentlichen Geldgeber, also die Banken und Versicherungen, trotz der Geldschwemme kein Interesse mehr an Staatspapieren haben:
„Vor allem Versicherungen und Pensionskassen, die regelmäßige Auszahlungen leisten müssen, setzen auf Zinspapiere mit positivem Kupon. „Sie sind auf eine positive Rendite angewiesen, um ihren Verpflichtungen gegenüber Anlegern und Kunden nachzukommen“, sagt DZ-Bankanalyst Lenz. „Eine negative Rendite und ein Null-Prozent-Kupon ist die ungünstigste Kombination, die dafür zusammenkommen kann.““
Also springen die Zentralbanken ein und drucken Geld, dass sie dem Staat leihen. Das ist das berühmte Prinzip „rechte Tasche, linke Tasche“ und ein weiteres Zeichen dafür, dass das System an seine Grenzen stößt.
Auch wenn man Staaten und private Haushalte nicht zu hundert Prozent vergleichen kann, hilft ein solcher Vergleich beim Verständnis: Stellen Sie sich vor, am 20. des Monats geht Ihnen das Geld aus. Und sie könnten dann einfach ein Stück Papier bemalen und damit beim Bäcker einkaufen gehen. Im richtigen Leben funktioniert das nicht. Aber bei Staaten und im Finanzsystem funktioniert es genauso, solange andere Staaten, Firmen und so weiter (also der „Bäcker“) daran glauben, dass das bedruckte Papier etwas wert ist.
Darum nennt man das heutige Geldsystem auch „Fiat-Money“. Das Wort kommt aus dem Latein und bedeutet „es geschehe“ (Fiat lux – „Es werde Licht“). „Fiat-Money“ bedeutet also „Es werde Geld“. Man malt sich sein Geld selbst und solange alle daran glauben, funktioniert das System. Wenn aber dieses selbstgemalte (oder in diesem Fall von der Zentralbank aus dem Nichts geschaffene) Geld so wenig wert ist, dass es außer der Zentralbank, die es geschaffen hat, niemand mehr haben will, wird die Sache problematisch.
Sicher, hier spielen heute auch die niedrigen Zinsen eine Rolle, aber wie gesehen, sind die ja Teil des Problems und Teil des Systems. Würde Deutschland Zinsen anbieten, wäre es seine Anleihen losgeworden.
Aber das Problem im System wird immer sichtbarer: Die Geldschwemme führt zu niedrigen Zinsen, die niedrigen Zinsen führen dazu, dass immer weniger Investoren noch an Geld oder Staatsanleihen interessiert sind. Andererseits sind aber alle anderen Geldanlagen wegen der jahrelangen Geldschwemme inzwischen hoffnungslos überteuert. Darum kaufen manche Anleger diese negativ verzinsten Staatspapiere sogar: Sollte die Blase bei Aktien oder Immobilien platzen, können sie schnell die Hälfte des eingesetzten Geldes verlieren. Da verzichtet mancher auch schon mal auf Zinsen, Hauptsache das angelegte Geld bleibt erhalten.
Das ist die verrückte Situation im heutigen Finanzsystem: Niemand weiß mehr, wohin noch mit dem vielen, selbst gemalten Geld.
Wer heute die Frage beantworten kann, wie lange das noch gut gehen kann, würde wohl den Nobelpreis für Wirtschaft bekommen.
Die Frage ist nicht, ob das System auseinander fliegt, sondern die Frage ist nur noch wann. Und Meldungen, wie die vom Mittwoch, sind eine weitere Bestätigung dafür.
15 Antworten
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„Aber das Problem im System wird immer sichtbarer: Die Gelschwemme führt zu niedrigen Zinsen, …“
Das ist nicht ganz richtig. Die Zinsen fallen, weil dass die neoliberale Medizin ist, das Wachstum anzukurbeln. Die Zinsen fallen, weil man es so will, und wenig deshalb, weil es zu viel Geldmenge gibt.
„Das ist die verrückte Situation im heutigen Finanzsystem … Die Frage ist nicht, ob das System auseinander fliegt, sondern die Frage ist nur noch wann. “
Ja, weil die neoliberale Theorie, NIEDRIGE KOSTTEN => WIRTSCHAFT WÄCHST ein fundamentaler Irrtum ist.
„Ein Schlusswort zur Lage des real existierenden Kapitalismus am Ende 2018“
http://marktwirtschaft-neu-denken.de/Aufbau/ps/18z/ps18z.php?tbch=ps&auslese=yyF8&ordner=18z
Ernesto Cardenal, Befreiungstheologe und Priester, Poet und Politiker
Carl Friedrich von Weizsäcker
Jacques Roux vor dem Pariser Konvent, 1793
Diese verfluchten -ismen. Das Einzige, was herrschen sollte, ist die Vernunft.
Das haben die Marxisten behauptet, heute die Neoliberalen
Du meinst aber:
Es soll Wissen herrschen, zu dem man mit der Vernunft als Werzeug gelangt ist.
😉
Herrschendes Wissen ist angewandte Vernunft. ?
Davon mal abgesehen, was weiß man schon sicher?
Vieles
(nien, ich lasse die Naturwissenschaften weg)
Unter anderem, dass die freie Marktwirtschaft instabil ist, nach gewisser Zeit zusammenbrechen muss
Aber herrscht dieses Wissen? Verlieren wir uns nicht in Erbsenzählerei.
„Genieße mäßig Füll und Segen,
Vernunft sei überall zugegen,
Wo Leben sich des Lebens freut.
Dann ist Vergangenheit beständig,
Das Künftige voraus lebendig,
Der Augenblick ist Ewigkeit.“
(Goethe)
Wenn man sich mit ökonomischen Fragen ernsthaft zu befassen gedenkt (und solches ist u. E. zwingend erforderlich), so halten wir die folgenden Vorträge für unverzichtbar:
Heiner Flassbeck – Warum die nie gelöste Eurokrise jetzt zurück kommt
https://www.youtube.com/watch?v=BA85mao8p6o
Heiner Flassbeck: Kapitalismus am Ende? Konsequenzen der neoliberalen Weltordnung
https://www.youtube.com/watch?v=RT36zak5XUY
Heiner Flassbeck – Welcher Idee unterliegt der Freihandel und wie wirkt er sich in der Realität aus.
https://www.youtube.com/watch?v=IOl0fJDu2dw
Prof. Dr. Heiner Flassbeck: Neues Freihandelsabkommen mit Afrika
https://www.youtube.com/watch?v=4tUWXRqu31c
Ja, Flassbeck ist ein bisschen gut
Ein Keynesianer, einer der einen vulgarisierten Keynesianismus hat (niedrige Löhne an allem schuld)
Das Problem ist, dass nicht einmal die Theorie von Keynes nicht unproblematisch ist
Wir müssen über Keynes hinaus
Die Keynessche Nachfragetheorie:
ein überforderter Paradigmenwechsel
weiter …
So, so.
Nun geht es in diesen Vorträgen allenfalls ganz am Rand um Keynes und dessen Wirtschaftstheorie.
Vielmehr geht es nach unseren Erinnerungen dort primär um Fakten, empirische Daten und Logik sowie deren Abgleich mit der ganz herrschenden ökonomischen „Leere“.
Uns jedenfalls erschien das , was der Mann da so von sich gibt, ganz plausibel.
Aber wenn er schon alles (besser) weiß – nun es ist niemand gezwungen, sich an den Früchten vom Baume der Erkenntnis zu laben – aber die von ihm einleitend vorgenommene recht kenntnisarme „Klassifikation“ dieses Mannes im Hinblick auf dessen unbestreitbare Reputation sagt da eigentlich alles.
(Mein Gott – wenn Eva so engstirnig gewesen wäre -wir müßten uns heute noch im Paradiese langweilen.)
Gut beobachtet!
Ich sage das schon seit 2007/08, als man die letzte Krise „bewältigte“. Gut, vorauszusagen, daß der Kapitalismus Krisen erzeugt, ist nicht schwer. Das steckt im System so drin. Aber im Fall der Finanzkrise ist es wichtig, zu wissen, woher sie rührt. Und das ist einfach viel zuviel Geld im System! Eben weil Banken es über die Kreditvergabe selbst „drucken“ können. Dieses „Bankenprivileg“ ist die Ursache des Problems, und das werden wir nicht los, ehe nicht eine totale Entwertung all dieser frei geschaffenen Geldmengen erfolgt. Die aber wäre eine Katastrophe, unter der natürlich die einfachen Menschen am meisten zu leiden hätten. Also jene, die das Problem gar nicht geschaffen haben.
Daß es überhaupt soweit kommen konnte, liegt in den 70er Jahren begründet, Damals wurde die Goldbindung des Dollars aufgehoben, weil für die Mengen an Geld die das System „brauchte“ (also ohne staatliche Kontrolle schon geschöpft worden war) gar nicht mehr genug Gold und Silber gefördert und eingelagert werden konnte. Es bestand die Gefahr, daß plötzlich ein beliebiges Land der Welt mit einem Haufen Dollar in Washington an die Tür klopfte, und die Herausgabe des Goldes verlangte.
Also gab man erst die Goldbindung des Dollars auf, und ein paar Jahre später die Regulierung der Finanzmärkte. Seitdem wächst die Geldmenge unkontrolliert. Wieviel nutzloses Geld in den Märkten steckt, zeigt sich allein schon, wenn man das Volumen des Derivatemarktes anschaut. „Wertpapiere“ die im Grunde Pferdewetten auf Geld sind. Früher mal geschaffen, um reale Risiken abzusichern (so konnten Bauern ihre Ernte schon vor der Aussaat verkaufen, und waren damit vor Verlusten abgesichert), inzwischen aber völlig freidrehend. Man kann auf das Wetter wetten, auf die Lebenserwatung von Rentnern (googlet mal nach „Compass life 3“), und so weiter. Das Volumen der weltweiten Derivate hat inzwischen das Zehnfache des jährlichen Welt-BIPs erreicht !! Und es geht um nichts! Es ist nur einfach zuviel Geld da!
Tja, und genau daher rührte auch die Hypothekenkrise in den USA. Die Banken brachten Kredite an den Mann, die zum Teil gar nicht einzubringen waren, weil die Kreditnehmer (Wohnungskäufer) die Raten nicht bedienen konnten. Man rechnete von Anfang an mit einer Ausfallquote von 25%. Aber die Alternative wäre gewesen, das Geld zu vernichten/entwerten. Um die Risiken zu „streuen“ verkaufte man die Schulden als „strukturierte Finanzprodukte“ auf dem Anleihemarkt weiter – in die ganze Welt. Ein gigantisches Schneeballsystem! Das hatte 2003 ein derartiges Ausmaß erreicht, daß die deutschen Banken im Kanzleramt vorstellig wurden, um ihren Schrott in einer staatlichen BadBank loszuwerden. Das Handelsblatt plauderte – und die Sache platzte.
https://www.handelsblatt.com/archiv/indiskretion-nach-spitzentreffen-bad-bank-sorgt-fuer-aufregung/2228686.html?ticket=ST-1609608-LO7tfPDzXPNAc0OOtVi7-ap1
Daraufhin suchten die Banken neue Wege. Die Hypobank gründete ihre eigene BadBank – die Hypo Real Estate HRE (gegründet 2003!!), die dann später doch vom Staat übernommen wurde:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hypo_Real_Estate
Die Deutsche Bank verkaufte ihren Schrott weiter, unter anderem an die IKB, die dann vom Staat gerettet „werden mußte“, weil sonst die Kredite der DB, die den Papierkauf finanzierte, ausgefallen wären.
Und so ging es weiter – weltweit In den USA ließ man Lehman über die Klinge springen, die anderen Institute aber „rettete“ man. Überall wurden staatliche Milliarden in die Märkte gepumpt, um das System am Kacken zu halten. Und das MUSS uns irgendwann auf die Füße fallen!
Das Problem entstand ja durch ZUVIEL Geld! Und „gelöst“ hat man es mit NOCH MEHR Geld…
Es gab keine „Hypothenkenkrise“!
Natürlich gab es die! Vielleicht ist der Begriff „Krise“ hier fehl am Platze, aber es gab diese riesige Blase im Markt für Hypotheken – anders auch als „Subprime-Krise“ bezeichnet.
Deren Ursache war aber natürlich nicht bei den Immobilien selbst zu suchen, wie ich schon dargelegt habe, sondern schlicht in der Tatsache, daß die Finanzmärkte ihr massig überschüssiges Geld in dem Sektor durch Hypothekenkredite loszuwerden versuchten, von denen klar war, daß sie eine hohe Ausfallraten haben würden. Andere Blasen bildeten sich bei den Konsumentenkrediten. In Ländern wie den USA, aber auch GB war über Jahre zu beobachten, daß die Bürger über solche Kredite regelmäßig mehr Geld ausgaben, als ihnen an Einkommen überhaupt zur Verfügung stand.
Diese Blasen waren natürlich nicht Ursache, sondern vielmehr Symptom eines grundsätzlich nicht mehr haltbaren Finanzsystems.
So lange Menschen mit Geld und in Geld denken und handeln ist es eine öffentliche Sache und dementsprechend zu behandeln. Daher gehört die Geldschöpfung in die Hände der Leistungserbringer und nicht in die Hände der Eigentümer und Besitzer. Sie sollte durch eine Buchung ins Eigenkapital (Vertrauen in das Leistunsvermögen der Gemeinschaft) und nicht ins Fremdkapital (Schuld bei Eigentümern und Besitzern) erfolgen. Damit wäre Geld schuldenfrei und verlangt keinen Zins.
»Durch ihre Unglaubhaftigkeit entzieht sich die Wahrheit dem Erkanntwerden.«
Heraklit