Nahost: Hektische Reise-Diplomatie der USA ohne Ziel
Der von US-Präsident Trump angekündigte Truppenabzug aus Syrien stößt auf immer größeren Widerstand und auch Trump scheint nun ein wenig zurückzurudern. Derzeit sind US-Außenminister Pompeo und der Nationale Sicherheitsberater Bolton im Nahen Osten unterwegs, um die neue Politik der USA zu erklären. Aber was ist das für eine Politik?
Es scheint, dass diese Frage derzeit niemand wirklich beantworten kann. Trump kündigte am 19. Dezember überraschend den zügigen Truppenabzug aus Syrien an. Aber nach der massiven Kritik scheint der nun nicht mehr so zügig zu kommen. Es heißt nun plötzlich, es solle vorher Sicherheitsgarantien der Türken für die Kurden geben.
Jedoch ist das nicht das einzige Problem. Auch Israel ist gegen den US-Abzug, weil es befürchtet, dass sich iranische Kräfte in Syrien festsetzen könnten, wenn die USA weg sind und Israel möglicherweise nicht mehr ungestraft in Syrien Luftangriffe fliegen kann. Wobei dies nach der russischen Lieferung von modernen Flugabwehrsystemen ohnehin schwieriger geworden ist, ein Grund mehr für Israel, gegen den US-Abzug zu sein. Und die israelische Lobby in den USA ist sehr mächtig, sie sitzt auch im Weißen Haus und zwar in Form von Trumps Schwiegersohn, den er zum Beauftragten für den Nahen Osten ernannt hat und der ein langjähriger Freund von Netanjahu ist.
Man sieht, die Gemengelage ist kompliziert, auch ohne all zu tief in die Details einzusteigen. Nun also sollen Pompeo und Bolton im Nahen Osten für eine Politik der USA werben, von der noch niemand so recht weiß, wie sie eigentlich aussieht.
Und das ist es auch, was man in den Medien lesen kann. Der Spiegel schreibt zu den Reisen: „Zwei Männer, neun Länder – ein Ziel: Schadensbegrenzung. US-Außenminister Pompeo und der Nationale Sicherheitsberater Bolton müssen im Nahen Osten die Politik ihres Präsidenten Donald Trump erklären.“
In dem Artikel kann man jedoch auch nicht viel Konkretes über diese Politik lesen, dafür Sätze wie: „„Die Vereinigten Staaten verlassen den Nahen Osten nicht.“Das ist die wichtigste Botschaft, die Pompeo bei seinem Besuch in der Region übermitteln möchte. So hat es ein hochrangiger Mitarbeiter des Außenministeriums vor dem Abflug seines Chefs erklärt.“
Damit ist nicht klar, wie die US-Politik aussieht, die Bolton und Pompeo nun im Nahen Osten verkünden sollen.
Generell kann man aus dem offenen Streit in Washington über den Truppenabzug nur herauslesen, dass die USA treu zu Saudi-Arabien und Israel stehen, dafür aber gegen den Iran sind. Alles andere scheint im Fluss zu sein. Am Ende des Spiegel-Artikels findet sich eine weitere Bestätigung dafür, dass momentan niemand genau weiß, wie die weitere US-Politik im Nahen Osten aussehen soll: „Der aufsehenerregendste Termin der Reise findet jedoch in Kairo statt. Voraussichtlich am Donnerstag wird Pompeo dort eine „Rede an die arabische Nation“ halten. Zum Inhalt teilt das US-Außenministerium mit, der Minister werde über „Amerika als Macht des Guten in der Region“ reden. Der Ort ist mit Bedacht gewählt. Vor fast zehn Jahren, im Juni 2009, hielt der damalige US-Präsident Barack Obama an der Universität Kairo eine viel beachtete Rede. Darin rief er zu einem Neuanfang in den Beziehungen zwischen den USA und der islamischen Welt auf. Pompeo dürfte versuchen, seinen Partnern in der Region nun klarzumachen, dass es nicht um einen Neuanfang geht. Sondern, dass alles so bleibt, wie bisher.“
Auch die russischen Medien sehen es ähnlich. Die Nachrichtenagentur TASS schrieb dazu über ein Interview von Pompeo bei CNN, wo er gesagt hat: „Es gab viel Lärm um den Abzug aus Syrien.“ Aber das bedeute keine Änderung der Strategie der USA: „Es gibt keine Änderung in unserer Einstellung im Kampf gegen den IS auf der ganzen Welt, unsere Strategie gegen den Iran hat sich nicht geändert“ Die USA seien immer noch darauf aus, „den feindlichen Einfluss des Iran zu beenden.“ Und weiter sagte er: „Es geht nur um eine Änderung der Taktik, wir holen unsere 2.000 Soldaten aus Syrien, aber die Ziele, die diese Administration in den letzten zwei Jahren verfolgt hat, bleiben die gleichen.“
Auch hier kann man also sehen, dass es keine Klarheit über das weitere Vorgehen der USA gibt, aber man kann auch sehen, dass Pompeo versucht, eine grundlegende Änderung der US-Politik im Nahen Osten zu verhindern. Inwieweit er dabei tatsächlich auch in Trumps Sinne handelt, ist schwer zu sagen. Pompeo hat seine eigene Sicht auf die Politik im Nahen Osten und er dürfte nicht zögern, Trump auch mal Knüppel zwischen die Beine zu werfen, wenn er es für nötig hält.
Bleibt noch hinzuzufügen, dass Erdogan verkündet hat, dass er den IS in Syrien als besiegt ansieht und sich inzwischen für eine Zusammenarbeit mit Syrien ausspricht, was sehr neue Töne von ihm sind. Gleichzeitig verurteilte Erdogan, dass sich einige Länder unter dem Vorwand des Krieges gegen den Terror in inner-syrische Angelegenheiten einmischen. Er nannte keine Länder beim Namen, aber er dürfte die USA und Israel gemeint haben. Das spricht dafür, dass es in Syrien zu einer Lösung zwischen Russland, Syrien und der Türkei kommen kann, wenn die USA erst einmal abgezogen sind.
Russland arbeitet darauf bereits hin und hat die Kurden an den Verhandlungstisch gerufen, um gemeinsam mit Assad über eine friedliche Lösung für Syrien zu beraten. Das könnte der Türkei gefallen, weil es den Fluss von Waffen der USA aus Syrien an die PKK in der Türkei eindämmen dürfte.
Aber so eine Stabilisierung Syriens dürfte eben mindestens den pro-israelischen Kräften in Washington gar nicht gefallen, weshalb der Machtkampf um den Abzug der US-Truppen aus Syrien noch nicht beendet sein dürfte. Der Ausgang ist völlig offen.
Währenddessen kann man in Aleppo, das vor einigen Jahren heftig umkämpft und in der Hand es IS war, sehen, wie eine solche friedliche Zukunft in Syrien aussieht: Dort feierten gestern armenisch-syrische Christen das orthodoxe Weihnachtsfest. So sah Syrien auch vor dem Bürgerkrieg aus: Es war ein säkulares Land, in dem Juden, Christen und Moslems gleichberechtigt zusammenlebten und so sieht es auch heute wieder überall dort aus, wo die Terroristen besiegt sind.
Damit dieser Frieden endlich eine Chance hat, braucht Syrien ein internationales Wiederaufbauprogramm und keine US-Soldaten.
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