Leserfrage zum Thema „Auswandern nach Russland“

Leserfrage: Wie ist es dir ergangen, als du nach Russland gegangen bist? Und wie erleben es andere in ähnlichen Situationen? Ich schätze. es gibt nicht wenige, die darüber sinnieren, ob Sinn macht und die Möglichkeit gibt, ebenfalls nach Russland auszuwandern…
 
Mein Beispiel dürfte hier nicht weiterhelfen. Ich habe zuerst russische Freunde gehabt, hat sich so ergeben, und Russland kennengelernt und vor allem auch die Sprache gelernt. Ich bin also nicht ins kalte Wasser gesprungen und wusste, wohin die Reise geht. Ich habe mir dann eine Arbeit bei einer deutschen Firma gesucht und bin mit Job in der Tasche nach Russland gegangen.
 
Und das betrifft eigentlich die meisten Deutschen, die ich hier kenne: Sie hatten zumindest einen Job, egal ob sie nach Russland wollten oder von der Firma „abkommandiert“ wurden. Das macht die Sache leichter, man kennt sofort ein paar Leute, zumindest die Kollegen, und ist nicht allein im fremden Land.
 
Die Russen nehmen einen gut auf, als Deutscher muss man keine Befürchtungen haben, auf Ablehnung zu treffen, im Gegenteil. Der Rest hängt dann vom eigenen Charakter ab. Man muss allerdings bereit sein, die Unterschiede zu akzeptieren. Die Russen sind zum Beispiel viel spontaner, als die Deutschen, fast alles Private findet spontan statt, wochenlange Vorplanung gibt es nicht. Das Wetter ist gut? Plötzlich findet man sich in einer WhatsApp-Gruppe wieder, in der verabredet wird, dass man sich in großer Runde in drei Stunden zum Grillen trifft. So in etwa läuft es hier.
 
Für alle, die mit dem Gedanken spielen, nach Russland zu gehen habe ich daher zwei wichtige Tipps: Erstens, fahrt in das Land, in die Stadt, in die Ihr auswandern wollt und lebt dort mal einen Monat „auf Probe“ und seht es Euch genau an. Es ist eben anders, als in Deutschland und man sollte wissen, wohin man geht.
 
Zweitens: Gerade wer keine Kontakte nach Russland hat, der sollte versuchen, sich einen Job in Russland zu suchen, denn erstens muss man von irgendetwas leben und zweitens ist das ein guter Einstieg für den Aufbau eines sozialen Umfeldes. Und im übrigen wird es schwer, einen Job zu finden. In der Regel können Deutsche die Sprache nicht oder (sorry) schlecht, das ist bei der Jobsuche ein sehr großes Hindernis, wenn man nicht irgendwelche sehr gefragten Fähigkeiten mitbringt.
 
Das Auswandern selbst nach Russland ist auch nicht so einfach. Juristisch ist es ein wenig wie USA, man braucht eine Aufenthaltserlaubnis und die sind begrenzt, weil es einen großen Andrang aus den ehemaligen Sowjetrepubliken gibt und man muss in der Regel Jahre warten, bis man eine solche Erlaubnis zugeteilt bekommt.
 
Eine Möglichkeit, diese Erlaubnis sofort zu bekommen, ist mit einem Menschen aus Russland verheiratet zu sein. Mehr Möglichkeiten, die Wartezeit zu verkürzen gibt es laut Gesetz nicht. Und man muss dann auch in jedem Fall einen Test machen, ähnlich dem Integrationstest in Deutschland, bei dem man erstens Grundkenntnisse der russischen Sprache nachweisen muss, denn man muss auf Fragen schriftlich und mündlich antworten. Außerdem werden auch noch Kenntnisse der russischen Gesetze und Geschichte abgefragt. Alles natürlich auf Russisch.
 
Eine andere Möglichkeit ist wie gesagt ein Job. Wenn man als Spezialist eingeladen wird, in Russland zu arbeiten und der Arbeitgeber die Formalitäten der Anmeldung eines ausländischen Spezialisten übernimmt, kann man ebenfalls für die Dauer des Arbeitsverhältnisses in Russland leben. Endet das Arbeitsverhältnis, dann sind wir wieder bei der Aufenthaltsgenehmigung.
 
Es ist also insgesamt nicht leicht, nach Russland auszuwandern, aber wer es wirklich will und genug Geduld mitbringt, der kann es natürlich tun. Es gibt im Netz und auch bei Facebook auch Gruppen zu dem Thema, wo man sich austauschen kann.
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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