Atomwaffen, Ukraine, Militärhilfe

Putin im O-Ton über die Folgen des russisch-nordkoreanischen Vertrages

Der Vertrag, den Putin und Kim geschlossen haben, hat im Westen für einigen Wirbel gesorgt. Der Vertrag sieht gegenseitigen militärischen Beistand und eine enge Zusammenarbeit vor. Außerdem geht es auch um mögliche Waffenlieferungen an Nordkorea, worauf Südkorea bereits empfindlich reagiert hat.

Bei Putins Besuch in Vietnam haben russische Journalisten Putin viele Fragen zu dem neuen russisch-nordkoreanischen Vertrag gestellt. Da der Vertrag auch gegenseitigen militärischen Beistand und militärische Zusammenarbeit vorsieht, war natürlich auch die Ukraine ein Thema. Wird Nordkorea Russland in der Ukraine helfen? Wird Russland Nordkorea Waffen liefern?

Letzteres hat Putin nicht ausgeschlossen, worauf sofort eine heftige Reaktion aus Südkorea folgte, das jedoch die Ukraine bereits unterstützt, indem es Granaten an die USA liefert, die von dort weiter in die Ukraine gehen. Südkorea denkt nun darüber nach, die Ukraine direkt zu beliefern.

Es sind also mehrere Themen und Krisenherde von dem betroffen, was Russland und Nordkorea verabredet haben. Daher habe ich die ersten Fragen und Putins Antworten der Pressekonferenz, die der russische Präsident Putin in Vietnam gegeben hat, als großen Block übersetzt, weil sie miteinander zusammenhängen.

Beginn der Übersetzung:

Minakow: Russland und Nordkorea haben einen Vertrag über eine umfassende strategische Partnerschaft geschlossen, der unter anderem eine Zusammenarbeit im militärtechnischen und im Verteidigungsbereich vorsieht. Der letzte Punkt im Verteidigungsbereich sieht gegenseitigen Beistand der Vertragsstaaten im Falle eines Angriffs durch eine dritte Partei vor.

Dazu habe ich eine Frage, die sich aber aus mehreren Teilen zusammensetzt. Erstens: Unter welchen Umständen soll dieser Teil des Vertrages in Kraft treten? Gilt das, zweitens, auch für die Situation in der Ukraine? Und halten Sie die Möglichkeit des Einsatzes von Freiwilligen und Soldaten aus Nordkorea in der Militäroperation für möglich?

Und zur Entwicklung des militärtechnischen Bereichs eine dritte Frage. Russland und Nordkorea sind die einzigen, gegen die so viele Sanktionen verhängt wurden. Beabsichtigt Moskau, alle Beschränkungen, auch die durch internationale Sanktionen auferlegten, aufzugeben und die Zusammenarbeit mit Nordkorea im militärtechnischen Bereich in vollem Umfang auszubauen?

Putin: Sie haben eine ganze Reihe von Fragen, lassen Sie uns die in Teilen beantworten. Erstens: Unter welchen Bedingungen werden die Teile des Vertrages, die die gegenseitige Unterstützung im militärischen Bereich betreffen, genutzt werden, ja?

Das erste, was ich sagen und worauf aufmerksam machen möchte, ist, dass Analysten aus irgendeinem Grund – nun, vielleicht haben die [dazu] was gesagt – ich habe jedenfalls nichts bemerkt, und offen gesagt, hatte ich auch keine Zeit, nachzusehen. Dennoch möchte ich auf dies aufmerksam machen: Das Abkommen ist keine Neuheit. Wir haben diesen Vertrag geschlossen, weil der alte Vertrag nicht mehr existierte, und unser vorheriger Vertrag – ich glaube, er stammte aus dem Jahr 1962 oder so – enthielt dieselben Dinge. Hier gibt es keine Neuigkeiten.

Natürlich sieht das unter den heutigen Bedingungen besonders akut aus, aber trotzdem haben wir fast nichts geändert, und die Demokratische Volksrepublik Korea hat ähnliche Verträge mit anderen Ländern. Das ist das Erste.

Was die Gründe für den gegenseitigen militärischen Beistand betrifft, so heißt es dort: im Falle einer Aggression, einer militärischen Aggression.

Jetzt zu dem, was die Ukraine betrifft: Das ukrainische Regime hat nicht mit einer Aggression gegen Russland begonnen, sondern mit einer Aggression gegen die Volksrepubliken Lugansk und Donezk, bevor wir sie anerkannt haben, bevor sie Teil der Russischen Föderation wurden.

Jetzt geht es darum, die gegenseitigen Fähigkeiten in diesem Konflikt irgendwie zu nutzen. Wir haben niemanden darum gebeten, niemand hat es uns vorgeschlagen, es besteht also keine Notwendigkeit.

Was war da noch?

Minakow: Wegen der Sanktionen.

Putin: Was die Sanktionen angeht, so habe ich bereits gesagt, ich glaube, bei dem Treffen mit Ihren Kollegen, den Leitern der weltweiten Nachrichtenagenturen, habe ich gesagt, dass einige der Sanktionen, die gegen Nordkorea verhängt wurden, gelinde gesagt, irgendwie sehr seltsam aussehen.

Wie Sie wissen, komme ich aus Leningrad. Jeder weiß sehr gut, was Leningrad während des Zweiten Weltkriegs, während des Großen Vaterländischen Krieges, durchlebt hat. Das war die Blockade, als die Menschen verhungert sind. Wie Sie wissen, hat es in meiner Familie deswegen Verluste gegeben: Mein Bruder ist während der Blockade praktisch verhungert, er ist krank geworden und gestorben.

Und was geschieht jetzt mit Nordkorea? Man kann über das Regime denken, was man will, aber beispielsweise Beschränkungen für die Arbeitsmigration zu verhängen, wirkt irgendwie seltsam. Wozu führt das? Es führt dazu, dass Familien, wenn sie sich in einer sehr schwierigen finanziellen Situation befinden, nicht die Möglichkeit haben, etwas zu verdienen und ihre Kinder zu ernähren. Kommt Ihnen das bekannt vor? Ist das human?

Deshalb müssen die Sanktionen, die in diesem Fall natürlich in erster Linie aus politischen Gründen verhängt werden, dem modernen Stand der Entwicklung der Menschheit entsprechen.

Deshalb habe ich in Pjöngjang gesagt, und ich habe es aufrichtig gesagt, dass wir gemeinsam darüber nachdenken müssen, wie und was an diesem Sanktionsregime geändert werden muss und ob es den heutigen Anforderungen entspricht.

Kokoveschnikow: Um beim Thema Ukraine zu bleiben.

Putin: Ja, bitte.

Kokoveschnikow: Guten Tag! Swesda-TV, Konstantin Kokoveschnikow. Bitte sagen Sie mir, wie Sie die Reaktion der westlichen Länder kommentieren, oder besser gesagt, deren Ablehnung der von Ihnen vorgeschlagenen Bedingungen für eine friedliche Beendigung des Konflikts in der Ukraine? Mit einer solchen Reaktion konnten Sie ja kaum rechnen.

Und was war der Grund für Ihre Entscheidung, die Bedingungen für eine friedliche Beendigung des Konflikts, die eigentlich hinter den Kulissen ausgehandelt werden sollten, öffentlich zu nennen? Oder haben sich Ihre Hoffnungen auf diese Verhandlungen nun endgültig zerschlagen?

Putin: Wissen Sie, wir haben Verhandlungen hinter den Kulissen geführt, und unsere Hoffnungen darauf haben sich tatsächlich noch nicht erfüllt.

Was die Reaktion unserer sogenannten westlichen Partner betrifft – Sie sagten, dass ich sie offenbar nicht erwartet habe – nein, im Gegenteil, ich habe in der ersten Phase genau diese Reaktion erwartet. Aber was später passieren wird, wird die Zeit zeigen.

Alles wird davon abhängen, wie sich die Situation vor Ort entwickelt. Ich denke, dass einige vernünftige Politiker darüber nachdenken werden, ob die Vorschläge, die ich gemacht habe, realistisch, objektiv und im Interesse aller Vertragsparteien und Europas als Ganzem sind, wenn es den Konflikt im Zentrum Europas wirklich beenden will. Nun, wir werden sehen. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Haltung gegenüber unseren Vorschlägen von Dauer sein wird. Wir hören bereits Stimmen von einigen Politikern, die sagen, ja,vielleicht ist das ein Ultimatum, ja, es sind überzogene Forderungen, aber wir können nicht ablehnen, wir müssen darüber nachdenken und uns damit auseinander setzen.

Aber ist das, was unsere Partner vorgelegt haben, kein Ultimatum? Sie haben sich irgendwelche Formeln ausgedacht, obwohl es das Ergebnis unserer Verhandlungen in Minsk und Istanbul gibt. Warum erinnert sich niemand daran? Ich habe schon hundertmal gesagt: Wir haben uns damals geeinigt, und es gibt die Unterschrift des Leiters der Verhandlungsgruppe der ukrainischen Seite, dass die in Istanbul getroffenen Vereinbarungen im Prinzip für die ukrainische Seite akzeptabel waren. Was ist vor Ort, auf dem Schlachtfeld, passiert, das es erlaubt, zusätzliche Bedingungen zu stellen, die in keiner Weise zu unseren Vereinbarungen von Istanbul passen? Es gibt nichts, was die Position des anderen verhandelnden Landes, in diesem Fall der Ukraine, irgendwie hätte ändern können.

Daher glaube ich nicht, dass dieser Nihilismus in Bezug auf unsere Vorschläge für immer bleiben wird. Es wird sich wahrscheinlich etwas ändern, einschließlich unserer Bedingungen, je nach der Situation vor Ort.

Sarubin: Pawel Sarubin, Fernsehsender Rossija. Wie lange können diese Bedingungen in Kraft bleiben? Schließlich gab es auf dieser Konferenz in der Schweiz zahlreiche Signale und Erklärungen, dass Russland bei der nächsten Konferenz, wenn sie denn stattfindet, dabei sein soll. Es ist klar, dass es viele Nuancen gibt, aber trotzdem: würde Russland darauf reagieren?

Ich danke Ihnen.

Putin: Ja. Ich habe doch gesagt, dass nicht wir es waren, die die Verhandlungen abgebrochen haben. Die ukrainische Seite hat sich selbst verboten, zu verhandeln. Nicht wir. Wir sind dafür und haben uns nie geweigert, das zu tun. Aber nicht auf der Grundlage irgendwelcher flüchtiger Formen, sondern auf der Grundlage jener Vereinbarungen, ich möchte das noch einmal wiederholen, die in schwierigen Verhandlungen, in fast anderthalb Monaten Verhandlungen in Istanbul und Minsk, erreicht wurden. Auf dieser Grundlage sind wir bereit, unseren Dialog mit der ukrainischen Seite fortzusetzen. Dabei spielt es keine Rolle, wo sie stattfinden werden – in Minsk, in Istanbul oder in der Schweiz.

Sarubin: Wie lange werden diese Bedingungen in Kraft bleiben?

Putin: Bei uns liegen diese Vorschläge auf dem Tisch, bitte. Es liegt nicht mehr an uns, zu entscheiden, wann alle an diesen Verhandlungen interessierten Parteien das, was auf dem Tisch liegt, annehmen und Verhandlungen beginnen werden. Gerne morgen. Aber wann sie es tun wollen, liegt an denen. Aber, ich wiederhole, alles wird davon abhängen, was im richtigen Leben passiert. Und dann werden wir davon natürlich ausgehen. Aber die grundsätzliche Vorgehensweise wird so sein.

Lasarewa: Wladimir Wladimirowitsch, guten Tag! Ekaterina Lasarewa, URA.RU. Ich habe eine Frage zu Atomwaffen. Sie haben kürzlich gesagt, dass Sie die Möglichkeit von Änderungen an unserer Nukleardoktrin eingeräumt haben. Ich würde gerne verstehen, unter welchen Umständen das möglich ist und welche Bedingungen dafür gegeben sein müssen. Halten Sie es für möglich, dass unsere Nukleardoktrin eine Klausel über die Möglichkeit eines präventiven Atomschlags enthalten wird?

Putin: Wissen Sie, ich glaube, ich habe gesagt, dass wir immer noch darüber nachdenken, was und wie wir an der Nukleardoktrin und -strategie ändern könnten. Und das hängt mit folgendem zusammen. Das hat damit zu tun, dass neue Elemente im Zusammenhang mit der Senkung der Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen auftauchen – zumindest wissen wir, dass der wahrscheinliche Gegner daran arbeitet. Insbesondere werden nukleare Sprengsätze mit sehr geringer Sprengkraft entwickelt, und wir wissen, dass es in Kreisen westlicher Experten Überlegungen gibt, dass solche Vernichtungsmittel eingesetzt werden könnten, und daran sei nichts besonders Erschreckendes. Es mag nicht schrecklich sein, aber wir müssen darauf achten. Und das tun wir auch.

Darauf bezieht sich meine Aussage, dass wir über mögliche Veränderungen in unseren Strategien nachdenken.

Lasarewa: Und ein Präventivschlag?

Putin: Wir brauchen noch keinen Präventivschlag, denn beim Gegenschlag wird der Gegner garantiert vernichtet.

Panjuschkin: Konstantin Panjuschkin, Erster Kanal. Sie haben gerade gesagt, dass es keine Angebote von Nordkorea gibt, und dass es von Ihrer Seite auch kein Ersuchen um Soldaten gibt, aber gleichzeitig, wenn wir es richtig verstehen, impliziert Artikel 4 des Vertrages de facto eine kollektive Verteidigung.

Putin: Im Falle einer Aggression.

Panjuschkin: Im Falle einer Aggression, ja. Unter diesen Umständen, wenn gegen Russland bereits…

Putin: Ich habe diese Frage bereits beantwortet. Es gab eine Aggression von Seiten des Kiewer Regimes gegen die zwei Republiken, die wir damals nicht anerkannt hatten.

Panjuschkin: Und was war für Kim Jong-un ausschlaggebend, diesen Vertrag in einer so schwierigen Situation zu unterzeichnen, während dieser unerklärte Krieg gegen Russland geführt wird? Und für Sie auch?

Putin: Das müssen Sie ihn fragen. Wie kann ich das sagen?

Was das Wesentliche angeht, so habe ich es bereits gesagt. De facto ist das eine vollständige Reproduktion unseres Vertrages, der aufgrund des Ablaufs seiner Laufzeit ausgelaufen ist. Es gibt hier also keine Neuerung.

Panjuschkin: Da ist noch die immer wieder aufflammende Korea-Krise, die theoretisch auch zu größeren Feindseligkeiten eskalieren könnte. Was war für Sie ausschlaggebend, diesen Vertrag zu unterzeichnen, wenn man diese Umstände berücksichtigt?

Putin: Ich habe es schon zweimal gesagt, und ich kann es ein drittes Mal wiederholen: Wir haben den Vertrag von 1960 oder 1962 reproduziert, der nun ausgelaufen ist.

Ja, natürlich schwelt die Korea-Krise, aber wir gehen davon aus und hoffen, dass unsere Abkommen mit der Demokratischen Volksrepublik Korea bis zu einem gewissen Grad auch abschreckend wirken, damit diese Krise nicht in eine heiße Phase eskaliert.

Kolesnikow: Zeitung „Kommersant“, Andrej Kolesnikow. Kann der Einsatz westlicher Langstreckenwaffen als ein Akt der Aggression betrachtet werden? Kann der Beschuss von Belgorod und von russischem Territorium insgesamt als ein Akt der Aggression betrachtet werden?

Putin: Das erfordert zusätzliche Untersuchungen, aber es ist nahe dran. Wir sind dabei, das zu analysieren. Worüber reden wir in diesem Fall? Diejenigen, die diese Waffen liefern, meinen, dass sie sich nicht im Krieg mit uns befinden. Das ist es, was ich gesagt habe, auch in Pjöngjang, dass wir uns dann das Recht vorbehalten, Waffen in andere Teile der Welt zu liefern.

Angesichts unserer Vereinbarungen mit der Demokratischen Volksrepublik Korea schließe ich das nicht aus. Wohin sie dann gehen werden, darüber können wir uns dann genauso äußern. Der Westen liefert Waffen an die Ukraine und sagt: Wir kontrollieren hier weiter nichts und es ist egal, wie sie eingesetzt werden. Nun, wir können auch sagen: Wir haben jemandem etwas geliefert und dann kontrollieren wir nichts mehr. Sollen die darüber nachdenken.

Die wichtigste Aufgabe für uns in dieser Phase ist also, diese Angriffe abzuwehren.

Ende der Übersetzung


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

4 Antworten

  1. Nicht vergessen – Verträge kann man machen und man kan sich daran halten – man kann auch liefern ohne viel zu reden. Die Koreaner würden sicherlich ihre 1,3 Millionenarmee etwas ausbilden, die Europäer sollten also keine Soldaten schicken, die werden dann auf einmal von Koreaner gefressen.
    Viele wissen warum ihre Familie verhungerte, nun können sie zeigen wer sie sind. Man lese die alten Kriegsberichte!

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