Wer zieht die Fäden hinter den Unruhen in Weißrussland?

Dass Frau Tichanowskaja in Weißrussland nur eine Scheinkandidatin war und ist, wird nun langsam auch im deutschen Mainstream deutlich. Aber wer steckt tatsächlich hinter den Protesten und wer wird aller Wahrscheinlichkeit vom Westen als tatsächlicher Nachfolger für Präsident Lukaschenko unterstützt? Auf diese Fragen gibt es durchaus Antworten.

Haben Sie in Deutschland schon mal den Namen Waleri Zepkalo gehört? Nein? Das könnte sich in den nächsten Monaten ändern, denn er scheint der heimliche Kopf der Opposition gegen Lukaschenko zu sein. Aber der Reihe nach.

Tichanowskaja ist nur eine Marionette

Tichanowskaja, die von den westlichen Medien als Wahlsiegerin gefeiert wird, hat keine eigenen Ambitionen auf das Präsidentenamt und sie hat die auch nie gehabt. Sie wollte nie Präsidentin des Landes werden. Ihr Mann war Präsidentschaftskanditat und wurde vor einigen Monaten verhaftet, ob unter inszenierten Umständen oder wegen tatsächlich begangener Verbrechen, ist für den Moment nebensächlich. Jedenfalls ist sie dann für ihren Mann als Kandidatin eingesprungen.

Der Spiegel hat nun zum ersten Mal deutlich berichtet, was in russischsprachigen Medien längst allgemein bekannt war. Unter der Überschrift „Belarus – Tichanowskaja will bei möglicher Neuwahl nicht antreten“ konnte man beim Spiegel lesen:

„“Ich plane nicht, selbst ins Rennen zu gehen“, sagt die belarussische Oppositionsführerin Tichanowskaja zu einer möglichen Neuwahl. Auch ihr Ehemann, an dessen Stelle sie ursprünglich kandidierte, sei nicht interessiert.“

Weder sie, noch ihr Mann hatten jemals ernsthaft vor, Weißrussland als Staatsoberhaupt zu führen. Sie waren vorgeschobene Kandidaten. In deutschen Medienberichten kann man auch lesen, dass Tichanowskaja in einem Team von drei Frauen angetreten ist. Das klang sehr sympathisch: Drei Frauen gegen den „letzten Diktator Europas.“ Wichtig ist in dem Trio Veronika Zepkalo, die Frau von Waleri Zepkalo.

Wer sich mal eine Rede von Tichanowskaja angeschaut hat, der weiß, dass sie weder ein Programm hatte, noch frei reden kann. Auf ihren Video-Aufrufen liest bemüht jedes Wort ab, Emotionen oder Überzeugungskraft, eine eigene Vision oder etwas ähnliches hat sie nicht. In einer in meinen Augen sehr guten Einschätzung der Lage in Weißrussland sagte der Chefredakteur von RT-Deutsch, die Opposition hätte auch „eine Pappscheibe“ aufstellen können und damit „aus dem Stand zweistelliges Ergebnis“ erreicht, so groß sei in Weißrussland die „allgemeine Lukaschenko-Müdigkeit.“

Ich würde es einschränken und sagen „so groß ist in Teilen der weißrussischen Bevölkerung die allgemeine Lukaschenko-Müdigkeit.“ Aber das sind Kleinigkeiten, in der Sache hat er in meinen Augen recht.

Wer ist Waleri Zepkalo?

Zepkalo ist ein alter Weggefährte von Lukaschenko. Er war schon in Lukaschenkos Wahlkampfteam, als dieser 1994 zum ersten Mal als Präsidentschaftskanditat antrat und die Wahl gewann. Später war er unter anderem weißrussischer Botschafter in den USA. Dort begann er sich für IT-Firmen interessieren und hat Lukaschenko überzeugt, in Weißrussland besonders günstige Bedingungen für die IT-Branche zu schaffen. Es wurde ein „IT-Park“ mit Zepkalo als Direktor gegründet, der sehr erfolgreich wurde. Was kaum jemand weiß ist, dass dort so wichtige IT-Firmen wie Wargaming.net, Maps.me und Viber ansässig waren, bzw. sind.

2017 kam es zum Zerwürfnis zwischen Lukaschenko und Zepkalo, Zepkalo verlor seinen Posten als Direktor des IT-Parks. Es gab allerlei Gerüchte über Unregelmäßigkeiten in seiner Arbeit, es ging um Geldflüsse und Fragen der Steuer. Bewiesen ist nichts, es steht Aussage gegen Aussage. Zunächst soll Lukaschenko ihn gedeckt haben, dann kam es aber zum Zerwürfnis und Lukaschenko hat ihn gefeuert.

Zapkalo wollte bei der Wahl 2020 gegen Lukaschenko antreten, aber die Wahlkommission lehnte seine Kandidatur ab, angeblich hatte er nicht genug Unterschriften gesammelt. Gerüchte über die früheren Skandale taten ihr übriges und er verließ Ende Juli das Land. Dabei ging er über die offene Grenze zwischen Weißrussland und Russland, die genauso wenig kontrolliert wird, wie es bei den Grenzen in der EU vor Corona der Fall war. Er begründete das später damit, dass er in Weißrussland angeblich verhaftet werden sollte und nur über die unkontrollierte Grenze zu Russland unerkannt entkommen konnte.

Seine Kinder hatte ermitgenommen, seine Frau blieb in Weißrussland und schloß sich Tichanowskaja an.

Die Odyssee von Zepkalo

Dass Zepkalo ab Ende Juli in Moskau war, dürfte zu Lukaschenkos Misstrauen beigetragen haben. Er hat seinerzeit immer wieder vor einer „Maidanisierung“ Weißrusslands nach der Wahl gewarnt und sowohl den Westen, als auch Russland beschuldigt, Unruhen zu organisieren und ihn stürzen zu wollen. Ende Juli hat er in Minsk 32 Russen verhaften lassen, denen er vorwarf, in Weißrussland Unruhen organisieren zu wollen.

Inzwischen hat Lukaschenko bemerkt, dass Russland keinerlei solche Absichten hat oder hatte und er hat die Russen freigelassen. Es gibt Gerüchte, dass die Russen unter einem Vorwand nach Weißrussland gelockt wurden und dass Lukaschenkos Geheimdienst auf eine Falle westlicher oder des ukrainischen Geheimdienstes hereingefallen ist. Darauf deutet in der Tat einiges hin, aber es trotzdem spekulativ.

Am 2. August – also nach der Verhaftung der Russen in Minsk – ist Zepkalo von Moskau nach Kiew gereist. Was er dort getan hat, außer einige Interviews zu geben, ist nicht bekannt. Am 16. August reiste er weiter nach Warschau.

Warschau ist ein Dreh- und Angelpunkt der westlichen Bemühungen, Lukaschenko zu stürzen. Die polnische Regierung vertritt – zusammen mit Litauen, wo sich Tichanowskaja inzwischen in einer vom litauischen Staat bezahlten Wohnung aufhält – in er EU die härteste Linie gegenüber Lukaschenko. Außerdem ist Warschau auch der Sitz sozialer Netzwerke, die die Proteste in Weißrussland koordinieren. Lukaschenko sprach am Freitag davon, in der Nähe von Warschau sei ein „Zentrum“, in dem der Umsturzversuch koordiniert werde:

„Sie planen all dies und anführen tun das die USA, und die Europäer spielen mit. Es wird gesagt, was die tun sollen und sie tun es. Ein spezielles Zentrum wurde in der Nähe von Warschau eingerichtet. Wir kontrollieren die Lage, wir wissen, was es tut.“

Zepkalos Gespräche in Warschau

In Warschau ist Zepkalo sehr aktiv geworden. Schon auf dem Flughafen in Kiew hat er bei seinem Abflug in einem Interview dazu aufgerufen, der Westen solle Tichanowskaja als Präsidentin anerkennen. In Warschau angekommen, hat er sich mit dem polnischen Außenminister getroffen und die Einrichtung einer „polnisch-amerikanischen Foundation“ zur finanziellen Unterstützung der Opposition in Weißrussland besprochen. Der Fond solle demnach den streikenden weißrussischen Arbeitern den Lohnausfall kompensieren. Danach wurde er auch noch vom Parlamentspräsidenten Polens empfangen, wo die Nichtanerkennung der Wahl, die Anerkennung Tichanowskajas als Präsidentin und „finanzielle Hilfe für die weißrussische Zivilgesellschaft“ besprochen wurden.

Zepkalo tut alles, damit der Westen Tichanowskaja als Präsidentin anerkennt. Und das, obwohl sie selber gar nicht Präsidentin sein möchte und auch ihr Mann seine Ambitionen zurückgezogen hat. Da darf man dreimal raten, wer dann bei den Neuwahlen, die Tichanowskaja organisieren will, als Präsidentschaftskanditat antritt, den sie unterstützen wird. Zur Erinnerung: Die Frau von Zepkalo spielt eine zentrale Rolle in Tichanowskajas Stab.

In einem Interview hat Zepkalo ausdrücklich ein „venezolanisches Szenario für Weißrussland“ gefordert, also die Anerkennung einer vom Westen unterstützten Übergangspräsidenten Tichanowskaja, ganz so, wie der Westen in Venezuela den Putschisten Guaido anerkennt:

„Die Situation in Venezuela, wo es zwei Regierungen gibt, wird sich wahrscheinlich anders entwickeln, als in Weißrussland. Aber ein solcher Präzedenzfall ist geschaffen worden, und im Prinzip ist es möglich, dies zu tun.“

Es ist ziemlich offensichtlich, dass Tichanowskaja nur eine vorgeschobene Kandidatin ist, die nach einem möglichen Sturz Lukaschenkos schnell wieder von der Bildfläche verschwindet und voraussichtlich Zepkalo das Feld überlassen wird.

Die Rolle der Nationalisten

Im Gegensatz zur Ukraine gibt es keine mächtige, nationalistische Bewegung in Weißrussland. Weißrussland wird überwiegend Russisch gesprochen, die Verbindungen zwischen Weißrussen und Russen sind sehr eng, zwischen den Staaten herrscht ein komplett freier Waren- und Personenverkehr, eine anti-russische Stimmung zu erzeugen, ist – auch aufgrund unzähliger grenzüberschreitender Familien – schwierig.

Aber es wird versucht. Die Nationalisten haben ein Programm veröffentlicht, das auch Tichanowskaja eine Zeit lang auf ihrer Seite verlinkt, dann aber gelöscht hat. Auch das Programm selbst wurde wieder gelöscht, als es begann, in russischsprachigen Medien für Schlagzeilen zu sorgen. Den Organisatoren ist es offensichtlich noch zu früh, diese Dinge öffentlich zu fordern. Das könnte dafür sorgen, dass die Stimmung in Weißrussland zu Gunsten von Lukaschenko umschlägt, wenn Tichanowskaja und ihr Team mit dem Programm in Verbindung gebracht werden.

Aber bemerkenswert ist eben, dass Tichanowskaja und damit auch Zepkalo anscheinend damit sympathisieren, wie sonst hätte es bei Tichanowskaja verlinkt werden können?

Ich werde das Programm der Nationalisten, das von vielen russischsprachigen Medien veröffentlicht wurde, gleich zitieren. Aber wer es liest, der kommt nicht umhin, eindeutige Parallelen zur Ukraine nach dem Maidan 2014 zu sehen.

Für 2021 planen die Nationalisten für die Zeit nach dem Sturz von Lukaschenko:

  1. Austritt aus dem Unionsstaat (mit Russland), der Eurasischen Union, der Zollunion (mit Russland) und anderen von Russland dominierten Integrationsvereinbarungen;
  2. Verbot pro-russischer Organisationen, deren Aktivitäten den nationalen Interessen zuwiderlaufen, sowie russischer Fonds und Organisationen, die solche Strukturen finanzieren;
  3. Einführung eines Straftatbestandes für öffentliche Erklärungen, die die Existenz einer eigenen weißrussischen Nation und/oder ihr historisches Recht auf einen eigenen Staat in Frage stellen. Einführung eines Straftatbestandes für öffentliche Beleidigungen der weißrussischen Sprache;
  4. Überwachung von pro-Kreml-Initiativen in Weißrussland durch zivil-gesellschaftliche Kräfte;
  5. Durchführung von Grenz- und Zollkontrollen an der Grenze zu Russland.

Im Bereich Medien wird gefordert:

  1. Das Verbot der Ausstrahlung von journalistischen, gesellschaftspolitischen und Nachrichtensendungen russischer Fernsehsender in Weißrussland;
  2. Die obligatirische Einspeisung von TV-Sendern Lettlands, Litauens, Polens und der Ukraine in das weißrussische Kabelnetz.

Auch ein Bruch im Bereich der militärischen Zusammenarbeit mit Russland wird gefordert:

  1. Rückzug aus dem OVKS, die Wiedereinführung der vollständigen Kontrolle seiner Luft- und Raketenabwehrsysteme durch Weißrussland; (Anm. d. Übers.: Das OVKS ist ein lockeres Militärbündnis von Russland mit einer Reihe von Staaten der ehemaligen Sowjetunion)
  2. Abzug russischer Militäreinrichtungen vom Hoheitsgebiet der Republik;
  3. Stärkung der patriotischen Erziehung in der weißrussischen Armee;
  4. Übersetzung der pädagogischen Arbeit in der Armee in die weißrussische Sprache;
  5. Ausbau der Grenzinfrastruktur an der Grenze zu den EU-Ländern mit dem Ziel einer Erhöhung der Kapazität der Grenzübergänge.

Und schließlich, um wirklich alle Verbindungen mit Russland abzubrechen, wird noch gefordert:

  1. Die Schaffung eines kompletten Bildungssystems in der weißrussischen Sprache vom Kindergärten bis zu den Universitäten;
  2. Die Wiederherstellung der weißrussischen Autokephalie-Orthodoxen Kirche als nationale Alternative zum weißrussischen Exarchath der Russisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats; (Anm. d. Übers.: Genau das hat Poroschenko auch in der Ukraine getan, mit dem Ergebnis, dass die versprochene „unabhängige“ ukrainische Kirche nun dem Patriarchen von Konstantinopel unterstellt ist. Kirchenrechtlich ist der zwar der Führer der orthodoxen Kirchen, aber seit Konstantinopel im 15. Jahrhundert vom Osmanischen Reich erobert wurde und heute Istanbul heißt, herrscht der dortige Patriarch nur noch über die kleine Minderheit der orthodoxen Gläubigen in der Türkei. Über den Machtzuwachs hat der sich sehr gefreut und bei der darauf folgenden der Neuverteilung von Kircheneigentum in der Ukraine gab und gibt es eine ganz Reihe von Skandalen)
  3. Weißrussland erfüllt alle Kriterien für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union und der NATO und stellt entsprechende Anträge auf Mitgliedschaft in diesen Strukturen.

Geopolitik

Natürlich sind die Nationalisten in Weißrussland eine kleine Minderheit. Aber das waren sie in der Ukraine vor dem Maidan auch. Die Tatsache, dass es bei der weißrussischen Opposition bestehend aus der Marionette Tichanowskaja und der vermutlichen grauen Eminenz Zepkalo Sympathien für diese Forderungen der Nationalisten gibt, sollte zu denken geben. Und die Unterstützung des Westens für diese Kräfte lässt direkte Erinnerungen an die Ukraine wach werden, wo es Ende 2013 auf dem Maidan genauso harmlos begann, wie derzeit in Minsk. Und wo steht die Ukraine heute? Wo stand sie kein halbes Jahr später?

Lukaschenko und auch russische Analysten sehen in den Vorgängen in Minsk denn auch nichts anderes, als den Versuch des Westens, Russland weiter von seinen Nachbarn zu trennen, so wie es mit der Ukraine und Georgien bereits getan wurde. Die enge Verbindung und offene Unterstützung des Westens für diese Opposition bestätigt die Warnungen Lukaschenkos und der russischen Analysten und der Rückblick auf den Maidan und den seinerzeit in Georgien genauso ins Amt gekommenen Saakaschwili lassen nichts Gutes erwarten.

In beiden Fällen gab es danach Krieg.

Man muss also Lukaschenko nicht mögen und seine Zeit im Amt dürfte inzwischen begrenzt sein, aber selbst ein Lukaschenko wäre für Europa und erst recht für die Weißrussen das kleine Übel, wenn als Alternative ein Szenario wie in der Ukraine und Georgien im Raum steht, inklusive eines neuen Krieges.

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

13 Antworten

  1. Ich hatte das auch gelesen und dabei sofort an die Ukraine gedacht.

    Ist nicht grad ein Manöver Po/Lit im Gange? Darauf hat man doch reagiert.
    Ukraine hat Grenzübergang geschlossen und verlangt jetzt Pässe. Über den Grenzregionen kreisen Aufklärer.
    Es gibt zahlreiche Websperrungen.
    Viper investiert nichts mehr usw.
    Ich kann nicht wirklich glauben das der Frust so groß ist das die Menschen alles wegwerfen und lieber wie in der Ukraine leben wollen.

    Der von dir benannte „Kandidat“ war nebst Gattin in Warschau beim alten Außenminister, der Neue wird uns in der EU noch viel Freude bereiten.

    https://www.queer.de/schlagwort.php?schlagwort=Polen

    Mal sehen wie biegsam die EU wird um nicht auseinander zu fliegen jetzt wo die Schuldenunion perfekt ist.

    Ich wünsche dem weissrussischen Volk mehr Weitsicht als es die Ukrainer hatten. Sie haben vieles auf das sie stolz sein können.

  2. Es ist doch geradezu absurd. Innerhalb der EU wird propagiert die Machtbefugnisse der Nationalstaaten einzuschränken und die „Europäischen Werte“, den gemeinsamen europäischen Rechtsrahmen, über den der einzelnen Nationen zu stülpen. Im Falle der Ukraine und nun wohl auch Belarus hat man allerdings keine Probleme den nationalistischen Bodensatz zu bedienen und den Strohmann „unterdrückte Ex-Sowjetrebulik wehrt sich gegen Russland“ abzufackeln. Ich kenne die Verhältnisse in Belarus nicht. Ich weiss nicht wie fähig oder unfähig Lukaschenko als Präsident war. Vielleicht gibt es ja auch Gründe ihn als Präsidenten abzulehnen. Allerdings sind die einzigen die das tun könnten die weissrussischen Wähler. Die EU mischt sich mal wieder ohne Auftrag und Mandat in die Angelegenheiten souveräner Staaten ein. Es bleibt zu hoffen, dass diese Grossmannssucht alsbald vergeht. Es deucht mir; das Geld könnte ausgehen.

    1. Wir haben es oft genug verkündigt und wir wiederholen es immer wieder:
      Unter der an sich durchaus achtenswerten Idee eines „friedlichen und vereinten Europas“, wobei gleichzeitig und oft demagogisch die Geschichte der beiden Weltkriege als die drohende Alternative bemüht wird, verschleiert man, daß dieses „Europa“ in erster Linie, jedenfalls seit Maastricht ein Imperiales Projekt ist.

      Im Grunde ist diese „europäische Einigung“ eine „Reichseinigung al la Bismarck“, d.h., eine Einigung „von oben“.

      Daran ändert der Umstand, daß das unter Beteiligung nationalen Parlamente und zu einem großen Teil auch mittels „Volksabstimmungen“ bewerkstelligt wurde, grundsätzlich nichts (dazu weiter unten).

      1.
      Zunächst zu einem maßgebliche Unterschied:
      Der Reichseinigung von 1870 ging die Revolution von 1848 voraus, und diese war ganz entscheidend von dem „Einigungsgedanken“ geprägt, scheiterte letztlich an den doch noch recht stabilen z:T., „absolutistischen“ Herrschaftsverhältnissen. Stabil waren die vor allem deshalb, weil es den Leuten noch vergleichsweise gut ging.

      a)
      Die entscheidenden Grundlagen für Marx waren damals „englische Verhältnisse“ , die wir heute noch unter dem Begriff „Manchesterkapitalismus“ kennen (oder kennen sollten), und er soll damals sinngemäß einmal geäußert haben, man möge nicht darauf vertrauen, daß es hier (in den deutschen Landen) noch nicht so schlimm aussehe.

      Eine Folge war u.a. die Sozialgesetzgebung, die, wie ich auch erst jüngst erfuhr, entgegen landläufiger Meinung nicht auf Bismarck zurückgeht, sondern auf „Träger“ einer damals wohl noch recht einflußreichen Christlichen Soziallehre, die gerade in der CDU (West) Ende der 40iger, Anfang der 50iger Jahre mit durchaus „sozialistischen“ Ideen von sich Reden machte – ein Norbert Blüm war da wohl der letzte Mohikaner. (Bismarck meinte dazu, man habe ihm das untergejubelt.)

      b)
      Es ist müßig, die historischen Ursachen bzw. Entwicklungen im einzelnen auseinander zu nehmen, die zu diesem weit verbreiteten „Einigungsgedanken“ geführt haben – eine nicht zu unterschätzende Rolle dürfte da die im Wesentlichen „gemeinsame Sprache“ gespielt haben, und das die „Sprache“ unser „Denken“, nicht zuletzt auch das allgemeine „Rechtsdenken“ prägt, sollte man zumindest wissen, auch wenn die Tragweite dieses Umstandes wohl weitgehend unterschätzt wird.

      c)
      Einen solche historisch verwurzelte „Europäische Einigungsidee“ gab es nie, und auch wenn man sie offiziell herbeizureden sucht – die gibt es bis heute nicht.
      Das erkennt man z.B.ohne weiters auch und gerade an „offiziellem (besonders deutschen) Verhalten“, den verbreiteten „Meinungen“ (z.B. in der Bild), in der Krise – siehe z.B. Griechenland, siehe Italien – von den Befindlichkeiten des gemeinen Volkes gar nicht zu reden.

      2.
      a)
      Zur Beteiligung der nationalen Parlamente verweisen wir einfach auf den Beitrag des Autors und die von ihm thematisierte Rede von Fr. Dr. Merkel aus dem Jahre 2010
      https://anti-spiegel.com/2020/das-demokratieverstaendnis-einer-gewissen-frau-merkel/

      und gegebenen falls das, womit womit wir hier
      https://anti-spiegel.com/2020/demokratie-und-corona-tacheles-38-ist-online/#comment-9751
      dem Autor auf die Füße getreten sind, wobei es da vor allem um eine u.E. inhaltlich wesentliche Verständnisfrage ging.

      So funktioniert Herrschaft, und mit diesem „Phänomen“ muß man sich befassen, weil es letztendlich das „Spiegelbild“ dieser „nichtbiologisch determinierten Arbeitsteilung“ ist, welche unsere „Aktivitäten“ prägt.
      Dazu muß man sich allerdings von einigen wolkenkuckucksheimigen Volksherrschaftsimaginationen verabschieden.

      b)
      Aber noch einige Anmerkungen zu diesen Volksabstimmungen.
      Wir kennen da nicht alle.
      Aber für diejenigen, die wir kennen, gilt: Das Abstimmungsergebnis bewegte sich immer um die 50%. (Eine Ausnahmen sei da erwähnt, da hat man nach einer Ablehnung mit knapp über 50% solange „herum gedoktort“, bis dann 60% Zustimmung heraus kamen.)

      Nun wissen wir auch nicht, wie die Abstimmungsbeteiligung aussah, und die ist auch entscheidend, vor allem kann man da den Verweigerern nicht einfach ein Einverständnis unterstellen, das ist schon juristisch Blödsinn.

      Aber viel wichtiger ist:
      Wenn es um einen „Einzelfall“ geht, kann man mit einer knapp über 50% liegenden Mehrheit durchaus zurecht Kommen, i.S. v. „ihn durch eine Mehrheitsentscheidung legitimiert“ ansehen.
      Wenn aber ein ganzer historischer Prozeß wieder und wieder mit nur mittels solchen Mehrheiten zu stand kommt, muß man sich doch die Frage stellen, mit welchem Recht da eigentlich knapp 50% der Leute übergangen werden.

      1. Vielleicht noch zwei wichtige Ergänzungen:
        Der Austritt der Briten ist die Konsequenz aus dem vorerklärten Elend.
        Und dieses Elend besteht darin, daß der gesamte europäische Einigungsprozeß nicht auf stabile Mehrheiten beruht.

        Wenn man die Zustimmungsseite bewertet, darf man keinesfalls die „Meinungsherrschaft“ der eigentlichen „Einigungsakteure“ unberücksichtigt lassen.

  3. Mir geistert diesbezüglich eine rechtliche Frage durch den Kopf.

    Wie wird ein Kandidat betrachtet der sich zur Wahl stellt aber gar nicht die Verpflichtungen eines Amtes übernehmen will?

    Scheinwahl?
    Wahlbetrug?

      1. 🙂 Wahlbetrüger werfen anderen Wahlbetrug vor. 🙂

        Und ich dacht ich hätte schon jede Lumperei gelesen oder erlebt.

        Aber ich fand schon bemerkenswert so beim lesen des twitter acc des Außenminister was sich da so abspielen darf.

        https://twitter.com/LinkeviciusL

        „Zu diesem Zeitpunkt muss er mit Gewalt entfernt werden. Ques Litauen, Lettland und Polen sind in der Lage, dies mit minimalen Verlusten zu tun. Erlauben Sie der Ukraine, auch ihre besetzten Gebiete zurückzugewinnen, falls Russland eingreifen sollte. Die Russen werden dann zweimal überlegen. Nicht alle belarussischen Armeen sind Lukosenko treu ergeben.“

        Aber am besten ist das hier

        https://twitter.com/LinkeviciusL/status/1294495948446498816

        „Unsere eigenen Wahlen sind nicht frei und fair. Demokraten sabotieren die Menschen so sehr. Wir sollten die Probleme zuerst zu Hause beheben. Erstellen Sie Medicare für alle. Die Fed kann mit Versicherungsunternehmen Verträge abschließen, um Medicaid-Empfänger zu versichern. Investieren Sie in diese Unternehmen. Regulieren Sie Pharma $ = Gewinne.“

        „“Ja wirklich?“ Weil die Zahl der Wahlen in den USA seit langem durch riesige Summen an Privatgeldern, die Schließung von Wahllokalen in armen Gegenden und die Streichung von Namen von den Wählerlisten untergraben wurde. Haben Sie dies Ihren US-Kollegen bereits kommentiert?“

        oder

        „Herr @JosepBorrellF hat keine moralische Autorität, um über unverhältnismäßige und inakzeptable staatliche Gewalt gegen friedliche Demonstranten zu sprechen, da er die Anwendung unverhältnismäßiger und übermäßiger Gewalt durch spanische Behörden gegen die katalanischen Wähler und Demonstranten im Jahr 2017 unterstützte.“

        Helferlein in Minsk

        https://twitter.com/franakviacorka/status/1297310003838291968

        Der springt oft auf Meldungen auf und bei den #xxx gehts u.a. nach Fernost und alt Bekannte

        „„Jeden Tag werden 10 oder 30 tote Bereitschaftspolizisten in den Nachrichten sein. Informationen zu diesen Hündinnen sind bereits vorhanden. Wir werden ihre Familien schlachten “… Telefongespräch des belarussischen Aktivisten Vladislav Koretsky.“

        https://twitter.com/olik_turk/status/1296736143640338433

        Kann hier jemand Klarheit bringen? Stimmt das inhaltlich was übersetzt wurde?

        https://twitter.com/bismark_tv

        Also echt Bismark als Steigbügel wer hätte das gedacht.

        https://twitter.com/charter_97

        https://belarus.liveuamap.com/en/2020/23-august-thousands-of-protesters-are-marching-dzerzhinskogo

        1. https://en.news-front.info/2020/08/21/companion-of-ex-presidential-candidate-babariko-dreams-of-killing-riot-police/

          „Jeden Tag werden 10 oder 30 tote Bereitschaftspolizisten in den Nachrichten sein. Informationen zu diesen Hündinnen sind bereits vorhanden. Wir werden ihre Familien schlachten “… Telefongespräch des belarussischen Aktivisten Vladislav Koretsky.“

          https://twitter.com/olik_turk/status/1296736143640338433

          Kann hier jemand Klarheit bringen? Stimmt das inhaltlich was übersetzt wurde?

          Mir geht es nicht darum einzelne User anzugreifen weil sie ihre Sicht der Dinge verbreiten sondern darum zu zeigen welche moralische ethische Lücken offensichtlich für den „guten Zweck“ hingenommen werden. Für mich ein klares no go .

          Man redet hier über Landsleute, Familienangehörige von Polizisten die für Dienstvergehen rein gar nichts können.

          Das ist Lynchjustiz zu dem hier aufgerufen wird.

          Wenn das die Vorstellungen der Opposition ist stimmt es sehr nachdenklich und zeigt erschreckende Parallelen zu anderen Farbrevolutionen auf.

          Dann sollten die weltweiten Unterstützer aber schon erfahren wen oder was sie da unterstützen. Welchen Menschen sie hinterherrennen.
          Wenn die EU solche Menschen dann öffentlich unterstütz von welchen Werten redet sie denn da?

          In meinem Namen redet sie dann nicht! Das verbitte ich mir!

  4. Leider haben sie auch in Belarus, einen kräftigen Ethnisch und Religions-Hebel, denn die Gebiete, die Die UdSSR, nach dem II Weltkrieg, von den Polaken ZURÜCK bekommen haben, sind Katholisch verseucht worden und der Erzbischof von Belarus, war einer der Allerersten und so wie immer, die Katholische Kirche, bei den Umstürzen immer ganz vorne dabei. Wer auch führend am Staatsstrech beteiligt ist, der Ober Rabbi von Belarus.
    Kam heute Morgen ausführlich, in einer Religions-Sendung bei WDR 5

  5. Mal Medienkritik, damit die fundierte Medienkritik des Anti-Spiegel noch einen Tick besser wird, wie sie- die Kritik- eh schon ist ….

    Zitate
    1.) (..) sagte der Chefredakteur von RT-Deutsch, die Opposition hätte auch „eine Pappscheibe“ aufstellen können und damit „aus dem Stand zweistelliges Ergebnis“ erreicht, so groß sei in Weißrussland die „allgemeine Lukaschenko-Müdigkeit.“(..)
    Autor Anti-Spiegel: (..) Ich würde es einschränken und sagen „so groß ist in Teilen der weißrussischen Bevölkerung die allgemeine Lukaschenko-Müdigkeit.“ Aber das sind Kleinigkeiten, in der Sache hat er in meinen Augen recht.(..)

    Ich denke, der GUTE von RT , sowie auch der Autor des Anti-Spiegel-Artikels sind schon dermaßen im eigenem Denken verfangen, dass man einfach das Wahlergebnis ausser acht läßt. Klar, ein zweistelliges Ergebnis (ab 10 % also ) zu bekommen mit einer Pappfigur, besagt aber nichts über die Müdigkeit eines Volkes im Hinblick auf den Präsidenten.

    Es suggeriert gar eine „Volksverarsche “ seitens des Präsidenten von Belarus Lukaschenko, er hätte die Wahlen manipuliert…Und es suggeriert, dass die Staatsduma – Bundesversammlung der russischen Föderation irgendwelchen Mist erzählen, den man nicht beachten müsste, wenn man RT und den Anti-Spiegel liest ….

    …. in Verbindung :
    Anti-Spiegel vom 19.August 2020 ( Das berichten die Medien nicht: OSZE hat Einladung zur Beobachtung der Wahlen in Weißrussland abgelehnt)
    Autor(..)Auch ich habe Zweifel an dem Wahlergebnis, aber es gibt keine Beweise für eine Fälschung. Hätte die OSZE die Einladung Weißrusslands angenommen und die Wahl beobachtet, dann hätte man heute die Berichte der OSZE zur Einschätzung der Wahl. Das aber wurde durch die Ablehnung der OSZE verhindert.(..)

    Stellt sich die Frage an den Anti-Spiegel, warum eigene Mutmaßungen vom 19.August durch Aussagen eines Chefredakteurs vom 21.August am 23.August manifestiert werden sollen, wenn man doch zwischenzeitlich die Erklärung des Rates der Parlamentarischen Versammlung der Union von Belarus und Russland zu den Ergebnissen der Wahlen zum Präsidenten der Republik Belarus am 9. August 2020 , hier wieder vom 21.08.2020 sicher auch vorliegen hat ?

    http://duma.gov.ru/news/49352/ unter dem Vorsitz von Volodin Viacheslav Viktorovich

    (Vorsitzender der Staatsduma der Bundesversammlung der Russischen Föderation der siebten Versammlung. Gewählt als Mitglied der Bundesliste der Kandidaten, die von der Allrussischen politischen Partei „VEREINIGTES RUSSLAND“ nominiert wurden)

    1. Im übrigen können die Sabbelköppe solange sabbeln, bis ihnen die Brühe aus dem Schnabel trieft… Da können die Zepkalo’s und wie alle sie heißen, da kann der OberMaidanIst Steinbeißer so oft ins Mikrophon hüsteln aus dem deutschen Präsidentenpalast, da können die Polen so lange auf die Strasse spucken wie sie wollen…. hilft alles nix.

      Momentan bekommen sie das alle, was ihnen am meißten stört an Weißrussland, nämlich der fast perfekte Sozialismus nicht gekippt. Schaun wir mal, ob der oberste Weißrusse nun soviel gelernt hat, dass er die Union zum Tragen bringt… wie Putin auch die Verfassung an die Welt-Rahmenbedingungen anpasst, sich sehr klug in die Föderation einbindet, mit all den Möglichkeiten einer autonom agierenden Republik, damit der Welt ein für allemal klar ist, dass sie die Finger von Weißrussland zu lassen haben, wie nach der neuen Verfassung Russland, sich insbesondere die Ukraine die KRIM abschminken kann…

  6. Die Gestaltungsmöglichkeiten bei Wahlen können schon sehr Vielschichtig sein.
    „Verlesen“, „verzählt“, „mit Rechnen hat es nicht Jeder“, „verkehrter Stapel“ usw.

    Auch wenn es verlockend ist lieber abwarten oder „Meinung“ sehr gut kennzeichnen, schützt vor Fehler.

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