Putin im O-Ton

Die Politik des Westens steht „in der besten Tradition des klassischen Kolonialismus“

In St. Petersburg wurde das parlamentarische Forum der BRICS-Staaten eröffnet und der russische Präsident Putin hat in der Eröffnungsrede die Ziele der BRICS umrissen und die Politik des Westens in deutlichen Worten kritisiert.

In St. Petersburg findet im Zuge des russischen Vorsitzes der BRICS das alljährliche parlamentarische Forum der BRICS-Staaten statt, das der russische Präsident Putin eröffnet hat. In seiner Rede hat der die Ziele der BRICS umrissen, die für den globalen Süden so attraktiv sind, dass die Schlange der Beitrittskandidaten zu den BRICS in die Dutzende geht und ständig weiter wächst. Dabei hat er auch nicht mit Kritik an der Politik des Westens gespart. Um nichts aus dem Zusammenhang zu reißen, habe ich die kurze Rede Putins komplett übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Verehrte Valentina Iwanowna, verehrter Wjatscheslaw Viktorowitsch, liebe Freunde, liebe Gäste! Ich freue mich, alle Teilnehmer und Organisatoren des zehnten Parlamentarierforums der BRICS begrüßen zu dürfen.

Unser Ehrengast, die Vorsitzende der Interparlamentarischen Union, Frau Tulia Exon, ist ebenfalls hier in diesem Saal. Sehr geehrte Frau Exon, wir sehen Ihre Teilnahme am Forum als ein Zeichen der Unterstützung für die kreative Partnerschaft von Vertretern der gesetzgebenden Organe der Länder des globalen Südens und des Ostens, ja aller Länder, die an einer konstruktiven Zusammenarbeit interessiert sind, sowie für ihre Initiativen zu aktuellen Themen der internationalen Agenda.

Das Thema dieses Forums „Die Rolle der Parlamente bei der Stärkung des Multilateralismus für eine gerechte globale Entwicklung und Sicherheit“ ist äußerst wichtig. Es spricht für sich selbst und verdeutlicht den Charakter der globalen, grundlegenden Veränderungen, die sich heute auf unserem Planeten vollziehen.

Und Ihre offenen Diskussionen, die direkten Gespräche der Volksvertreter untereinander, stehen ganz im Einklang mit der Philosophie und den Grundsätzen der Weltanschauung unserer Organisation. Das sind Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen, Vertrauen in die Demokratie in den internationalen Beziehungen, Achtung der Souveränität und das Recht auf die selbstbestimmte Entwicklung eines jeden. Diese Prinzipien der BRICS sind allen Teilnehmern unserer Vereinigung, die schnell wächst und eine qualitativ neue Ebene des Einflusses auf die Dynamik der Ereignisse in der Welt erreicht, nahe und verständlich.

Ich wiederhole: Der parlamentarische Dialog, auch im Rahmen der BRICS, ist heute wichtiger denn je. Denn als Vertreter der Interessen Ihrer Völker, als Wortführer ihres politischen und nationalen Willens sind Sie sich der wahren Forderungen, Gefühle und Bedürfnisse von Millionen, man kann ohne Übertreibung sagen, Milliarden von Menschen auf unserem Planeten sehr wohl bewusst.

Und ich bin zuversichtlich, dass Sie einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der Fragen der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der BRICS-Länder und zur Verbesserung des Wohlergehens unserer Völker leisten werden. Und natürlich werden Sie Ihr Möglichstes tun, um internationale Spannungen abzubauen und eine gerechtere, demokratische, multipolare und multilaterale Weltordnung zu schaffen.

Wir sind uns sehr wohl bewusst, dass die Schaffung einer Weltordnung, die das tatsächliche Kräftegleichgewicht, die neue geopolitische, wirtschaftliche und demografische Realität widerspiegelt, ein komplexer und leider auch schmerzhafter Prozess ist. Das liegt vor allem daran, dass die Bemühungen der BRICS-Mitglieder und anderer Schwellenländer auf den erbitterten Widerstand der herrschenden Eliten der Staaten der sogenannten goldenen Milliarde stoßen.

Sie versuchen nun entgegen der historischen Logik und oft sogar zum Nachteil der langfristigen Interessen ihrer eigenen Völker, ihre sogenannte auf irgendwelchen Regeln basierende Ordnung, deren Regeln niemand gesehen, über die niemand diskutiert und die niemand je angenommen hat, festzuschreiben. Diese Regeln werden – für jede Situation – im Interesse derer, die sich für außergewöhnlich halten und sich das Recht anmaßen, anderen ihren Willen zu diktieren, jedes Mal neu geschrieben oder angepasst. Das steht in der besten Tradition des klassischen Kolonialismus. Das ist ein klarer Versuch, das legitime Völkerrecht zu ersetzen, ein Versuch, ein Monopol auf die Wahrheit in letzter Instanz zu schaffen, und so ein Monopol ist zerstörerisch.

Der Druck auf alle, die eine eigene Position haben, steigt. Im Widerspruch zu den Grundsätzen des Völkerrechts wird auf gewaltsamen Zwang, einseitige Sanktionen, selektive Anwendung von Handelsregeln und Erpressung gesetzt. Wir sehen auch Versuche, direkte Kontakte zwischen Abgeordneten der Länder einzuschränken, was dem Grundsatz der freien interparlamentarischen Zusammenarbeit und dem souveränen Recht der offiziellen Vertreter jedes Staates, seine nationalen Interessen zu verteidigen, widerspricht. Deshalb ist die Bedeutung und die Forderung nach der gemeinsamen Arbeit der gewählten Volksvertreter an der konstruktiven Agenda unserer Vereinigung jetzt um ein Vielfaches gestiegen.

Ich erinnere daran, dass das wichtigste Ziel des derzeitigen BRICS-Vorsitzes Russlands darin besteht, möglichst günstige Bedingungen für die fortschreitende Entwicklung aller Mitglieder zu schaffen. Ich bin davon überzeugt, dass wir durch gemeinsames, geeintes Handeln in der Lage sein werden, das wirtschaftliche, investitionsbezogene, technologische und menschliche Potenzial unserer Länder maximal auszuschöpfen, den konstruktiven Einfluss der BRICS auf globale Prozesse zu stärken und die Welt, in der wir leben, sicherer und harmonischer zu machen.

In diesem Jahr ist die Zahl der Mitglieder unserer Vereinigung auf zehn gestiegen. Jeder Staat ist anders, hat seine eigene alte Kultur und Tradition und setzt sein eigenes Modell der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklung um. Und Russland unternimmt alle Anstrengungen, um sicherzustellen, dass die neuen Mitglieder der Vereinigung effektiv in alle ihre multidisziplinären Mechanismen integriert werden.

Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, dass die BRICS eines der Schlüsselelemente der entstehenden multipolaren Weltordnung sind, die zunehmend die Interessen und Bestrebungen der Staaten des globalen Südens und des Ostens sowie unserer Anhänger in der ganzen Welt widerspiegeln, deren Zahl sehr groß ist und weiter wächst.

Wir sind bereit, die Zusammenarbeit mit allen Ländern zu verstärken, die Interesse an den Aktivitäten der BRICS bekunden, einen aktiven Dialog im Format BRICS plus/outreach zu führen und an der Einführung der Kategorie „Partnerstaaten“ zu arbeiten.

Eine der Prioritäten der Vereinigung ist es, positive Veränderungen in der Weltwirtschaft zu erreichen. Wir legen großen Wert auf die Erhöhung des Anteils der nationalen Währungen im Handel und bei Investitionen sowie auf die Entwicklung von sicheren und zuverlässigen Finanzinstrumenten und Mechanismen für die gegenseitige Verrechnung. Eine besondere Rolle beim Aufbau vertrauensvoller, solider und langfristiger Beziehungen zwischen Staaten spielt die Aufnahme humanitärer Kontakte.

Ich nutze diese Gelegenheit, um Sie, verehrte Kollegen und Freunde, zum zehnjährigen Jubiläum des Internationalen Kulturforums St. Petersburg einzuladen, das vom 12. bis 14. September stattfinden wird. Das ist ein traditionell informatives und offenes Gespräch über die wichtigsten Themen der weltweiten kulturellen und humanitären Agenda, und St. Petersburg, unsere nördliche Hauptstadt, in der wir uns gerade befinden, wird auch in diesem Jahr wieder Gäste aus den Ländern unserer Vereinigung und allen Staaten, die eine Zusammenarbeit anstreben, willkommen heißen.

Liebe Freunde, meine Damen und Herren! Wir haben den Äquator des russischen BRICS-Vorsitzes überquert. Die kontinuierliche Arbeit in allen Bereichen der Zusammenarbeit läuft: Politik und Sicherheit, Wirtschaft und Finanzen, kulturelle und humanitäre Beziehungen, die ich gerade erwähnt habe. So haben wir beispielsweise einen regelmäßigen Mechanismus für die Zusammenarbeit im Verkehrssektor und in der Nuklearmedizin eingeführt. Die BRICS-Sportspiele waren mit der Teilnahme von Sportlern aus 82 Ländern und 387 gewonnenen Medaillen ein Erfolg.

Wir werden das Arbeitstempo weiter erhöhen. Bis zum BRICS-Gipfel im Oktober haben wir noch viele weitere Veranstaltungen geplant. Ich wiederhole: Offenheit, Gerechtigkeit und Gleichheit sind die Grundsätze, die die BRICS-Länder vereinen. Und die Rolle der parlamentarischen Foren und Konferenzen bei der Förderung dieser Prinzipien in der Weltpolitik ist wirklich immens.

Ja, die BRICS verfügen noch nicht über eine eigene institutionalisierte parlamentarische Struktur, aber ich glaube, dass diese Idee in Zukunft definitiv umgesetzt wird. Ich bin sicher, dass Ihr Forum einen Beitrag dazu leisten wird. Das Wichtigste ist, dass sich diese Treffen bereits als Beispiel für Vertrauen, gegenseitige Unterstützung und freien Dialog erwiesen haben, wodurch die Autorität der Organisation selbst und ihr Einfluss in der Welt gestärkt wurden.

Erlauben Sie mir, Ihnen eine erfolgreiche und fruchtbare Arbeit wünschen. Und natürlich denke ich, dass Sie Zeit haben werden, St. Petersburg zu bewundern – es ist der Stolz Russlands und ein absoluter Schatz der ganzen Menschheit.

Ich wünsche Ihnen alles Gute und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank.

Ende der Übersetzung


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

7 Antworten

  1. Meine Fresse… was für Reden.

    Ich finde die Idee aber gut. Um das westliche System zu überwinden ohne zwangsläufig im 3.Weltkrieg zu landen, ist das Instrument der BRICS, obwohl oder gerade weil es ein loses Bündnis ist, hervorragend geeignet wenigstens die Basis für langfristige Alternativlösungen zu schaffen.

    Hat Putin zwar nicht so gesagt, doch dies ist der erste Schritt.
    Daher Hut ab, da kann unser Kanzler-Minion dann auch reinkotzen wie er will, er dient nur seinem Herren.

  2. Meine Fresse… was für Reden

    Das ist übrigens anerkennend gemeint, doch wer die Rede liest wird es ohnehin wissen.

    Im sogenannten „Westen“ gibt es noch die US-Politiker, die sich gegenseitig die dicken Eier lecken und ihr Volk belügen, es würde wachsen, wenn sie nur genug an sich selber glauben würde (dieses Nazi-Gesellschaftsmodell). Ihre Minions in Europa dürfen keine Nazis sein, sie stammeln sich samt ihrer vielhälsigen Regierungsapparate und schlechten Redenschreiber einen ab. Nur noch dummes Volk, das süchtig am US-Trog hängt.

    Aber ich lasse mich gern eines besseren belehren! Also immer mal her mit solchen Reden von welchem westlichen Politiker auch immer. Bedingung: Ohne Feindbilder oder Schuldzuweisungen! Es zählen aber nur die Reden von führenden Minions oder gute Redenschreiber von Biden.

    Die Opposition kann schließlich viel erzählen.

  3. Der Mann ist ohne Zweifel ein Jahrtausendpräsident.

    Seine Rede ist umfassend und klar. Nicht belehrend und informativ. Zielgerichtet auf diese Merkmale:“Offenheit, Gerechtigkeit und Gleichheit sind die Grundsätze, die die BRICS-Länder vereinen.“

    Ein echter Gegenpol zu der aggressiven Form des transatlantischen Bündnisses und der z.T. sehr fragwürdigen Expansion und deren Geschwindigkeit sowohl der NATO, also auch der EU selbst…

    Es tut gut, soetwas zu lesen von Personen mit Verstand und Anstand für Personen des gleichen Kalibers. Alleine die Existenz dieses Forums ist für mit ein Licht am Ende des Tunnels und gibt mir somit Kraft!

    1. Stimme jedem Satz Ihrer Ausführung zu.

      Hier liegen vier Bücher aus der Feder von Thomas Röper.
      Man darf/sollte ja nicht mehr dafür werben, da Röper ebenfalls Opfer westlicher ‚Attitüden‘ wurde, aber zwei Ausgaben haben es mir besonders angetan:
      „Vladimir Putin: Seht ihr, was ihr angerichtet habt“
      „Inside Corona“.

      (Erstgenanntes gibt in erster Linie die in der Tat epochalen Reden auf unterschiedlichen Veranstaltungen Putins‘ wieder).

      Dem letzten Satz Ihres Kommentars muss ich allerdings – aus sehr persönlicher Sicht – einschränkend anfügen, dass das Licht am Ende des Tunnels ein zunehmend kleines ist:
      Der Werte-Westen schlägt via seiner ‚Institutionen‘ mit aller Härte zu.

      Doch dies sei lediglich am Rande bemerkt …

  4. es ist der Stolz Russlands und ein absoluter Schatz der ganzen Menschheit.

    In kulturellen Stätten, die Adolfs Leute betreten haben, wie Rom, Leningrad und Paris ist im Gegensatz zu den unser aller Innenstädten alles heil geblieben, sogar Rouen in Frankreich haben die Inselaffen im Zentrum zerstört.

    Und um es zu bekräftigen: Ich kenne keine schönere Stadt als St. Petersburg. Alle schwärmten von Paris, aber als ich 1990 dorthin konnte, war ich enttäuscht. Mir fehlte das Grün.

    1. An Paris, London und zahlreichen weiteren Metropolen des Westens ist der Zerfall der Zivilisation erkennbar. Alte Architektur wird entkernt und einer modernen Funktion zugeführt, sofern sie ihr nicht ganz weichen musste. Keine „Sehenswürdigkeit“ wurde für ihren Selbstzweck erhalten. Und genauso ergeht es den Menschen.

  5. Ich hoffe, die BRICS entwickeln sich zu einem wirklichen Gegenpol zu dem westlichen System des Neokolonialismus. Denn die Probleme der Jetztzeit sind zu groß, als dass sie durch Konfrontation noch weiter gesteigert werden sollten. Wenn die BRICS ökonomisch stärker als die westlichen Staaten werden, müssen diese einlenken, denn ansonsten gehen sie unter.

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