Wie die türkischen Kommunalwahlen die Politik der Türkei beeinflussen könnten
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat eingeräumt, dass die von ihm geführte Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung bei den Kommunalwahlen am 31. März nicht die erhofften Ergebnisse erzielt hat. Trotz der Niederlage bezeichnete der Präsident die Wahlen als der Demokratie würdig:
„Neun Monate nach unserem Sieg bei den [Präsidentschafts-]Wahlen im Mai 2023 haben wir bei den Kommunalwahlen leider nicht das gewünschte und erhoffte Ergebnis erzielt […] Wir werden die Entscheidung unseres Volkes nicht ignorieren, wir werden nicht gegen seinen Willen handeln und ihn in Frage stellen“
Bei den Kommunalwahlen werden die Bürgermeister der bevölkerungsreichen und wirtschaftlich entwickelten Großstädte gewählt, von denen es in der Türkei 30 gibt. Die Niederlage von Erdoğans Partei kam für die meisten überraschend, doch sie ist Ausdruck der Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der wirtschaftlichen Lage, die Experten auf die Wirtschaftskrise mit fast 70 Prozent, die Situation der Rentner und die wachsende Zahl von Flüchtlingen im Land zurückführen. Obwohl bei Kommunalwahlen Bürgermeister gewählt werden, standen die wirtschaftlichen Themen im Vordergrund, weshalb man klar sagen kann, dass die Wähler Erdogan und seinen Umgang mit der Wirtschaftskrise abgestraft haben.
Ein weiterer Grund für die Niederlage von Erdoğans Partei ist nach Ansicht von Experten die geringe Beliebtheit der Politiker, die bei den Wahlen angetreten sind. Die Oppositionspartei hat sehr beliebte Politiker nominiert – die Bürgermeister von Istanbul, Ankara und andere. Der türkische Politologe Iqbal Dürre berichtete, Erdoğans Partei und seine Koalition stünden vor einem großen Umbruch:
„Das ist ein sehr ernstes Problem für Erdoğan, weil er zum ersten Mal das Gefühl hat, nicht mehr so viel Unterstützung zu haben wie früher. Das könnte Auswirkungen auf seine Koalition mit den Nationalisten haben. Sie hat ihm immer den Sieg garantiert, und jetzt funktioniert diese Allianz nicht mehr. Das birgt die Gefahr von Unruhen in der Koalition und in Erdoğans Partei. Es gibt eine sehr wichtige Seite für Russland, denn es gab das Projekt eines zweiten Bosporus, das nicht mehr realisiert werden kann. Das ist für Russland im Hinblick auf seine geopolitischen Interessen von Vorteil“
Vorgezogene Präsidentschaftswahlen?
Nach der Niederlage Erdoğans sprachen viele von vorgezogenen Präsidentschaftswahlen. Analysten und Experten sind jedoch der Meinung, dass dies nicht geplant ist und dass der türkische Präsident alle Chancen auf eine politische Revanche hat. So auch der Gründer der Akademie für Internationale Politik, Ozan Omercı, seiner Meinung nach hat Erdoğan eine harte Lektion gelernt, aber er wird es nicht dabei belassen:
„Die Menschen haben Erdoğan bei den Wahlen eine harte Lektion erteilt, aber man kann nicht sagen, dass alles vorbei ist. Erdoğan ist immer noch stark. Es gibt jetzt Rufe nach vorgezogenen [Parlaments- und Präsidentschafts-] Wahlen, aber es wird keine geben, weil Wirtschaft und Sicherheit auf der Tagesordnung stehen. Außerdem ist Erdoğan erst letztes Jahr wiedergewählt worden und wird sich nicht auf vorgezogene Wahlen einlassen. Die Opposition hat nicht genügend gesellschaftliche Ressourcen und Medien, um das Thema voranzutreiben. Und die Opposition ist mit der aktuellen Situation zufrieden“
Erdogan hat keinen Grund, ein Jahr nach seiner Wiederwahl vorgezogene Präsidentschaftswahlen auszurufen, aber er wird sicher etwas an seiner Politik ändern müssen und die Frage ist, wo er dabei ansetzen wird. Da bis zu den nächsten regulären Parlaments- und Präsidentschaftswahlen noch Jahre Zeit ist, kann es Erdogan vielleicht gelingen, die Stimmung bis dahin wieder zu seinen Gunsten zu wenden.
Die Zukunft der Beziehungen mit Moskau
Der türkische Politologe Kerim Has ist der Ansicht, dass die Niederlage von Erdoğans Partei zu einer Schwächung und zu radikalen Veränderungen in der Innen- und Außenpolitik führen wird – Ankara wird abhängiger vom Westen und die Beziehungen zu Russland könnten sich abkühlen:
„Dies ist die erste Wahl, die ein türkischer Staatschef in seiner politischen Laufbahn verloren hat. Alle großen Städte sind in den Händen der Opposition, die vorgezogene Präsidentschaftswahlen fordern wird. Das wird zu einem erbitterten politischen Kampf führen. Erdoğans Macht ist geschwächt, was sich in der Außenpolitik widerspiegeln wird, der Kurs des Landes wird prowestlicher. Die Abhängigkeit des Präsidenten vom Westen wird zunehmen. Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Türkei den antirussischen Sanktionen anschließt, aber es könnte zu einer relativen Abkühlung der Beziehungen zu Russland kommen.
Diese Entwicklung begann bereits vor der Wahl: Nach Medienberichten gibt es in der Türkei Schwierigkeiten, Überweisungen aus Russland zu erhalten, da die türkischen Banken die Zahlungen verweigern. Diese Probleme dürften mit der Ausweitung der westlichen Sanktionen und der Befürchtung zusammenhängen, dass die lokalen Banken unter sekundäre Restriktionen fallen könnten.
Allerdings könnte es sich für die Türkei als wirtschaftlicher Bumerang erweisen, wenn türkische Banken den Zahlungsverkehr mit Russland einstellen, weil russische Touristen für die Türkei ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sind. Wenn russische Bankkarten in der Türkei nicht mehr funktionieren sollten, könnte das viele russische Touristen abschrecken.
26 Antworten
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Wozu noch prowestlicher werden, da ist nichts mehr zu holen. In die EU wird die Türkei wohl niemals aufgenommen.
Wie wäre es mal mit einem Wirtschaftsnetzwerk in der Region?
Syrien befrieden, mit Griechenland versöhnen usw.
Dann klappt es auch mit der Wirtschaft.
Auch unsere Befürchtung – es geht Richtung west-chen, und danach ist der Bosporus frei für fremde Heere passierbar, nur nicht für Russland…
CONVENTION CONCERNING THE REGIME OF THE STRAITS.
https://www.cia.gov/readingroom/docs/CIA-RDP08C01297R000500030013-2.pdf
Es gilt der Vertrag von Montreux („Meerengen-Abkommen“, Convention sur le régime des détroits), der von der Türkei einzuhalten ist, egal, wer regiert.
Seit WANN interessiert es das west-chen, speziell die yankee’s – was für „Verträge“ existieren, sind sie doch wahre Weltmeister im Brechen von sowas.
Vertragspartner sind die Kaiser von Indien und Japan, das ZK der UdSSR, etc., aber nicht die USA:
SA MAJESTÉ LE ROI DES BULGARES, LE PRÉSIDENT DE LA RÉPUBLIQUE FRANÇAISE, SA MAJESTÉ LE ROI DE GRANDE-BRETAGNE, D’IRLANDE ET DES TERRITOIRES BRITANNIQUES AU DELÀ DES MERS, EMPEREUR DES INDES, SA MAJESTÉ LE ROI DES HELLÈNES, SA MAJESTÉ L’EMPEREUR DU JAPON, SA MAJESTÉ LE ROI DE ROUMANIE, LE PRÉSIDENT DE LA RÉPUBLIQUE TURQUE, LE COMITÉ CENTRAL EXÉCUTIF DE L’UNION DES RÉPUBLIQUES SOVIÉTIQUES SOCIALISTES, ET SA MAJESTÉ LE ROI DE YOUGOSLAVIE;…
https://mjp.univ-perp.fr/traites/1936montreux.htm
Da die USA den Vertrag nicht unterzeichnet haben, können sie ihn auch nicht brechen. Die Türkische Republik als Wächter des Bosporus hat den Vertrag in nun bald 90 Jahren immer penibel eingehalten, und auch US-Kriegsschiffen die Durchfahrt verweigert, wenn diese regelwidrig gewesen wäre.
Kleine Hausaufgabe – wer hat bis dato die meisten Verträge gebrochen?
Gesetzestext und Realität sind wie immer NICHT vereinbar!
Sobald das yankee im turk-ländle wieder fester sitzt – ade Vertrag!
Die Türkei ist seit 1952 Mitglied der NATO und ist seitdem Standort für US-Basen. Können Sie einen nennenswerten Verstoß gegen den Vertrag von Montreux seitdem anführen? Und es würde keinerlei Sinn machen. Die Türken würden mit Verstößen ihre Position und ihre Autorität verspielen, sinnlos und ohne Not.
Und was sollten die Amis mit ihren Pötten („große, langsame Ziele“) im Schwarzen Meer? 404 hat einen großen Teil seiner Kriegsmarine verloren, teils von den Russen erbeutet, teils selber oder von den Russen versenkt. Die Russen haben auch etliche Schiffe verloren. Die binden eher Kräfte, um auf sie aufzupassen, als daß sie militärischen Nutzen dort hätten.
Der Einsatz der „USS Eisenhower“ nebst Begleitflotte und Alliierter gegen die Huthis ist ein weiteres Beispiel, daß Kriegsschiffe für viele der Aufgaben, die sie früher hatten, völlig untauglich geworden sind.
Merkst du was?
Du willst gar nicht denken oder verstehend lesen – sondern nur deine copy&paste Attacken verteidigen…
Doch Erfahrung und Wissen wirst du damit nie ersetzen können – mach erst mal deine Hausaufgabe – ich will sie benoten… 😝😎
Was ich merke, das ist, daß Sie mit Ihrer Kindersprache („west-chen“, „yankee im turk-ländle“) und Ihren Gedankengängen zutiefst ungebildet und unreif sind.
…und genau deshalb hat mit dir ein Diskurs absolut keinen Sinn – dich interessieren anderer Leute Kommentare, Ansichten und Meinungen abbsolut nicht – du willst absolut nur deinen copy&paste-Müll verbreiten und den Kommentarbereich damit vollmüllen – in der stillen Hoffnung, daß der Betreiber die Nase voll hat und einen der letzten nicht-wert-los-west-lichen Austauschplattformen schließt – WER bezahlt dich dafür?!?
Und für die Zukunft – verschone mich, Kind und werde erst mal erwachsen. 🙄😤
Wenn Sie hier infantilen Unfug verbreiten, behalte ich mir vor, das richtigzustellen. Ein „Diskurs“ mit Ihnen ist weder beabsichtigt noch möglich.
Etwas Sinnvolles zum Thema, weshalb die Türkei den Vertrag von Montreux kippen sollte oder welchen Sinn es für die Amis hätte, ihre Kriegsschiffe ins Schwarze Meer zu schaffen, haben Sie nicht beitragen können. Nichts als Gekeife, und etwas anderes war nicht zu erwarten.
Du sollst nicht falsch Zeugnis ablegen wider deines Nächsten!
Sprich – hör auf zu lügen und geh in die Küche mammmie helfen, da tust du was Sinnvolles… 🍼😂🍼
Ja, genau das meinte ich.
Dann nimm es dir zu Herzen! 😝🤣
Nach Meldungen gibt es auch in verschiedenen GUS-Ländern im Bereich Kaukasus-Zentralasien Probleme mit den MIR-Karten, infolge einer Offensive des Sanktionsdruckes seitens des westlichen Blocks. Das hat mit den türkischen Wahlen nichts zu tun, es sind die Banken, die Sekundärsanktionen vermeiden wollen. Einer dieser „Symbolsiege“, der den Sieg im „totalen Sanktionskrieg“ nicht bringen wird.
So einen Zirkus, wie es den hier gäbe, wenn die großen Städte AfD-Bürgermeister bekämen, macht Erdogan glücklicherweise nicht. Der Richtungsunterschied ist ähnlich groß, wenn auch eher „umgekehrt“. Die Türken legen Wert auf Demokratie und Souveränität, und daß die Türkei sich nun freiwillig ins Joch der EU begeben wird, ist eher nicht zu erwarten.
Etwas zu kurz gefasst : “ russische Touristen für die Türkei ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sind. “
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Es gäbe noch sehr viel mehr Negatives für die Türkei bei ABKÜHLUNG !
Z.B der Traum Europas, ja der Welt Gaszentrum / Öl Zentrum zu werden.
Z.B Die Schwerindustrie die Unmengen an Stahl braucht für Türkeis Träume und sich damit vom Westen abhängig machen ! Wie diese Abhängigkeit ausgenutzt wird hat die Türkei bereits erfahren !
Z.B Getreide…von wem kommt das , von der Ukraine…wie lange noch ?
Z.B Syrien und Kurden….was wenn Russland da Umschwenkt, momentan hält Russland WAS davon ab ??
Davon abgesehen ist die Türkei wenn Sie sich NICHT in Abhängigkeit des Westens USA/EU begeben will mit fast JEDEM Rohstoff von Russland abhängig….SO wie Westeuropa übrigens auch !
Da es eine florierende Industrie im WESTEN OHNE RUSSLANDS ROHSTOFFE nicht geben wird wie wir ja gerade selbst erleben und das betrifft nicht nur Energie !
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Diese JETZT gewählten Stadträte Bürgermeister usw. steigen und fallen mit Arbeitslosigkeit und Hunger.
So wie jede Regierung Weltweit !
So gesehen stimmt : “ russische Touristen für die Türkei ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sind. “ zumindest in den Toristen Zentren sollten sich die NEU gewählten dann warm anziehen.
Du hast da was vergessen – Turkish Stream wäre dann auch Geschichte…
👏richtig…und einiges mehr was wir gar nicht wissen und erfahren dürfen !
Fazit :
Ein Industrie Land das sich Russland zum Feind macht ( innerhalb Europas ) ist am ENDE !
Seine “ Freunde “ die dafür einspringen, werden aufpassen das es NIE wieder stark wird !
Das ist ja nun stark übertrieben. Hin und wieder gab es bereits „Abkühlung“, also ein schwierigeres Verhältnis mit Rußland, ohne daß die Türkei dadurch untergegangen wäre. Die ist heute nach GPD/PPP die Wirtschaftsmacht Nr. 10 der Welt und Nr. 3 in Europa, hinter RU und DE, und hat gute Beziehungen zu vielen Ländern.
Auch die Opposition ist zunächst an den nationalen Interessen der Türkei orientiert, wenn sie teils auch andere Prioritäten und Optionen wählen würde. Allerdings endet Erdogans Amtszeit erst 2028, und der muß nun seinen Kurs so ändern, daß er seine Popularität wieder erhöht. Wie er das tun wird, werden wir sehen. Dabei geht es nicht zuletzt um Inflation und Wirtschaftsprobleme.
Untertrieben!
Die Opposition ist transatlantisch orientiert. Erdoğan hingegen spielt ein doppeltes Spiel, und das nicht mal gut.
Er sollte sich für eine Seite entscheiden. Wenn es nach mir ginge, sollte er sich für eine Zusammenarbeit mit Russland, China und den anderen Brics-Staaten entscheiden.
Die USA und EU arbeiten an der Schwächung und Teilung der Türkei. Zu solchen Staaten hält man meilenweit Abstand.
Man stelle sich solch Koalition mal vor….
Oder besser
Die Folgen für die Westblase !!!
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Sie, SIE werden es zu verhindern wissen, wie SIE Zusammenarbeit Deutschland-Russland IMMER verhindert haben, was den gleichen Effekt für den Rest gehabt hätte !!
Erdogan kann in der Tat als ein neoosmanischer Islamist und Vorsitzender der Seniorpartnerpartei einer Koalitionsregierung mit der neofaschistisch-panturkistischen Partei MHP die Türkei nicht in eine Allianz mit Russland und China führen.
Man sollte den Tag nicht vor den Abend loben oder verdammen.
Ob die CHP nach den Kommunalwahlen, die Regierungsmehrheit irgendwann später stellen kann ist ungewiss. Anmerken möchte ich dazu das Erdogans „Herrschaft“ damit begann das er sich als besonders proeuropäisch gab…
Erdogan bzw. die AKP hat einen großen Fehler gemacht. Er hat die Renten nicht rechtzeitig angepasst bzw. nicht angemessen. Die Wahlbeteiligung lag bei dieser Wahl nur bei 76%. Bei den Wahlen im letzten Jahr lag sie bei 91%.
Sollte die CHP an die Macht kommen können sie nicht viel an der Außenpolitik ändern. Einfach aus dem Grund weil sie es sich nicht leisten können. Den Amerikanern ist die Turkstream ein Dorn im Auge. Sollte die Pipeline das gleiche Schicksal teilen wie der Nordstream wäre es das Ende für die CHP.
Der eine folgenschwere Fehlentscheidung türkischerseits darstellende NATO-Beitritt liegt nicht in der Verantwortung der CHP, sondern in derjenigen der heute nicht mehr bestehenden und in politischer Hinsicht teilweise von der AKP beerbten, rechtskonservativen Partei DP.