Ryanair-Landung in Minsk

Wie in Russland über die erzwungene Landung und die Verhaftung in Minsk berichtet wird

Die Medien haben heute kein anderes Thema als die erzwungene Ryanair-Landung und die Verhaftung eines weißrussischen Oppositionellen in Minsk. Da die westlichen Medienberichte allgemein bekannt sind, will ich hier aufzeigen, wie in Russland darüber berichtet wird.

Über die Details und Fakten des Vorfalls in Minsk habe ich schon einem sehr ausführlichen Artikel geschrieben, den Sie hier finden. Daher kommen wir direkt zur Übersetzung des Beitrages des russischen Fernsehens, der am Montagmorgen ausgestrahlt wurde.

Beginn der Übersetzung:

Protasewitsch drohen in Weißrussland 15 Jahre Haft

Roman Protasewitsch, der in Minsk verhaftet wurde, könnte mit bis zu 15 Jahren Gefängnis rechnen. Der ehemalige Chefredakteur des in Weißrussland als extremistisch eingestuften Telegram-Kanals NEXTA war einer der Passagiere des Flugzeugs und befand sich auf dem Flug von Athen nach Vilnius. Das Flugzeug wurde aufgrund einer Bombendrohung umgeleitet.

Bis zur litauischen Hauptstadt waren es nur noch etwa 90 Kilometer. Doch das Flugzeug der irischen Billigfluggesellschaft macht auf der Strecke Athen-Vilnius eine Kehrtwende und fliegt nach Minsk, wo es landet.

„Es sind nur 123 Passagiere. Sie befinden sich derzeit im Transitbereich, wo sie vom Luftsicherheitsdienst kontrolliert werden. Nach diesen Prozeduren und der Inspektion des Gepäcks wird der Kommandant über den Abflug entscheiden“, sagte der Schichtleiter des „Minsker Nationalflughafens“, Maksim Kiyakov.

Das Flugzeug machte eine Notlandung, nachdem es Informationen über eine Bombe an Bord erhalten hatte. Nach Angaben der Fluggesellschaft haben die Fluglotsen in Minsk vor der Bedrohung gewarnt. Angeblich bestanden sie darauf, in der weißrussischen Hauptstadt zu landen. Ein MiG-29-Kampfjet war in der Luft.

„Die Entscheidung wurde getroffen und die diensthabende Besatzung der MiG-29 wurde vom Flugplatz Baranavichy in die Luft geschickt. Die diensthabende Besatzung hatte die Aufgabe, die Lage zu kontrollieren und dem zivilen Flugzeug im Notfall Hilfe zu leisten, um sicher auf dem Flugplatz Minsk-2 zu landen“, sagte der Chef des Generalstabs und Erster Stellvertretender Befehlshaber der Luftstreitkräfte und der Luftverteidigung der Streitkräfte von Weißrussland Andrei Gurtsevich.

Das Flugzeug wird von Ingenieuren, Sanitätern und Rettungsteams in Empfang genommen. Die Passagiere werden durchsucht und mit dem Bus zum Terminal gebracht. Roman Protasewitsch ist unter denen, die die Treppe herunterkommen. Er ist weißrussischer Staatsbürger, Angeklagter in einem Strafverfahren wegen Aufruhrs und Anstiftung zu sozialem Hass und Zwietracht. Der Telegram-Kanal NEXTA, zu dessen Mitbegründern er gehörte, wurde von Minsk offiziell als extremistisch eingestuft.

„Roman Protasewitsch lebt seit einem Jahr in der Europäischen Union. Er reist in europäischen Ländern umher: erst lebte er in Vilnius, dann in Warschau. Es besteht keine Chance, dass eine Person, die in Weißrussland wegen eines Terrorvorwurfes angeklagt und die Autor eines der wichtigsten Telegram-Kanäle ist, wo er Menschen zu unerlaubten Handlungen provoziert hat, von den europäischen Staaten an Weißrussland ausgeliefert werden würde. Und hier ist die Situation, dass ein Bürger von Weißrussland in einem Flugzeug über das Territorium von Weißrussland fliegt, womit die Republik zumindest Maßnahmen ergreifen kann, um dieses Flugzeug zu landen und den weißrussischen Passagier aus dem Flugzeug zu holen. Das war eine Chance, wie sie einmal in hundert, wenn nicht tausend Fällen kommt.“, sagt der RT-Korrespondent Konstantin Prybaylo.

Litauen ist das erste Land, das behauptet, dass der Vorfall eine Operation der weißrussischen Behörden war. Das Land, das Alexander Lukaschenko wiederholt als einen der Koordinatoren der Minsker Proteste bezeichnet hat, hatte es eilig, eine Erklärung abzugeben.

„Heute wurden wir mit einem noch nie dagewesenen Ereignis konfrontiert, als eine Ryanair-Passagiermaschine, die von Athen und Vilnius unterwegs war, in Minsk notlanden musste. Offensichtlich steckt der weißrussische KGB hinter diesem Vorfall, denn zur Landung des Flugzeugs wurden ein Kampfflugzeug Mig-29 und ein Hubschrauber Mi-24 eingesetzt“, betonte Asta Skaisgirite, außenpolitische Beraterin des Präsidenten von Litauen.

Im Gegensatz zur Beraterin des litauischen Präsidenten eilte die erfolglose Präsidentin von Weißrussland nicht zu den Reportern. Sie hat eine Erklärung vorbereitet. Es waren anderthalb Minuten, abgelesen von einem Stück Papier: Über Freiheit, Menschen und internationale Reaktionen.

„Wir haben uns bereits beim Büro von RyanAir und der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation gemeldet und eine Untersuchung des Vorfalls sowie Maßnahmen bis hin zur Suspendierung der Mitgliedschaft in der internationalen Luftfahrtorganisation gefordert. Und die Zeit für Erklärungen ist vorbei. Offensichtlich brauchen die Weißrussen jetzt entschlossene Maßnahmen und Hilfe der internationalen Gemeinschaft“, erklärte Swetlana Tichanowskaja, die 2020 Präsidentschaftskandidatin Weißrussland war.

Swetlana Tichanowskaja erinnerte nicht daran, dass Minsk sich bereits im Februar offiziell mit der Forderung an die westlichen Partner gewandt hat, die Gründer des Telegram-Kanals Nexta auszuliefern. Sie erwähnte auch nicht, dass Roman Protasewitsch von den Anklagen wusste und die Auslieferungsanträge als lächerlich bezeichnet und behauptet hat, dass sie keine Auswirkungen auf sein Leben hätten.

„Ihm drohen wahrscheinlich bis zu 15 Jahre Gefängnis. Aber wenn er mit den Ermittlern kooperiert, könnte diese Frist verkürzt werden“, glaubt der Politikwissenschaftler Alexej Dzermant. „Wahrscheinlich wäre es für ihn die sinnvollste Lösung, bei den Ermittlungen zu kooperieren, um die Strafe zu reduzieren. Und natürlich müsste er offenlegen, wer hinter all diesen Telegram-Kanälen steckt, wie sie finanziert und geführt werden und was ihre wahren Ziele sind.“

Der Vorfall hat bereits zu einer lebhaften Diskussion geführt. Die europäischen Partner bezeichnen den Vorfall als inakzeptabel und fordern eine Bestrafung von Minsk. Zu denjenigen, die aktiv eine internationale Untersuchung fordern, gehört Österreich. Das gleiche Land, in dem vor acht Jahren das Flugzeug des bolivianischen Präsidenten zur Landung gezwungen wurde. Während bewaffnete Geheimdienstler an Bord des Präsidentenflugzeugs nach Edward Snowden suchten, der von Washington in Abwesenheit der Spionage beschuldigt wird, wartete Evo Morales geduldig. Niemand erwähnte die Tatsache, dass das Flugzeug des Staatschefs souverän ist und allgemein als Territorium des lateinamerikanischen Landes gilt, und niemand entschuldigte sich auch nur für die Verzögerung.

Aber der Fall in Minsk ist natürlich etwas anderes. Sofortige Sanktionen gegen Weißrussland wurden am Montag auf die Tagesordnung des Europäischen Rates gesetzt. Die USA haben bereits erklärt, dass sie die weißrussische Regierung für die erzwungene Landung des Flugzeugs verantwortlich machen. Sie haben zusammen mit einer Reihe von europäischen Ländern eine Erklärung abgegeben, in der sie ein Flugverbot über Weißrussland fordern, während die Länder der NATO und der EU empfohlen haben, Sanktionen gegen Minsk zu verhängen. US-Außenminister Anthony Blinken forderte, den Vorfall zu untersuchen. Die Position des Außenministeriums wurde vom Senatsausschuss für auswärtige Beziehungen unterstützt.

Die NATO betrachtete die Aktionen von Minsk als „gefährlich.“ Der Generalsekretär des Nordatlantischen Bündnisses Jens Stoltenberg schrieb darüber auf Twitter. Das britische Außenministerium drohte mit ernsten Konsequenzen, der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian nannte die Situation inakzeptabel. Laut Presseberichten befanden sich neun französische Staatsangehörige an Bord des Flugzeugs.

Ende der Übersetzung

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

9 Antworten

  1. Die doppelten Maßstäbe des Westens sind bekannt – die Nato bombardiert Serbien, um das Kosovo gegen den Willen Yugoslawiens zu erschaffen – da geht alles „mit rechten Dingen“ zu; auf der Krim gibt es eine Volksabstimmung, die Halbinsel kehrt ohne einen einzigen Schuß nach Rußland zurück, da wird sanktioniert und von Annexion geschrien – eigentlich müßte man Chruschtschow im Grabe verhaften, der damals den Krimrussen dieses Theater eingebrockt hat.

    1. Die Yankees haben den Panslavismus zwecks totaler Beherrschung Europas vernichtet. Als erstes musste die größte Nuss geknackt werden: Nach Jahrzehnten der mal mehr, mal minder subversiven NATO-Agressionen brachte man die UdSSR zu Fall. Als nächstes musste man die ČSSR und Jugoslawien loswerden. Den Verlauf kennen wir: Die ČSSR wurde von Václav Havel (übrigens gegen den Mehrheitswillen der Tschechen und Slowaken) aufgeteilt und zwei unterwürfige NATO-Vasellen wurden aus ihr kreiiert. Zwar haben weder Prag noch Preßburg einen bedeutenden Einfluss auf der weltpolitischen Bühne, aber als NATO-Vorposten eignen sie sich perfekt.
      Und Jugoslawien wurde in einem besonders langen, grausamen und blutrünstigen Krieg vernichtet. Die ganzen Neunzigerjahre bestanden aus Bürgerkrieg und NATO-Agressionen. Zehntausende Menschen wurden teils durch die Amis ermordet oder haben sich im Bruderkrieg gegenseitig abgeschlachtet. Zehntausende verließen daraufhin ihre zerbombte Heimat, um in Deutschland oder Österreich ein Dasein zu finden.
      Das Lebenswerk von Josip Broz Tito, dem Mann, der hinter sich die Partisanen vereinte, und tapfer gegen die Nazis kämpfte, wurde binnen einer Dekade von den Amerikanern vernichtet. Unzählige Menschen wurden ermordet. Das kann Washington gut. Alles nur, um die NATO auf dem Balkan zu stationieren.

  2. Köter die bellen… Da hat man jetzt endlich mal so einen Regimé-change-Strolch erwischt. Glückwunsch!
    Wie war das noch vor ein paar Jahren, als der Wertewesten die Präsidentenmaschine von Evo Morales zur Landung in Wien zwang und das Flugzeug durchsucht wurde, weil man Edward Snowden darin vermutet hatte? Und wie war das, als die Tomy-Strolche in die Botschaft von Boliven eindrangen, um Julian Assange zu verhaften? Und in wessen Folterkerker sitzt letzgenannter immer noch? Was für ein verrotteter Haufen von Ami-Speichelleckern.

  3. Hmm, das ist doch eine echte Steilvorlage für die BundesAnnalena. So als ausgewiesene Völkerrechtlerin kann sie da gleich voll vom Leder ziehen und Völkerrecht sprechen, mithin jeder einen Eindruck, von dem, was sie so kann, gewinnt.

    1. Unser*in neue Führer*in Annalena hat ja den Habeck auch noch verspottet, weil er sich in der Landwirtschaft auskennt. Dabei wäre unsere Annalena nicht einmal kompetent genug sich um die Gülle zu kümmern 😉

  4. Das Messen mit zweierlei Maß – von Thomas vor allem in seiner ausführlichen Analyse zu dem Thema.

    Ja, schön und gut.

    Deswegen finden wir den Vorfall richtig? Gut? Nein? Ist die Aktion kritikwürdig?

    Mein Eindruck ist schon, dass Lukaschenko und auch Putin souveräner mit Jugend, neuen Medien, Musik etc. umgehen könnten. Da ist Luft nach oben.

  5. Alles Quatsch: Petrov und Boshirov warn’s.

    _____://www.fondsk.ru/news/2021/05/07/petrovboshirov-tretja-seria-53521.html
    _____://www.fondsk.ru/news/2021/05/11/petrovboshirov-chetvertaja-seria-53548.html
    _____://www.fondsk.ru/news/2021/05/19/petrovboshirov-shestaja-seria-53605.html

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