Geopolitik

Der neue japanische Premierminister träumt von einer asiatischen NATO

Japan hat einen neuen Premierminister, über dessen politischen Ziele in Deutschland kaum etwas bekannt ist, weshalb ich darüber berichte.

Japan ist, wie Deutschland oder Südkorea, seit dem Zweiten Weltkrieg von den USA besetzt. Auch wenn die drei Länder ausgesprochen unterschiedlich sind, eint sie, dass sie den USA politisch treu ergeben, ja de facto Vasallen der USA sind, die sogar die Besatzungskosten bezahlen, auch wenn es dafür heute andere Bezeichnungen gibt, wie ich hier aufgezeigt habe.

Unter dem 14 Jahre lang amtierenden Ministerpräsidenten Shinzō Abe gab es nach 2016 übrigens eine gewisse Annäherung an Russland und es waren sogar Verhandlungen über einen Friedensvertrag für den Zweiten Weltkrieg im Gespräch. Allerdings war das nie im Interesse der USA, weil dann auch Fragen nach so einem Vertrag mit den Westalliierten aufkommen könnten, in deren Folge auch die US-Militärbasen in Japan in Frage gestellt werden könnten, die in Japan ohnehin nicht populär sind.

Abe trat 2020 aus gesundheitlichen Gründen zurück bereute es nach eigener Aussage, dass er gewisse Projekte nicht habe umsetzen können, darunter die Lösung des Konflikts um vor Jahren von Nordkorea verschleppte Japaner, den Territorialkonflikt mit Russland um die Kurilen und eine von ihm angestrebte Reform der pazifistischen Verfassung Japans.

Inzwischen sind die russisch-japanischen Beziehungen wieder auf dem Nullpunkt, da Japan sich der anti-russischen Politik des US-geführten Westens angeschlossen hat.

Japan hat nach Abes Rücktritt politische Skandale wegen Parteien- und Wahlkampffinanzierung durchlebt und nun wurde eine neuer Ministerpräsident gewählt. Da in Deutschland darüber nur wenig berichtet wurde, übersetze ich einen Artikel des stellvertretenden Chefs des TASS-Büros in Tokio über den neuen japanischen Ministerpräsidenten und seine politischen Ziele.

Beginn der Übersetzung:

Shigeru Ishiba: Japans neuer Ministerpräsident mit Phantasien über ein NATO-Analogon in Asien

Kirill Agafonow, stellvertretender Chef des TASS-Büros in Tokio, über die Pläne und Perspektiven des neuen japanischen Regierungschefs

Shigeru Ishiba, der neue Vorsitzende der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP), ist Ministerpräsident von Japan geworden. Er ist der in der Bevölkerung und den Parteimitgliedern beliebteste Politiker, allerdings ist er als Kritiker seiner eigenen Partei bekannt und bei deren Eliten nicht beliebt.

Ishiba ist konservativ und ein Befürworter der Stärkung der Verteidigungsfähigkeit des Landes. Während des Wahlkampfs forderte er die Schaffung einer „asiatischen NATO“, eines Systems kollektiver Sicherheit in der Region, und sprach sogar von der Möglichkeit, amerikanische Atomwaffen in Asien zu stationieren.

Die Ishibas wichtigste kurzfristige Aufgabe wird die Durchführung vorgezogener Wahlen zum Unterhaus sein, die er für den 27. Oktober angekündigt hatte, bevor er zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Das stieß auf scharfe Kritik seitens der Opposition, die ihn verdächtigt, die Verfassung zu verletzen.

Die Position der LDP wurde in den letzten zwei Jahren durch eine Reihe von Skandalen erschüttert, bei denen es vor allem um Finanzbetrug bei politischen Spenden ging, und die Umfragewerte der Regierung seines Vorgängers als Ministerpräsident, des ehemaligen Parteivorsitzenden Fumio Kishida, sind auf einen Tiefstand von 20 Prozent gefallen.

Ishiba muss jedoch nicht nur das erschütterte Vertrauen der Wähler wiederherstellen, sondern auch innerparteilichen Widerstand überwinden. Mitglieder einst mächtiger parteiinterner Fraktionen, die im Zuge des Finanzskandals mit Ausnahme einer Fraktion aufgelöst wurden, sagen bereits, dass Ishibas Regierung nicht lange durchhalten wird.

Eine asiatische Version der NATO

Eine der wichtigsten außenpolitischen Ideen Ishibas, nämlich die Schaffung eines Blocks von asiatischen Ländern, die durch eine kollektive Verteidigungsverpflichtung nach dem Vorbild der NATO gebunden sind, hat noch ungewisse Aussichten. Einige Politiker und Experten sowohl in Japan als auch in den USA, an die sich die Äußerungen des neuen Ministerpräsidenten in erster Linie richteten, haben Zweifel daran geäußert.

„Das Wesen der NATO ist die kollektive Verteidigung eines Mitgliedstaates gegen einen bewaffneten Angriff durch einen gemeinsamen äußeren Feind. Im Gegensatz zu Europa besteht Asien jedoch aus Ländern mit verschiedenen Kulturen und unterschiedlichen politischen Systemen. Jedes Land hat sein eigenes Verhältnis zu China“, sagte Ishibas Rivale im Rennen um den LDP-Vorsitz, der ehemalige Generalsekretär der Partei, Toshimitsu Motegi.

Der Unterstaatssekretär der USA für ostasiatische und pazifische Angelegenheiten, Daniel Kritenbrink, sagte am 27. September, noch vor der Wahl in der LDP, es sei zu früh, um über kollektive Sicherheit in der Region zu sprechen. „Ich denke, es ist noch zu früh, um in diesem Kontext über kollektive Sicherheit und formellere Institutionen in diesem Sinne zu sprechen. Ich denke, wir sollten uns darauf konzentrieren, in die bestehende Architektur der Region zu investieren und dieses Netzwerk formeller und informeller Beziehungen weiter auszubauen, und dann werden wir sehen, was dabei herauskommt“, sagte er in einer Rede am 17. September im Stimson Center in Washington.

Michael Green, ehemaliger Direktor der Asien-Abteilung des Nationalen Sicherheitsrates der USA, meinte, die Idee einer „asiatischen NATO“ sei zum jetzigen Zeitpunkt „eine Art Fantasie“.

Auch in Indien wird die Idee einer „asiatischen NATO“ nicht in Betracht gezogen. „Wir ziehen eine solche strategische Architektur nicht in Betracht“, wurde der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar von Reuters zitiert.

Auch Ishiba selbst äußert sich vorsichtig zu seiner Idee. Auf seiner ersten Pressekonferenz als Ministerpräsident bestätigte er, dass er noch keine Anweisung gegeben habe, diese Frage zu behandeln, und wies darauf hin, dass er seit mehr als 20 Jahren allgemein darüber gesprochen und in der Regierung und in der Partei viele Gleichgesinnte hat. „Ich glaube nicht, dass die Idee umgesetzt wird, nur weil ich Ministerpräsident geworden bin“, sagte Ishiba und merkte an, dass er die Gespräche mit Leuten, die seine Ideen teilen, intensivieren möchte.

Ablehnung durch Parteischwergewichte

Ein Problem für den neuen Ministerpräsidenten könnten Spaltungen innerhalb der Partei sein. Ein anschauliches Beispiel für Ishibas Widersprüche mit den Parteieliten war die Ernennung des ehemaligen Ministerpräsidenten Taro Aso – eines der mächtigsten Mitglieder der LDP, dem es gelungen ist, seine Fraktion trotz der Skandale zu erhalten – zu seinem „Top-Berater“. Diese Position wird manchmal eher als eher Ehrenamt bezeichnet.

Nach der Ernennung der neuen Parteiführung, in der Aso vor Ishibas Amtsantritt stellvertretender Vorsitzender war, blieb er nicht einmal für einen gemeinsamen Fototermin und verließ den Sitzungssaal mit einer Verbeugung vor dem neuen Vorsitzenden.

Wie die Zeitung Nikkei anmerkte, kalkuliert Ishiba darauf, Aso in der Parteiführung zu halten, wenn auch nur in einer formalen Position. Zwei seiner Konkurrenten im Rennen um den LDP-Vorsitz, die dem verstorbenen ehemaligen Ministerpräsidenten Shinzo Abe nahestanden – die ehemaligen Minister für wirtschaftliche Sicherheit Takayuki Kobayashi und Sanae Takaichi – lehnten Angebote für Parteiposten ab. Letztere schaffte es in die zweite Runde der Wahl und galt als Favoritin.

Die Ablehnung von Ishibas Vorschlägen bedeutet, dass sie sich von ihm distanzieren, auf der Suche nach Anhängern innerhalb der LDP frei agieren und sich auf die nächste Wahl zum Parteivorsitzenden vorbereiten können. Gleichzeitig wird die Zusammenarbeit mit Aso, der Berichten zufolge seinen Fraktionsmitgliedern die stillschweigende Anweisung gegeben hat, im zweiten Wahlgang für Takaichi zu stimmen, schwierig, da Aso als Ishibas „Top-Berater“ nicht frei ist, hinter dessen Rücken zu intrigieren. Übrigens ist Takaichi, die den Ruf eines entschiedenen „Falken“ hat, dafür bekannt, dass sie die Initiativen der Regierung schon als Ministerin kritisiert hat.

Schließlich verzichtete Ishiba bei der Ernennung von Ministern auf das traditionelle Gleichgewicht zwischen den ehemaligen innerparteilichen Fraktionen. Die einflussreiche Fraktion von Taro Aso erhielt nur zwei Regierungsposten und einen in der Parteiführung, während die Fraktion des verstorbenen Abe, viele Jahre lang die größte und einflussreichste, überhaupt keine Posten erhielt und bei der Regierungsbildung am Rande blieb.

Wie Nikkei berichtet, sagen die Mitglieder der ausgeschlossenen Fraktionen bereits, dass die Regierung Ishiba angesichts der Unzufriedenheit innerhalb der Partei nicht mehr lange durchhalten wird. Die tatsächlichen Aussichten des neuen Ministerpräsidenten und LDP-Vorsitzenden werden sich allerdings erst bei den vorgezogenen Wahlen am 27. Oktober zeigen.

Keine Zusammenarbeit mit Russland

Während des Wahlkampfs hat Ishiba keine neuen Initiativen zum Konflikt in der Ukraine vorgelegt, und auf seiner ersten Pressekonferenz als Ministerpräsident hat er das Thema nicht einmal erwähnt. Wie Hironori Fushita, außerordentlicher Professor an der Universität für Internationale Studien in Kobe, dem TASS-Korrespondenten erklärte, wird Japan seine Politik gegenüber Russland nicht ändern, egal wer der neue Ministerpräsident wird.

So wird erwartet, dass Ishibas Regierung, wie auch die von Kishida, die Aufrechterhaltung der Sanktionen gegen Moskau und die Unterstützung Kiews befürworten wird.

In Bezug auf Russland gibt es bisher nur eine Änderung. In der neuen Regierung gibt es keinen Posten des Ministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation. Dieser Posten wurde 2016 eingeführt, als die Beziehungen zwischen den beiden Ländern einen Aufschwung erlebten. Nach der Verhängung von Sanktionen gegen Moskau wurde der Posten beibehalten, und der frühere Ministerpräsident Fumio Kishida merkte an, dass dieser Minister japanischen Unternehmen helfen würde, den russischen Markt zu verlassen.

Ishiba sowie 12 weitere Mitglieder seiner Regierung wurden 2022 als Reaktion auf die Politik Tokios auf die russische Sanktionsliste gesetzt: Ihnen wurde die Einreise nach Russland untersagt.

Ende der Übersetzung


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

9 Antworten

  1. „Japan ist, wie Deutschland oder Südkorea, seit dem Zweiten Weltkrieg von den USA besetzt. “ Das sind immer dieselben schrillen Glaubenssätze, die so nicht stimmen.

    Praktisch verhindern die Gutmenschenautoren damit selber eine Befreiung der Staaten mit Propaganda-Gestrüpp.

    Gegen wen sollte man denn hier vorgehen? Gegen die USA? Das ist völlig absurd.
    Die Ägypter haben es vorgemacht, die haben Mubarak aus dem Verkehr gezogen und damit war der Spuk vorbei.

    1. „die so nicht stimmen“ 😀
      Einen Satz später kommt die Erklärung ! 😀
      Propaganda-Gestrüpp !
      Um bei Japan zu bleiben , es stimmt !
      Japan ist genauso wie Deutschland ein besetztes Land , die Feindstaatenklausel für Japan existiert auch noch bei der UN !
      Genauso wie in Deutschland , so will auchm Japan die Besatzung durch die USA beenden , wobei Japan da schon einen Schritt weiter ist !
      Das hab ich hier schon öfters geschrieben und der aktuelle Informationsstand gibt keinen Grund da die Sichtweise drauf zu ändern !
      Ägypten , genau wie Haribo haben damit nichts zu tun , sinnlose Vergleiche !

      1. Achso , das der japanische Premierminister Träumt wage ich zu bezweifeln , diese „asiatische NATO“ , egal wie Die dann genannt wird , wird kommen , auch hierbei wurde der Weg dafür längst geschaffen !
        Egal was die Propaganda-TASS gerade so alles erzählt , lieber Thomas , Du solltest bei der TASS so langsam aber sicher etwas vorsichtiger sein , sonst wird Deren Propaganda Dir mal auf die Füsse fallen !
        Egal ob die TASS besser berichtet wie MSM , Propaganda ist auch bei der TASS fester Bestandteil der Berichterstattung , wenn Du in dieser Blase deine Glaubwürdigkeit ruinieren willst , bist du auf dem besten Weg dahin das zu schaffen !
        Nur ein gut gemeinter Rat von mir , ich war ja schon vor dem Interview mit Sacharowa hier unterwegs und hab die Entwicklung hier beim Anti-Spiegel seit dem beobachtet , solche Kommentare hätte ich davor niemals geschrieben , weil es keinen Grund davor gab !

  2. Oh man.. Der kleine Japaner muss ja wirklich feucht Träumen haben😉🤣
    Japan hat in seiner doch Seher „Kriegerischen“ Geschichte so ziemlich jedes Asiatische Land mal ans Bein gepinkelt manche sogar mehrmals..
    Und jetzt sollen sich diese Länder unter Japans Hoheit zu einer mehr oder wenigen Asiatischer NATO zusammenschließen ? 🤣
    Und das auch noch als sagen wir mal besetztes Land 🤣.. Seher Seher feucht Träume

      1. Na dann lesen sie mal die Geschichte Japans nach..
        Den es wäre echt mühsam hier alle die Länder aufzuzählen in denen Japan in seiner Geschichte einmarschiert ist..
        Also holen sie mal selbst Ihren Kopf aus der Waschmaschine und Informieren sie sich mal selbst ein wenig..
        Ach und Japan ist im Grunde genau so ein besetztes Land wie Deutschland, es wird wohl niemand so naiv sein zu glauben das solche Idee die Japaner selbst haben..

        1. Naja , in einem Teil der Geschichte gehörte Taiwan auch mal zu Japan , schon vergessen ?
          Oh , die Japaner sind schon deutlich weiter wie die Deutschen , besonders was das Thema Corona/Impfungen angeht , man sollte die Japaner niemals unterschätzen !
          Ich kann mich noch gut dran erinnern , wenn hier davon gesprochen wurde das Deutschland immer noch besetzt ist , wie die linksversiffte Sekte hier dagegen geschossen hat und Ihnen ihre eigenen Fakegeschichten , Stück für Stück mit Belegen um die Ohren gehauen wurde , glücklicherweise treiben sich hier nicht nur Ahnungslose rum ! 😀
          Wer hier immer noch einen auf naiv machen will , nicht mein Problem ! 😀

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