Krim

Selensky und die „Rückholung“ der Krim: Die Krim-Plattform floppt auf ganzer Linie

Haben Sie schon mal von der "Krim-Plattform" gehört? Nein? Genau das ist verwunderlich, denn sie war als politisches und mediales Spektakel geplant, wurde medial aber ignoriert.

Seit Monaten macht ein Thema in der Ukraine Schlagzeilen, von dem im Westen aber kaum jemand gehört hat. Das ist mehr als verwunderlich, denn die „Krim-Plattform“ sollte das Thema der „okkupierten“ Krim wieder zurück auf die Tagesordnung der internationalen Politik holen. Das hat jedoch offensichtlich nicht geklappt.

Die Krim-Plattform

Am 26. Februar 2021 hatPräsident Wladimir Selensky ein Dekret „über die Deokkupation und Reintegration“ der Krim unterzeichnet, mit dem die Vorbereitung der „Krim-Plattform“ offiziell eingeleitet wurde. Das Ziel war es, das Thema der „okkupierten“ Krim wieder in den Fokus der internationalen Politik zu rücken, den Druck auf Russland zu erhöhen und am Ende die Krim wieder zur Ukraine zurückzuholen.

In der Ukraine wurde darüber sehr viel berichtet, Selensky hoffte, dass viele Staaten an der Konferenz teilnehmen und dass das Thema politisch und medial wieder auf die Tagesordnung kommt. Als Themen der Konferenz wurden genannt:

  • Die Politik der Nichtanerkennung der Annexion der Krim durch Russland
  • Die Ausweitung und Verschärfung der internationalen Sanktionen gegen Russland
  • Internationale Sicherheit
  • Menschenrechte
  • Die Auswirkungen des Beitritts auf die Wirtschaft und die Umwelt

Ich habe seitdem viele Meldungen zur Krim-Plattform gesammelt und darauf gewartet, dass die westlichen Medien irgendwann auf den Zug aufspringen und die Konferenz und ihre Ziele behandeln würden, aber es gab kaum Berichte darüber. Ich bin sicher, dass die meisten Deutschen davon noch nie gehört haben. Lediglich (und ausgerechnet) RT-DE hat immer wieder über die Vorbereitungen der Krim-Plattform berichtet. So konnte man bei RT-DE zum Beispiel die Übersetzung eines Teils einer Pressemeldung des ukrainischen Außenministeriums lesen, in der es zur Krim-Plattform hieß:

„Die Krim-Plattform ist ein neues Beratungs- und Koordinierungsformat, das von der Ukraine initiiert wurde, um die Effektivität der internationalen Reaktion auf die andauernde Besetzung der Krim zu erhöhen, den internationalen Druck auf Russland zu verstärken und das Hauptziel zu erreichen – die De-Okkupation der Krim und die vollständige Wiederherstellung der Souveränität der Ukraine über die Halbinsel.“

In den Mainstream-Medien gab es hingegen praktisch keine Berichte über die anstehende Konferenz.

Die Teilnehmer

Die Krim-Plattform war für den 23. August geplant und hat nun ziemlich unbemerkt von den westlichen Medien stattgefunden. Man muss sie daher als Flop bezeichnen, denn sie hat die gesetzten Ziele nicht erreicht. Die westlichen Medien haben das Thema zu dem Anlass nicht wieder aufgenommen und auch die Teilnahme war ausgesprochen bescheiden. Um die Teilnehmerzahl zu erhöhen, hat Selensky die Krim-Plattform mit den Feierlichkeiten zum 30. Unabhängigkeitstag der Ukraine zusammengelegt, aber selbst das hat nicht geholfen.

Deutschland zum Beispiel hat lediglich Wirtschaftsminister Altmaier geschickt, obwohl Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Maas am Tag zuvor in Kiew waren. Insgesamt sind nur 42 der über 190 Staaten der Welt der ukrainischen Einladung gefolgt, wobei außer den baltischen Staaten und Polen kaum ein Land Regierungschefs oder Außenminister geschickt hat. Meist waren es irgendwelche nachrangigen Minister oder sogar nur die Botschafter in der Ukraine, die zu der Veranstaltung gekommen sind.

Was in der Ukraine als große und internationale Aktion zur Unterstützung der Ukraine angekündigt wurde, war am Ende ein Klassentreffen der US-Vasallen, denn es hat kein Land zugesagt, das nicht unter dem Einfluss der USA steht, wie die Weltkarte der Teilnehmer zeigt.

Und natürlich durften als internationale Organisationen die Nato, die EU und der Europarat nicht fehlen, auch alles von den USA abhängige Organisationen. Es hat jedoch kein Land und keine internationale Organisation zugesagt, die nicht zur US-Einflusssphäre gehören.

Die Konferenz

Da Kiew regelmäßig im Westen um Geld bettelt, war auch diese Veranstaltung keine Ausnahme. Schon am 3. August verkündete Selensky, dass die Ukraine diese Veranstaltung gerne jährlich durchführen würde, dafür aber kein Geld habe. Was daran so unbezahlbar sein soll, ein Konferenzzentrum für ein paar hundert Teilnehmer für einen Tag anzumieten, erschließt sich zwar nicht, aber es scheint auch um etwas anderes zu gehen.

Dass die Konferenz floppen würde, war zu dem Zeitpunkt anhand der Zusagen bereits absehbar. Selensky hat daher angeregt, die Konferenz künftig im Rahmen der UNO abzuhalten. Wahrscheinlich erhofft er sich davon eine breitere Teilnahme von Staaten – und natürlich würde die UNO dann die Kosten dieses Klassentreffens der westlichen Propagandisten tragen.

Der Verlauf der Konferenz war dann auch entsprechend vorhersehbar. Alle Vertreter haben am Runden Tisch kurze Erklärungen verlesen und auf Russland und die „Annexion“ der Krim geschimpft. Mehr ist nicht passiert, es gab keine Vereinbarungen oder ähnliches.

Das Medienecho

Es faszinierend, dass ausgerechnet der „russische Propaganda-Sender“ RT-DE ausführlich über die Krim-Plattform berichtet hat, während andere deutsche Medien das Thema weitgehend ignoriert haben. RT-DE hat sowohl über den Vorlauf als auch über die Konferenz selbst ausführlich berichtet.

Ansonsten war das Medienecho in Deutschland dürftig. Der Deutschlandfunk brachte eine kurze Meldung, in der er unter Benutzung der Kiewer Propaganda-Begriffe über die Abschlusserklärung berichtete, in der die Staaten des Westens die Rückgabe der Krim fordern. Unter dem Suchbegriff „Krim-Plattform“ finden sich bei Google nicht viele Meldungen über die Konferenz, in die Selensky so große Hoffnungen gesetzt hat. Ich fand unter anderem noch einen Artikel der FAZ, in dem es allerdings um Nord Stream 2 ging und die Krim-Plattform nur am Rande erwähnt wurde.

Daher ist es wohl kaum übertrieben, wenn ich behaupte, dass diese von Selensky als Propaganda-Show geplante Konferenz auf der ganzen Linie gefloppt ist.

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

10 Antworten

  1. Nun ja, der Autokrat hat klar und deutlich gesagt, man werde kein „Anti-Rußland“ zulassen.
    Wenn ich mich recht erinnere, wurden in der Vergangenheit mehrmals durch verschiedene hochrangige Politiker der RF, im Falle bestimmter Entwicklungen „ernste Konsequenzen für die Staatlichkeit der Ukraine“ in Aussicht gestellt, und wenn ich da nichts mißverstanden habe, jüngst wohl auch bezüglich des Ansinnens, dort bestimmter Waffensysteme zu stationieren.
    Und jetzt können wir uns darüber den Kopf zerbrechen, wie diese Konsequenzen denn aussehen und herbei geführt werden könnten…

    Ich meine, der diplomatische Ton der RF ist härter geworden, wie es da „subkutan“ aussieht, wissen wir nicht…

    Diese Krim-Plattform ist ja nicht die dümmste Idee (es soll wohl eine britische gewesen sein), nur niemand wird sich ernstlich der Illusion hingeben, die RF gäbe da irgendwann klein bei.

    Die Krim hat offenbar strategische Bedeutung, da könnte man auch an so etwas wie „Staatsnotstand“ denken, obwohl die Rechtsfragen m.E. recht problemlos zu Gunsten der Krim und der RF entschieden werden können, wenn man sich nicht in das Boxhorn anglo-amerikanischer Winkeladvokaten jagen läßt, die die staatsrechtliche Bewertung einfach unter den Tisch fallen lassen – und auf die kommt es an, bevor die Geschichte einer völkerrechtlichen Bewertung zugänglich ist.

    M.E. scheint sich eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses abzuzeichnen, der man im Westen hinter den Nebelbänken all des politischen Getöses letztlich Rechnung tragen muß.
    Genaueres werden wir nach den Dumawahlen erfahren, und ich bin wirklich richtig gespannt, wie weit man zu gehen, da noch bereit ist.

  2. Was wäre denn mit eine Jugoslavienplattform? Ein Deutsches Reich als Plattform?
    Es ist doch ganz einfach, die Russen wollten von den Ukrainern weg und haben darüber abgestimmt, fertig war der Lack!

  3. Hab mir die Quellen mal angesehen. Die Russen (RT) berichten eigenartig neutral, fast schon positiv über die Platform. Verstehe ich nicht.

    Jedenfalls scheint niemand im Westen diese Propaganda- Option wahrzunehmen. Verstehe ich noch viel weniger. Vllt sieht man die Ukraine als Falle wegen der ganzen krummen Geschäfte der Bidens und will von dem ganzen Thema weg. Das sehe ich als einzige Erklärung.
    Vllt gibts da noch einen Teil im Puzzle, das ich nicht kenne. Hat jemand ne Idee?

  4. Aus Sicht von Poroschenko, Selensky, deren Hintermännern & Co. ist es durchaus nachvollziehbar, die Krim zurückgewinnen zu wollen, denn deren „Verlust“ ist zum Einen ein Gesichtsverlust für die Kiewer Politik und zum Anderen der Verlust eines geostrategisch sehr wichtigen Gebietes für den Westen.

    Man kann jetzt über mehrerer Jahrhunderte die Geschichte zerreißen und nur Das herausfiltern, was einen Anspruch der Ukraine auf die Krim eventuell rechtfertigen würde. Aber selbst die Ukraine als Staat hat nicht eine derart lange Geschichte, als dass sie ein solches Geschichtsbild glaubhaft belegen könnte, denn ein eigener Staat ist die Ukraine doch eher durch den Separatismus gewisser Kräfte infolge des Zerfalls der UdSSR geworden. Muss das Staatsrecht nun ab diesem Zeitpunkt zu Gunsten der separierten Ukraine neu geschrieben werden oder steht das ältere Recht von Volksentscheiden (u.a. der Krim-Bevölkerung) darüber … ?

    Das (Teilnahme-) Verhalten des Westens an der „Krim-Plattform“ zeugt sowohl von einer Unsicherheit, wie die Rechtslage tatsächlich zu bewerten ist, als auch davon, dass man die von Putin verkündete „rote Linie“ Russlands sehr wohl verstanden und auch verinnerlicht hat. Die rundum schwache Ukraine unter dem Kasper Selensky ist es in den Augen des Westens offensichtlich nicht wert, eine Re-Integration der Krim umfassend zu unterstützen 😉

    1. Im erweiterten Westblock (USA, Großbritannien, Five-Eye-Staaten, EU und NATO) ist hinlänglich bekannt, dass eine Rückgliederung der Krim in die Ukraine – von dem zu erwartenden Widerstand der politischen und militärischen Großmacht Russland abgesehen – nur gegen den ausdrücklichen Willen der überwältigenden Mehrheit der dortigen Bevölkerung durchführbar wäre. Die Machteliten der USA und Großbritanniens sind sich der Tatsachenwidrigkeit des Annexions-Narratives außerdem vollumfänglich bewusst.

  5. M.E. versucht die Ukraine mit der Plattform die Einbringung des Gesetzes zur Aufgabe der Vereinbarungen des Normandie Formates zu übertünchen. Weder Deutschland noch Frankreich oder Russland sind auf eine Änderung eingegangen. Wenn man jetzt das – unter anderem Namen – auf eine breitere Basis stellt, bis jetzt 46 Länder, dann glaubt man damit Erfolg zu haben. Allerdings ist das für mich sehr durchsichtig.
    Die USA wird die Ukraine im Problemfall genau so fallen lassen wie Afghanistan. Russland ist für die USA doch letzten Endes wichtiger als Ukraine (oder Polen) und Spannungen kosten Geld, viel Geld.
    Die USA werden in der nahen Zukunft bestärkt durch die Afghanistan Ereignisse, sowohl innerstaatlich als auch außerhalb der USA beschäftigt sein. Ein Interesse an der Ukraine könnte dadurch nachrangig werden – und einen ernstgemeinten Konflikt mit Russland könnte man dann keineswegs gebrauchen..

    1. Die Mär von der russischen Annexion der Krim wird eines Tages vielleicht ebenso wie die einstmals geglaubte Mär über das serbische Konzentrationslager in Pristina als geopolitisches Propaganda-Narrativ widerlegt.

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