Russisch-tschechischer Konflikt

„Idiotie wie beim braven Soldaten Schwejk“

In einem Kommentar hat sich der Moderator der russischen Fernsehsendung "Nachrichten der Woche" über die Vorwürfe aus Tschechien geäußert. Die von ihm benutzten Vergleiche zeigen eine gute Portion russischen Humors.

Tschechien beschuldigt Russland, an Explosionen in einem Waffenlager in Tschechien schuld zu sein. Die Geschichte schlägt – inzwischen unbemerkt von den deutschen Medien – in Tschechien immer noch hohe Wellen. Die Ermittlungen sind noch gar nicht abgeschlossen, aber die tschechische Regierung beschuldigt trotzdem dem Russland, natürlich mal wieder ohne Beweise vorzulegen. Wie absurd die Geschichte von Anfang an war, können Sie hier nachlesen.

Der tschechische Präsident hat der eigenen Regierung widersprochen und gesagt, in den Ermittlungsakten gebe es keine Beweise für diese Vorwürfe, aber dafür noch andere, wesentlich plausiblere Versionen der Geschichte, was dazu geführt hat, dass die tschechische Regierung ihrem eigenen Präsidenten mit einer Anklage wegen Hochverrats gedroht hat. Widerspruch mag die derzeitige tschechische Regierung nicht besonders, aber der tschechische Präsident Zeman lässt sich den Mund nicht verbieten.

Die auf die tschechischen Vorwürfe folgende Orgie von Ausweisungen russischer Diplomaten aus Tschechien und der entsprechenden Reaktion aus Russland hat die Beziehungen zwischen den Ländern zerstört. Nach den letzten Sanktionen aus den USA hat Russland die Schaffung einer Liste „unfreundlicher Staaten“ angekündigt, für die in Zukunft strengere Regeln für die Arbeit ihrer Diplomaten in Russland gelten. Inzwischen wurde die Liste veröffentlicht und es stehen (bisher) nur zwei Länder auf der Liste: Die USA und Tschechien.

Der Moderator des Nachrichtenrückblicks des russischen Fernsehens hat am Sonntag in einem Kommentar die ganze Absurdität der Geschichte aufgezeigt und ich habe den Kommentar übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Behörden im Stil von Schwejk: Tschechien wird von Idiotie überwältigt

Als Antwort auf die Frage eines Journalisten kommentierte der russische Außenminister Sergej Lawrow die Geschichte der Explosionen in tschechischen Waffendepots in Vrbetica von vor sieben Jahren eher ironisch. Nachdem sich die Tschechen sieben Jahre lang am Kopf gekratzt hatten, haben ihnen – meiner Meinung nach – die Briten, oder vielleicht sogar die Amerikaner, die „Boshirov und Petrov Version“ untergeschoben. Und dann ging´s los: Russland ist schuld! Prag wies als Strafe sofort 18 unserer Diplomaten aus und wir haben im Gegenzug 20 tschechische Diplomaten ausgewiesen. Und wir haben die Tschechische Republik auch auf die Liste der unfreundlichen Staaten gesetzt. Dann erklärte der Chef der europäischen Diplomatie, dass eine weitere Eskalation mit Russland nicht gebraucht werde. Sie ist bereits, wie man sagt, aufgefrischt worden… Und nun kommentiert Sergej Lawrow das aus der Höhe seiner Erfahrung, wenn auch subtil, aber doch ironisch:

„Sehen Sie, wie peinlich die Tschechische Republik jetzt die Geschichte der Explosionen, die sich vor sieben Jahren ereignet haben, aufbläst. Niemand konnte erklären, was die Ermittlungsbehörden all die Jahre lang getan haben. Sie widersprechen sich in ihren Erklärungen, es werden immer neue Theorien aufgestellt. Zuerst sollte man solche Dinge im eigenen Land klären, bevor man Diplomaten ausweist und sie schon beschuldigt, während die Untersuchung noch nicht einmal abgeschlossen ist. Danach zu urteilen, wie sie das untersuchen, ist es unwahrscheinlich, dass die Untersuchung mit konkreten Ergebnissen endet“, meint der russische Außenminister.

Sergej Lawrow sprach zu Recht von der „Peinlichkeit“ der Tschechen, einen Tag nachdem der tschechische Präsident Milos Zeman im Radio F1 gesagt hatte, dass eine der Versionen auf einen Versuch deutet, einen Mangel an Waffen in den Depots zu verschleiern. Justizministerin Maria Benešová informierte Präsident Miloš Zeman darüber, dass dort weniger Waffen waren, als da hätten sein sollen.

„Sie sagte mir, dass es darum gehen könnte, das zu vertuschen. Und deshalb bestehe ich darauf, dass die Polizei gründlich und schnell ermittelt, damit wir endlich herausfinden, was da los ist. Jedem Verdacht muss nachgegangen werden. Als Amateur-Ermittler würde ich diese Firma, die IMEX-Group, ins Visier nehmen, denn es gibt eine Reihe von Fragen an sie“, so Zeman.

Zeman durchschaut das sofort. Ein Feuer in einem Waffenlager ist wie ein klassisches Mittel, um fehlende Waren in einem Marktstand zu vertuschen – er wird angezündet. Alles brennt ab und niemand fragt nach der Inventur. Da fehlten Waren? Was war da? Was fehlte da? Und wer hat´s gezählt? Es sieht so aus, als ob das bei der Munition in den tschechischen Depots der Fall war. Zumindest die tschechischen Medien berichten jetzt, dass die Firma IMEX Group, die Mieterin der Lagerhallen, 1.000 Handgranatwerfer zur Panzerabwehr (RPG-7), 800 Maschinengewehre, 500 Maschinenpistolen, über 100 Pistolen, Tausende Stück Munition und Zehntausende von Magazinen für Maschinengewehre verloren hat. In 2016 und 2017 wurden sogar zweimal Diebe gefasst. Sie drangen durch ein Loch im Zaun in die Lagerhallen ein. Die Täter wurden dann ins Gefängnis gesteckt: einer für 34 Monate, und der andere für 36 Monate. Die Sicherheit im Lager war also nicht auf der Höhe der Zeit. Kein Wunder, dass die Lagerhallen irgendwann in Flammen aufgingen.

Natürlich reichte die IMEX Group eine Beschwerde bei der tschechischen Polizei ein, in der sie die Polizei verdächtigt, ihr militärisches Eigentum gestohlen zu haben. Die Tschechen schreiben, dass die Firma eine Inventarliste der in den Lagerhallen gelagerten Waffen vorgelegt hat, aber den Inhalt der Kisten auf der Liste nicht bestätigen konnte. Überhaupt ist das alles recht lustig: Die IMEX-Group hat schon lange „Spannungen“ mit der Polizei. So wurde beispielsweise im Februar Peter Bernatic, der Eigentümer der IMEX-Group, für 48 Stunden festgenommen und sein Haus und Büro durchsucht. Damals sagte Bernatic über seinen Anwalt, die Polizei schüchtere ihn ein, „um ihn dazu zu bringen, so auszusagen, wie sich die Polizeibehörde das vorstellt.“ Bernatic setzte seinen Krieg mit den tschechischen Strafverfolgungsbehörden fort, indem er eine Strafanzeige gegen Jan Schweidar, den Polizeichef der Tschechischen Republik, einreichte.

Inzwischen läuft die tschechische Untersuchung so lange und verworren, dass einem die Zeiten des braven Soldaten Schwejk des tschechischen Literaturklassikers Jaroslav Hašek in den Sinn kommen: „Der Militärermittler Bernis war das wichtigste Glied in der Maschinerie des Militärgerichts, denn er hatte so viele Protokolle und komplizierte Akten in seinen Händen konzentriert, dass er dem gesamten Kriegsgericht auf dem Hradčany Respekt abverlangte. Ständig vergaß er Anklageschriften, was ihn zwang, neue zu erfinden; er verwechselte Namen, verlor den Faden der Anklage und erfand neue, wann immer es ihm einfiel; er stellte Deserteure wegen Diebstahls und Diebe wegen Desertion vor Gericht; er arrangierte politische Prozesse und saugte sich das Material aus den Fingern; er griff auf alle möglichen Tricks zurück, um die Angeklagten wegen Verbrechen zu verurteilen, die sie sich nie erträumt hatten, er erfand Beleidigungen gegen seine Majestät, verfasste diese selbst und belastete damit dann die Angeklagten, deren Akten er in dem ständigen Chaos von Amtsakten und anderen offiziellen Papieren verloren hatte.“

Mit dem Einzug des digitalen Zeitalters scheint sich für die Tschechische Republik in diesem Bereich wenig geändert zu haben. Verwirrt suchte man sein Heil darin, Russland die Schuld an den Lagerhausexplosionen zu geben. Und als Russland protestierte und Beweise verlangte, hat Prag als überzeugendes Argument unsere Diplomaten ausgewiesen. Wie soll man sich da nicht wie Schwejk fühlen?

„Einmal in Nuslach, als ich nachts vom „Banzet“ zurückkam, kam ein Herr auf mich zu und schlug mir mit einem Stock auf den Kopf. Ich fiel zu Boden, und er sah mich an und sagte: „Ein Fehler, das ist er nicht!“ Dieser Fehler machte ihn so wütend, dass er den Stock nahm und mir nochmal auf den Rücken schlug“, schreibt Hašek.

Und die öffentliche Meinung in der Tschechischen Republik wird heute nach der Logik der Vermieterin Frau Mullerova bearbeitet, die sich sehr darüber wunderte, dass Schwejk nach den Verhören so schnell zurückkehrte, und sie schon einen neuen Mieter reingelassen hatte: „Wir hatten hier drei Durchsuchungen, und nachdem nichts gefunden wurde, sagten sie, dass es schlecht um Ihren Fall steht, weil das alles darauf hindeutet, dass Sie ein erfahrener Verbrecher sind.“

Und noch eine Beobachtung des braven Soldaten Schwejk, die für das heutige Tschechien aktuell ist: „Ja, es ist knifflig, irgendwo hinzukommen. Aber jeder kann hineinkommen, aber wieder herauszukommen, darin liegt die wahre Kriegskunst. Wenn ein Mensch irgendwo reingeht, muss er wissen, was um ihn herum passiert, damit er nicht in der Pfütze namens Katastrophe landet.“

Die Tschechische Republik sitzt in „der Pfütze namens Katastrophe.“ Und da wieder herauszukommen, wird eine echte Kunst sein. Bisher sieht es nicht danach aus, als ob das klappt.

„Es entsteht der Eindruck, dass die tschechischen Behörden nicht nur nicht in der Lage sind, eine objektive Untersuchung durchzuführen, sondern auch nicht in der Lage sind, eine logische Kette der Schandtaten zu bilden, die in ihrem eigen Land geschehen sind. Nur eine Tatsache ist in dieser ganzen Geschichte offensichtlich: In einer Situation der totalen Verwirrung konnte man in Prag nichts Besseres tun, als zu versuchen, die Schuld dafür auf Russland, den notorischen „äußeren Feind“, zu schieben.“, sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa.

Wie der tapfere Soldat Schweik sagte: „Das Wichtigste ist, sich klar auszudrücken.“ Daran mangelt es in Prag eindeutig. Wie bei Hašek ist die Idiotie überwältigend.

Ende der Übersetzung

An dieser Stelle noch eine Empfehlung von mir. Ich verlinke hier die in meinen Augen beste Verfilmung der Geschichte des braven Schwejk. Ich verlinke den ersten Teil.

Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk S01E01 Folge 01
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

5 Antworten

    1. Ps: Hab gerade auf Ebay die DVDs (gab eine ZDF-Edition mit 4 DVDs aller 13 Filme) für lächerliche 8 Euro geschossen. Also wer sich interessiert: Die Filme gibts für ein Trinkgeld!

  1. Für die jüngeren Leser müsste man wahrscheinlich erklären, worum es bei Schwejk eigentlich geht, Schwejk steht für einen eher slawisch geprägten Bürger des Kaiserreiches (Österreich-Ungarn), der sich durchs Leben trickst und zum Beginn des Ersten Weltkrieges mehr oder weniger gewzwungenermassen wieder in die Armee eintritt. Die slawischen Bürger hatten aber überhaupt kein Interesse daran, gegen andere Slawen oder Russen zu kämpfen. Das darf man auch nicht falsch verstehen, diese Leute hätten schon ihre Heimat verteidigt, waren aber nicht so dumm, jubelnd ihr Leben für einen Angriffskrieg aufs Spiel zu setzen. Der Protagonist selbst ist hinreichend intelligent, er durchschaut spielend alles, was ihm an Menschen oder Sachverhalten begegnet. Aber er lebt in einem gestörten, durchgeknallten, bürokratischen System (ähnlich wie heute) und so stellt er sich grundsätzlich blöd, macht Dienst nach Vorschrift und führt Anweisungen immer wörtlich aus, egal wie sehr es dann schiefläuft.

    Es gibt genug historische Berichte von damals, daß die eher slawischen Truppenteile des Kaiserreiches mehr oder weniger den Kampf verweigert haben, z.B. immer daneben geschossen haben, das ging so weit, daß die KuK-Generäle dann z.B. deutsche Truppen angefordert haben, die die slawischen Truppen ablösen sollten.

    1. Danke für die Ergänzung!

      Man sollte noch erwähnen, daß Schwejk kein wirklicher Widerständler ist, sondern im Gegenteil ein Patriot, der mit seiner entwaffnenden Ehrlichkeit das System ein aufs andere Mal vorführt, das als typischer Repressionsapparat darauf nicht eingerichtet ist. So meldet er sich gleich zu Beginn der Geschichte freiwillig zu den Waffen, bekennt aber auch ehrlich, schweres Rheuma zu haben, was ihn schrecklich verdrieße. Prompt landet er als „Simulant“ in einer geschlossenen Abteilung eines Militärspitals….

Schreibe einen Kommentar