Wie in Russland über die Veränderungen des Tourismus nach Corona berichtet wird

Die Frage, wie es nach der Pandemie mit dem Tourismus weitergeht, wird auch in Russland diskutiert. Immerhin sind die Russen eines reise-verrücktesten Völker der Welt.

Ich erlebe es fast täglich, denn es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Freund oder eine Freundin mich anruft und fragt, wann denn endlich die Grenzen wieder geöffnet werden. Schließlich bin ich Ausländer und außerdem beschäftige ich mich täglich mit internationalen Nachrichten, also muss ich sowas ja wissen und werde danach gefragt.

Die Russen sind verrückt nach Reisen und wenn ich sehe, wie viele Länder manche junge russische Freunde bereits bereist haben, dann sind das sehr beeindruckende Listen. Du willst in die Sonne? Kein Problem, viele sind – vor Corona – aus Petersburg einfach für ein langes Wochenende in Türkei geflogen. Auch Städtereisen sind populär. Ein Wochenende in Barcelona oder Prag haben viele schon spontan gebucht. Und ich rede nicht von reichen Leuten, sondern von jungen Leuten, teilweise Studenten.

Die Grenzschließung ist für viele fast wie ein Weltuntergang, so sehr sind sie es hier in Petersburg gewöhnt, zu reisen. Finnland und Estland sind nur drei Autostunden entfernt und ein Wochenende in Helsinki oder Tallin wurde vor Corona so spontan beschlossen, wie ein Besuch bei den Nachbarn.

Da ist es kein Wunder, dass gerade in Russland – ähnlich wie in Deutschland – in den Medien viel darüber berichtet und spekuliert wird, wann man wieder reisen kann und wie sich der Tourismus verändern wird. Dazu habe ich einen Beitrag des russischen Fernsehens übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Post-Corona-Tourismus: Können wir reisen, wie früher?

Die Russen sollten auf Touristenreisen ins Ausland verzichten. Doch wie sich herausstellt, planen einige Menschen schon ab dem 1. Juni, das Land zu verlassen. Die größte Nachfrage unter den Zielen im Ausland gibt es bei Reisen nach Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan, Kirgisistan, Georgien, Armenien, Belarus, Ukraine und Moldawien. Im Juli wollen Russen versuchen, nach Israel, Deutschland und Zypern zu gelangen. Einige haben bereits für Dezember einen Urlaub in Thailand geplant.

Die meisten Flüge sind jedoch nicht für touristische Zwecke bestimmt. Darüber hinaus haben Umfragen zufolge zwei Drittel der Russen nicht die Absicht, in den nächsten sechs Monaten das Land zu verlassen. (Anm. d. Übers.: Bei den oben genannten Reisezielen, alles ehemalige Sowjetrepubliken, dürfte es sich um geplante Reisen von Einwanderern handeln, die ihre alte Heimat und ihre dort gebliebenen Familien und Freund besuchen wollen. Es sind also keine touristischen Reisen)

Auf Reisen zu verzichten ist ein weltweiter Trend. Nach den optimistischsten Prognosen wird die Zahl der Touristen auf dem Planeten im Jahr 2020 um ein Drittel zurückgehen. Andere Schätzungen deuten darauf hin, dass die weltweiten Touristenströme um 70 Prozent zurückgehen könnten. Noch nie in der modernen Geschichte hat es einen solchen Rückgang in diesem Bereich gegeben.

Um Touristen anzulocken, sind einige Länder bereit, im Vorgriff auf die Aufhebung der Beschränkungen aufgrund des Coronavirus beispiellose Maßnahmen zu ergreifen. So sind die zypriotischen Behörden beispielsweise bereit, die Kosten für die Behandlung von Touristen vollständig zu übernehmen, wenn sie auf der Insel erkranken. Ausschließlich für ausländische Gäste wurde bereits ein Krankenhaus mit hundert Betten und Intensivstation und 200 Beatmungsgeräten eingerichtet.

Es ist klar, dass der Tourismus nach der Pandemie in naher Zukunft nicht derselbe sein wird, wie früher. Zum Beispiel kann ein so genannter Gesundheitspass eine Voraussetzung für die Einreise nach Griechenland werden. Einfach ausgedrückt, ist das ein Zertifikat darüber, dass man keine COVID-19-Infektion hat.

Eine große portugiesische Hotelkette lagert große Mengen von Desinfektionsmitteln ein und plant, das kalte Buffet aufzugeben. Lebensmittel können nur von der Speisekarte bestellt werden.

In Italien wird eine Vorreservierung von Sitzplätzen am Strand eingeführt. Die Anzahl der Sonnenliegen wird abnehmen, der Abstand zwischen ihnen wird zunehmen und vielleicht werden zwischen ihnen sogar Wände aus Plexiglas aufgestellt.

Viele Flughäfen auf der ganzen Welt führen neue Regeln ein: Kameraüberwachung, ständige Desinfektion, Messung der Temperatur der Passagiere, Installation zusätzlicher Terminals für den automatischen Check-in für den Flug.

Am internationalen Flughafen von Hongkong wird zum Beispiel Gerät getestet, die in 40 Sekunden eine vollständige Desinfektion durchführt und alle Viren und Bakterien auf der Kleidung und Haut der Passagiere abtötet.

Die russische Regierung bittet die Menschen darum, auf alle nicht unbedingt notwendigen Auslandsreisen zu verzichten. Wer das Land verlässt, muss bei der Rückkehr auf eigene Kosten eine zweiwöchige Quarantäne einhalten. Das geschieht, um eine zweite Welle der Epidemie zu vermeiden, die zusammen mit den ausgeruhten, gebräunten, aber kranken Landsleuten zu uns kommen könnte. Schließlich ist das Coronavirus aus dem Ausland nach Russland gelangt. Nur dank der früh ergriffenen Maßnahmen zur Grenzschließung konnten wir Zeit gewinnen und den Ausbruch der Epidemie verzögern.

Wenn Sie also unbedingt reisen wollen, lohnt es sich in diesem Sommer, auf inländischen Tourismus zu setzen.

„Wir haben die Regierung jetzt gebeten, dem inländischen Tourismus den Status eines nationalen Projekts zu verleihen. Er macht 15 bis 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Das sind Arbeitsplätze. Es geht nicht nur um Hotels, Fluggesellschaften oder Reisebüros, die Touren verkaufen. Es geht um Cafés, Bars, Restaurants, Wäschereien, Reiseführer, Flugzeuge, Züge, Kleinbusse“, erklärt Igor Blinov, Leiter der Abteilung Geschäftsentwicklung des nationalen Netzwerks von Reisebüros OnlineTur.ru.

Experten meinen, dass die globale Quarantäne und die Beschränkungen für Flüge der Entwicklung des inländischen Tourismus einen ernsthaften Impuls geben können. Glücklicherweise gibt es viele schöne Orte in Russland, die einen Besuch wert sind.

Ende der Übersetzung

In Russland gibt es tatsächlich unglaublich viele lohnende Reiseziele und der Tourismus innerhalb Russlands wächst ständig. Laut dem Guest-Review-Award von Booking.com gehören viele russische Städte, was die Bewertungen der Hotels angeht, inzwischen zu den weltweit führenden Städten. Und Russland kann – außer tropischen – alle Arten von Klimazonen bieten. Man kann Ski fahren, am Schwarzen Meer Strandurlaub machen, Naturwunder wie den Baikalsee oder das Altaigebirge besuchen, es gibt Kulturwunder in Petersburg zu sehen oder man kann Moskau besuchen, das manche schon mit New York vergleichen und auch der „Goldene Ring“ von alten russischen Städten rund um Moskau ist eine beeindruckende Erfahrung. Die Liste der wirklich interessanten Reiseziele in Russland ist lang.

Eine Freundin – die wie ich auch – zum Arbeiten nichts weiter braucht, als ihren Computer und eine Internetverbindung, plant eine monatelange Reise mit dem Auto durch Russland, um sich all die vielen kleinen Städte und verschiedenen Naturwunder des Landes in Ruhe anzuschauen. Und sie ist fleißig dabei, mich zu überreden, die Reise mit ihr zusammen zu machen. Dabei rennt sie allerdings offene Türen ein. Gut möglich, dass wir – wenn die Corona-Einschränkungen beendet werden – auf diese Reise gehen und ich dann, neben den gewohnten politischen Artikeln, in der Rubrik „Russlandblog“ auch regelmäßig Reiseberichte aus Russland veröffentlichen werde.

Für alle, die Russland noch nicht kennen, hier ein paar kurze Videoeindrücke (leider auf Englisch, aber die Bilder sprechen für sich).

Als erstes eine Top-10-Liste der interessantesten Reiseziele:

10 Best Places to Visit in Russia - Travel Video

Hier ein Erlebnisbericht über den ersten Tag in Russland (und zwar in meiner Wahlheimat St. Petersburg):

MY FIRST DAY in RUSSIA | St Petersburg Travel Guide

Der Spaziergang über die Dächer von St. Petersburg, den man in dem Video sehen kann, ist eine halblegale Touristenattraktion in Petersburg. Die Veranstalter haben auf den glatten Metalldächern extra asphaltartige Matten verlegt, damit man nicht abrutschen kann. Ich war übrigens erst gestern mit Freunden auf einem Dach im Zentrum von Petersburg unterwegs. Wir hatten uns bei Freunden, die solche Touren veranstalten, zum Grillen auf dem Balkon getroffen und sind spontan für eine halbe Stunde auf´s Dach gestiegen, um die Aussicht zu genießen.

https://www.facebook.com/AntiSpiegel/videos/1136120436750884/?xts[0]=68.ARCKav4cMLg3sU5ZBnOLBpyJBduW5efAioaiuIyfIZB7uyDwDGTJ3ZbJDbmYmorhQBgCCperHiD4uOdgUQb79J13iKiCVFDiWWWfEvymHTBIAJaZp0X6_7SPK5JSO-Q45wblUAJJV2vhKBt2E-SgLJJJMkGkce0lINs5RSOpVktY_ehlWan6vyB_wS78KAYN7JRITDV0SRhxxftqwlg87psiRzKwGGJ81GrcdTxqSPcmCa1arm1J2fC01aHbc_zzAEr78S3PpSiySqTZMSG_pXsZWct9b7FwqShZAYQzZGOzH8rpuP3gSwTm4TycsQgzT54KU8-pEUA9GdHvaZ-DB4l-A23aNOm-XTDm6w&tn=-R
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Eine Antwort

  1. Ja, wenn ich noch so wie früher könnte dann………
    Aber wie man hier in Europa sieht buhlt man vornehmlich um fremde Touristen als um die eigenen Landsleute und das wundert mich doch schon. Ist mit den eigenen Landsleuten nicht so viel Geld zu machen oder warum ist das so? Bei Disneyland Paris hat man das ja mal nachgewiesen. Da waren die über die .de fast alle Angebote teurer als auf der .fr.
    Oder ist der Besuch bei der „weggesperrten Oma“ im entfernte Alten/Pflegeheim doch nur ein vorgeschobener Grund und nicht der Grund für die Erkenntnis wie wertvoll Lebenszeit und Familie ist?
    Wir haben Nord -und Ostsee Strände, die Mecklenburger Seenplatte, die Müritz bis zum Bodensee, wir können von Nord nach Süd wandern, klettern und vieles mehr. Wir könnten Museen besuchen von Völkerkunde, Meereskunde,Technik bis Kunst und Schätze und nebenbei erfahren das Sachsen und Thüringen nicht Naziland sind, das Norddeutsche nicht grimmiger sind als der Rest der Republik.
    Und doch sollen es die Bettenburgen irgendwo sein, wo man Plattenbau sonst so verachtet.
    Oder bedeutet der Ruf nach Urlaubsziele fern der Heimat doch nichts mehr als mein Auto, mein Haus, mein Boot ? Urlaub als Statussymbol?
    In der Sonne brutzeln kann ich überall da muss ich nicht 1000e km reisen wenn mich Land und Leute nicht interessieren, wenn ich eher im Hochsicherheitstrakt bleibe weil es „draußen“ zu gefährlich ist.

    Anstatt nach der Ferne zu rufen helft lieber im Inland dann muss man auch nicht klagen das immer mehr Kredite von der Regierung ausgereicht werden, das die Kurz-oder Arbeitslosigkeit steigt.

    Also jetzt ist die Zeit für Erfindergeist, Flexibilität und Unternehmertum, statt jammern auf hohem Niveau.

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