Unfreiwillig komisch: Ein Spiegel-Zitat über das korrupte Bulgarien trifft exakt auf Deutschland zu

In Bulgarien gibt es Proteste und eine Staatskrise. Ein Spiegel-Artikel darüber hat mich (sicher unfreiwillig) zum Lachen gebracht. Vielleicht lachen Sie mit mir mit? Vielleicht bleibt Ihnen das Lachen aber auch im Halse stecken.

Zu den Protesten in Bulgarien kann ich nicht viel sagen. Ich hatte vor fast zwanzig Jahren beruflich viel in dem Land zu tun und verstehe sogar noch ein wenig Bulgarisch, aber über die heutige Situation kann ich wenig berichten. Fakt ist, das Land war damals, als ich dort zu tun hatte, korrupt, und Fakt ist auch, dass sich daran wohl nur wenig geändert hat. Und nun kommt es in dem Land deswegen eben mal wieder zu Protesten.

Der Spiegel hat heute unter der Überschrift „Proteste in Bulgarien – Korrpution, Machtmissbrauch – und dann dieses Video“ ausführlich über die Lage in Bulgarien berichtet. Lachen musste ich, als ich in dem Artikel folgendes gelesen habe:

„Rechtssicherheit ist vom Wohlwollen der Machthaber abhängig, der Justizapparat steht weitgehend unter politischer Kontrolle. Korruptionsfälle werden nur selten geahndet, Journalisten, die darüber berichten, bedroht.“

Da denkt sich der Spiegel-Leser „Das müssen ja Zustände sein in dem Land!“

Leider kann man exakt das gleiche über Deutschland sagen. Das glauben Sie nicht? Dann werde ich es Ihnen – unter Verweis auf deutsche Gesetze – aufzeigen, denn in Deutschland herrschen nicht nur die vom Spiegel genannten Zustände, sie sind sogar in Gesetzen festgeschrieben.

Rechtsstaat

Zum Rechtsstaat gehört eine unabhängige Justiz. Vor dem Gesetz muss jeder gleich sein, wie es heißt. Und das ist in Deutschland nicht gegeben. Im Gegenteil, in Deutschland herrscht das, was der Spiegel über Bulgarien schreibt: „Der Justizapparat steht weitgehend unter politischer Kontrolle„. Wobei das Wort „weitgehend“ falsch ist, der Justizapparat steht in Deutschland vollständig unter politischer Kontrolle.

Das können wir im deutschen Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) nachlesen. In Paragraf 146 heißt es:

„Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen.“

Und Paragraf 147 legt fest, wer der Vorgesetzte ist: Der jeweilige Justizminister, also die Politik.

Die Richter sind nach deutschem Recht unabhängig, das stimmt. Der Trick ist also, dafür zu sorgen, dass ein Fall gar nicht erst bei Gericht landet. Und das wird in der Praxis getan, indem die Justizminister den Staatsanwälten verbieten, in bestimmten Fällen zu ermitteln. Und das ist in Deutschland völlig legal. Und von dem Recht wird reichlich Gebrauch gemacht.

Beispiele gefällig?

Bitte sehr: Nehmen wir den bekanntesten Fall, die Barschel-Affäre. Es ist allgemein bekannt, dass die zuständige Staatsanwaltschaft Lübeck in dem Fall nicht ermitteln durfte, weil das schleswig-holsteinische Justizministerium das untersagt hat.

Oder nehmen wir was aktuelleres: Die Berateraffäre von Ursula von der Leyen. Dort gab es einige Strafanzeigen gegen Uschi, aber passiert ist nichts. Und das, obwohl im Untersuchungsausschuss sogar die Regierungsparteien nicht bestreiten, dass in dem Ministerium massiv gegen deutsche Gesetze verstoßen wurde, es geht dabei auch um Straftaten wie Vorteilsgewährung, Veruntreuung und so weiter. Aber kein Staatsanwalt darf in der Sache ermitteln und Uschi bleibt straffrei.

Oder noch aktueller: Nehmen wir Amthor. Der hat sich bezahlen lassen, um einer US-Firma Kontakte zur deutschen Regierung zu verschaffen. Auch da stehen Straftatbestände im Raum. Aber ermittelt die Staatsanwaltschaft? Nein, der Bundestag prüft das und wir dürfen ganz gespannt sein, was dabei wohl rauskommt.

Rauskommen wird dabei gar nichts, denn die Politiker haben sich doppelt abgesichert. Neben dem Schutz durch Paragraf 146 GVG haben sie sich auch noch einen eigenen Paragrafen im Strafgesetzbuch geschaffen. Normalsterbliche werden für Korruption gemäß den Paragrafen 331 bis 335 StGB bestraft, für Politiker gilt ein eigener Paragraf, nämlich 108e. Und wer den genau liest, der stellt fest, dass Abgeordnete in Deutschland bei Korruption straffrei bleiben. Die Details finden Sie hier.

Daher haben auch Strafanzeigen gegen Politiker keinen Sinn. Wie viele Strafanzeigen wurden in den Jahren gegen Merkel gestellt? Es wurde aber nie ein Verfahren gegen Merkel eingestellt und zwar aus einem einfachen Grund: Es wurde nie eines eröffnet. Nicht einmal das. Man hätte es ja eröffnen und dann gut begründet wieder einstellen können, aber nicht einmal das passiert.

All das ist nicht meine wirre Verschwörungstheorie, das hat sogar der Europäische Gerichtshof im Mai 2019 offiziell in einem Urteil verkündet. Deutsche Staatsanwälte dürfen seit dem keine europäischen Haftbefehle mehr ausstellen, weil der Europäische Gerichtshof festgestellt hat, dass man nicht sicher sein kann, ob ein deutscher Haftbefehl nicht in Wahrheit politische anstatt strafrechtliche Gründe hat. Wenn Sie das nicht glauben, lesen es hier – inklusive Link zur Urteilsbegründung – nach.

Und auch dafür, dass politisch begründete Haftbefehle gegen Unschuldige in Deutschland erlassen werden, gibt es Beispiele. Das aktuellste Beispiel ist Alexander Onischenko, der vier Tage bevor er eine politisch brisante Pressekonferenz geben sollte, verhaftet wurde. Er saß dann die maximal zulässige Zeit von sechs Monaten in einer deutschen JVA, ohne einen Richter zu Gesicht zu bekommen.

Wenn man das alles weiß, passt dann der vom Spiegel despektierlich geäußerte Zustandsbericht über Bulgarien auch zu Deutschland? Zur Erinnerung:

„Rechtssicherheit ist vom Wohlwollen der Machthaber abhängig, der Justizapparat steht weitgehend unter politischer Kontrolle. Korruptionsfälle werden nur selten geahndet“

Sicherheit von Journalisten

Bleibt noch folgender Satz im Spiegel über Bulgarien:

„Journalisten, die darüber berichten, (werden) bedroht“

Ob in Deutschland Journalisten, die über Korruption berichten, bedroht werden, weiß ich nicht. Mir ist kein Fall bekannt, aber das muss nichts heißen, denn – wie gesehen – hat die Politik Korruption für sich in Paragraf 108e StGB de facto legalisiert.

Aber das Journalisten bedroht werden, ist ein Phänomen, dass es auch in Deutschland gibt. Und ausgerechnet der Spiegel gehört zu jenen, die das anheizen und deutsche Journalisten in Gefahr bringen.

Man kann zu Ken Jebsen stehen, wie man will, aber er ist ein Journalist. Und es ist kein Geheimnis, dass Ken Jebsen schon bedroht wurde und dass es auch Angriffe auf ihn gegeben hat. Und was hat der Spiegel getan? Er hat eine Hetzkampagne gegen Jebsen losgetreten und seinen Klarnamen veröffentlicht (Ken Jebsen ist ein Pseudonym) und in Spiegel-TV sogar die Klingelschilder von Jebsen und seiner Firma gezeigt. Wenn das keine Einladung an Radikale ist, Ken Jebsen mal „zu besuchen“, was ist das dann?

Entscheiden Sie selbst. In wieweit passt das Spiegel-Zitat über Bulgarien auch auf Deutschland? Zur Erinnerung noch einmal das komplette Zitat:

„Rechtssicherheit ist vom Wohlwollen der Machthaber abhängig, der Justizapparat steht weitgehend unter politischer Kontrolle. Korruptionsfälle werden nur selten geahndet, Journalisten, die darüber berichten, bedroht.“

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

6 Antworten

  1. Herr Röper, ich habe dann mal doch ihren Psiram Eintrag gelesen.

    Was soll ich sagen? Das ist an Komik kaum zu überbieten.
    Das Highlight war der Vorwurf, dass sie kein Impressum haben. Psiram als seriöse Diffamierungsplattform hat sowas natürlich, ach, ne, doch, oder? LOL ;D

  2. @ Thomas Röper
    Hier passt was nicht.

    (..) Er saß dann die maximal zulässige Zeit von sechs Monaten in einer deutschen JVA, ohne einen Richter zu Gesicht zu bekommen.(..)
    ( Die Formulierung läßt Raum für Interpretation insoweit, dass dies tatsächlich möglich wäre aufgrund Gesetzeslücke oder sonstiges. Dem ist jedoch nicht so)

    Die zulässige Zeit von 6 Monaten bezieht sich ausschließlich auf das deutsche Strafgesetzbuch. Die Vorführung vor den zuständigen Richter ist zwingend erforderlich. Auch die mündliche Verhandlung bei Haftprüfungsantrag ist zwingend. Entsprechende Vorschriften zwingen den Anstaltsleiter auf genaueste Überprüfung der Formalien. ( Wobei die Haftprüfung von Amts wegen eingeleitet werden muss, durch die JVA.

    Heißt: Onischenko wurde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit doch einem Richter vorgeführt. Wobei die Formalität für die Anstaltsleitung auch dann erledigt ist, wenn der Vorzuführende auf die persönliche Vorführung verzichtet, weil er von einem Rechtsanwalt vertreten wird. ( Gauweiler)

    Allerdings…. besaß die JVA Oldenburg von 2018 ( Gerd Koop wurde pensioniert) bis zum 9. Januar 2020, dass die Justizministerin Barbara Havliza. den neuen Leiter der JVA Oldenburg, Marco Koutsogiannakis, in sein Amt eingeführt hatte, keinen Anstaltsleiter, der öffentlich aufgeführt wird.

    https://www.justizvollzugsanstalt-oldenburg.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/veranstaltungen/neuer-leiter-der-jva-oldenburg-ins-amt-eingefuhrt-184084.html

  3. Wo bleibt da eigentlich die Zwitscher-Community? Das wäre doch mal einen Shitstorm wert…
    Bei jedem kleinen Mist ist die Entrüstung groß, siehe „Umweltsau-Oma“, aber wenn es um wirklich wichtige Sachen geht, herrscht das Schweigen im Walde. Wobei BLM momentan wichtiger ist, da gibt es ja noch soviel Strassen die zwingend umbenannt werden müssen und ist diese Schweißtreibende, für massenhaft Fingerarthrose sorgende Tätigkeit endlich abgeschlossen, wird mit Sicherheit schon wieder die nächste für ehrliche Entrüstung sorgende Oberflächlichkeitssau durch den Orbit gejagt…

  4. Wenn man verschiedenen Quellen glauben soll, z.B. den Demokraten dann folgt jetzt die Ukraine einem Plan der von Trumps Anwalt ausgeheckt wurde.
    Die Ukraine mit Selensky wurde da mit reingezogen weil Hilfe gegen Ermittlungen auf dem Plan standen. Nun ermittelt die Ukraine wie gewünscht und steht jetzt als Trumps Gehilfe da. Und immer am Tisch diverse US Strippenzieher.
    Glaubt man den Sozis dann ist der Friedensnobelpreisträger Obama in Wirklichkeit ein vorsätzlicher Kriegstreiber weil er aktiv an der Umwidmung der UN beteiligt war.
    Welch Ironie, waren es doch Russland und China die das immer angeprangert haben.
    Das wichtigste ist, mit der Veröffentlichung von Onischenko steht nach der Lesart der Demokraten die Ukraine wieder als korrupter Staat da.

  5. Bananenrepublik Deutschland. Aber die anderen Länder bringen ihre high performer ja auch nicht vors Gericht. Blair oder Sarkozy laufen auch noch frei rum. Aber die deutschen haben wohl in ihrer Gründlichkeit das ganze auch noch schön in Gesetze gegossen.

  6. „Die Richter sind nach deutschem Recht unabhängig, das stimmt. Der Trick ist also, dafür zu sorgen, dass ein Fall gar nicht erst bei Gericht landet“

    Nun ja…so richtig wirklich trifft auch das nicht zu, denn anders als in Italien, wo Richter unabhängig von der Legislative und Exekutive ins Amt berufen werden, passiert das in Deutschland nur unter Einfluss und dem Wohlwollen beider…wenn also mal wieder ein Richter auf den Gedanken käme der Regierung auf die Pfoten zu klopfen, dem ergeht es wie dem Richter Christian Dettmar am Amtsgericht Weimar…dem schickt man seine staatlichen Erfüllungsgehilfen (Polizei) zur zwangsverordneten Hausdurchsuchung und leitet ein Ermittlungsverfahren wegen Rechtsbeugung gegen ihn ein…eben dieser hatte es gewagt die Coronamaßnahmen in Frage zu stellen und verfügte für mehrere Schulen eine Befreiung von der Gesichtswindel…heisst also: Der Richter der es wagt gegenüber der Regierung Rückgrad zu zeigen, der verliert seinen Posten, wird zurückgestuft, bei Beförderung übergangen ect…

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