Jahrespressekonferenz: Putin über die russische Unterstützung für den Donbass

Der Spiegel hat in einem Artikel über mehrere Themen von Putins Jahrespressekonferenz berichtet und in der Überschrift die russische Unterstützung für den Donbass zum Thema gemacht. Daher übersetze ich Putins Antwort zu dem komplett und wir vergleichen sie mit den Aussagen im Spiegel.

Den Spiegel-Artikel mit der Überschrift „Putins große Jahrespressekonferenz – Russland will Separatisten in der Ostukraine stärker unterstützen“ werden wir in den nächsten Tagen noch öfter anschauen, da der Spiegel dort über mehrere Antworten Putins auf der Jahrespressekonferenz berichtet hat. Hier schauen wir uns zunächst das Thema Donbass und Ukraine an, dann die Aussagen Putins und anschließend, was der Spiegel berichtet hat.

Beim Thema Ukraine und Donbass haben wir es mit einem komplexen Thema zu tun, in dessen Kern das Abkommen von Minsk steckt. Westliche Medien und Politiker werfen Russland immer vor, gegen das Abkommen zu verstoßen. Das ist schon deshalb Blödsinn, weil Russland in dem Abkommen weder genannt wird, noch das Abkommen als Partei unterzeichnet hat. Wie kann man gegen ein Abkommen verstoßen, in dem man gar nicht Vertragspartei ist, in dem man nicht erwähnt wird und in dem an einen keine Forderungen gestellt werden? Die Details des Abkommens finden Sie hier.

Es ist in Wahrheit Kiew, das gegen zehn der dreizehn Punkte des Abkommens verstößt, denn in dem Abkommen hat sich Kiew zu Schritten verpflichtet, die dann wiederum Schritte der Rebellen zur Folge haben sollen und in dieser Kombination dann zu einem Ende des Bürgerkriegs führen sollen. Aber Kiew hat keinen einzigen der versprochenen Schritte umgesetzt. Daher gab es bei dem Treffen im Normandie-Formats vor einem Jahr auch keinen Durchbruch, obwohl Selensky bei seiner Wahl mit dem Versprechen angetreten ist, den Konflikt zu lösen. Aber schon direkt nach dem Treffen ist er wieder zurückgerudert und hat die wenigen Einigungen bereits wieder in Frage gestellt. Mehr noch: Inzwischen gibt es in Kiew immer häufiger Stimmen von Regierungsmitgliedern, die das Abkommen umschreiben wollen, anstatt es umzusetzen. Das jedoch wird nicht nur von Russland abgelehnt, sondern auch von Deutschland und Frankreich, die das Abkommen zusammen mit Russland ausgehandelt haben.

Um dieses Thema ging es bei der Frage einer Journalistin aus Rostow am Don, der russischen Grenzregion zum Donbass, wo man die Folgen des Krieges jenseits der Grenze deutlich zu spüren bekommt. Ich habe die Frage und Putins Antwort übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Sofia Brykanova: Guten Tag! Vielen Dank für die Gelegenheit, eine Frage zu stellen.

Wladimir Wladimirowitsch, ich habe eine Frage, die wahrscheinlich traditionell für Ihre Pressekonferenzen ist, die Frage über den Donbass. Für unsere Region ist sie immer aktuell.

Moderator: Stellen Sie sich vor, bitte.

Sofia Brykanova: Entschuldigung, Sofia Brykanova, Nachrichtenagentur Don-24.

Die Frage ist, wie sehen Sie die Aussichten für eine Lösung des heutigen Konflikts in der Republik Donbass und welche Aussichten sehen Sie für die Entwicklung der Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine?

Vielen Dank.

Wladimir Putin: Was die Aussichten für die Entwicklung der Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine betrifft, so hängt dies zum entscheidenden Teil von der ukrainischen Regierung ab, ich spreche nicht von der Ukraine, sondern von der ukrainischen Regierung. Schließlich kamen fast alle früheren Staatsoberhäupter, und übrigens auch der Amtsinhaber Wladimir Selensky, mit dem Slogan an die Macht, den Konflikt im Donbass zu beenden, und das Land einigen zu wollen, was letztendlich auch den Aufbau der Beziehungen zu Russland bedeutet. Aber bisher klappt das nicht, denn wenn sie an die Macht wollen, bauen sie auf die Mehrheit des Volkes und die Mehrheit der Wähler, aber wenn sie dann an die Macht kommen, beginnen sie schon ein wenig zu zögern und schauen ständig auf die extremen nationalistischen Kräfte, nun, ich denke, sie haben nicht genug politischen Mut. Und der Prozess tritt auf der Stelle.

Dasselbe geschieht jetzt. Gott sei Dank haben wir uns bei dem Treffen in Paris im Rahmen des „Normandie-Formats“ auf eine Einstellung der Feindseligkeiten geeinigt. Und die wird wirklich respektiert, das ist eine wirklich großartige Leistung, und es hat einen Austausch von Gefangenen gegeben.

Aber die Blockade der Wirtschaft und des sozialen Bereichs wird nicht aufgehoben. Im Hinblick auf eine politische Lösung ist in der Tat nichts geschehen. Darüber hinaus haben Offizielle in Kiew wiederholt öffentlich erklärt, dass sie das Minsker Abkommen nicht umsetzen werden, und seine grundlegenden Bestimmungen in Frage gestellt.

Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass das Minsker Abkommen durch die entsprechende Resolution des UN-Sicherheitsrates bestätigt wurde und daher den Status des Völkerrechts erworben hat, so dass einseitig nichts revidiert werden kann. Es ist notwendig, die andere Partei, die dieses Dokument unterzeichnet hat, nämlich die Vertreter des Donbass, mit Respekt zu behandeln.

Daher ist meiner Meinung nach eine Einigung unvermeidlich, früher oder später wird es dazu kommen. Die Frage ist, wann. Das hängt, ich wiederhole es noch einmal, in hohem Maße von der heutigen ukrainischen Regierung ab.

Russland hat den Donbass unterstützt und wird ihn unterstützen. Wir werden sogar unsere Unterstützung für den Donbass verstärken. Dies gilt für die Aufrechterhaltung der Produktion, die Lösung sozialer Probleme, für Fragen der Infrastruktur und so weiter. In diese Richtung werden wir auch weiterhin in Ruhe gehen. Wir kennen die Situation, die sich im Donbass entwickelt hat, zweifellos. Sie ist komplex, und ich wiederhole es noch einmal, nicht nur auf der humanitären Linie, sondern auch auf der Linie der direkten Zusammenarbeit werden wir dies auch weiterhin tun.

Ende der Übersetzung

Der Spiegel hat in seinem Artikel zwar verkürzt, aber – meiner Meinung nach – insgesamt korrekt berichtet. Trotzdem kann man die Berichterstattung des Spiegel kritisieren, denn der Spiegel-Leser erfährt zu den Hintergründen nichts. Im oben verlinkten Spiegel-Artikel steht dazu:

„In der Ostukraine stehen sich auch Jahre nach Beginn des Konflikts Regierungstruppen und prorussische Separatisten gegenüber. Nun hat Russland den Abtrünnigen in der Region weitere Hilfe versprochen.
»Wir haben den Donbass unterstützt und werden unsere Unterstützung sogar ausweiten«, sagte Kremlchef Wladimir Putin bei seiner großen Jahrespressekonferenz. Das betreffe die Industrie, die Infrastruktur und die Lösung sozialer Fragen. Details nannte Putin zunächst jedoch nicht.
In den Gebieten Donezk und Luhansk kämpfen seit mittlerweile mehr als sechs Jahren prorussische Separatisten gegen Regierungssoldaten. Kiew wirft Moskau vor, die Aufständischen auch mit Waffen und Militärpersonal zu unterstützen.“

All das ist korrekt, aber es fehlt der Hinweis auf Kiews andauernde Weigerung, die im Minsker Abkommen eingegangenen Verpflichtungen umzusetzen und es fehlt insbesondere der Hinweis auf die Hungerblockade, die Kiew gegen den Donbass verhängt hat und zu deren Beendigung Kiew sich im Februar 2015 in dem Abkommen verpflichtet hat. Das kann man in Punkt 8 des Minsker Abkommens nachlesen.

Die russische Hilfe für den Donbass ist also dringend nötig, weil Kiew seine eigenen Bürger – es ist ja Kiews Standpunkt, dass die Menschen im Donbass Ukrainer sind, die zurück unter Kiews Herrschaft gebracht werden sollen – durch die Blockade dem Hungertod ausliefert und sogar humanitäre Hilfe verbietet, die deshalb über die russische Grenze bei Rostow am Don gehen muss.

Aber davon erfährt der Spiegel-Leser nichts.


Wenn Sie sich dafür interessieren, wie Russland auf die Fragen der internationalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und ungekürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse.

https://anti-spiegel.com/2019/was-sagt-putin-selbst-zu-den-fragen-der-interbationalen-politk-hier-kommt-er-zu-wort/
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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