Coronavirus in Russland – Welche Maßnahmen wurden beschlossen und wie ist die Situation in Russland?

Da ich immer wieder gefragt werde, welche Maßnahmen in Russland wegen Corona gelten, will ich mal aus eigenem Erleben berichten.

In Russland wurde Ende März eine „arbeitsfreie Woche“ bis zum 5. April verkündet. So richtig arbeitsfrei war sie dann aber doch nicht, die Menschen sollten von zu Hause aus arbeiten, wenn möglich. Die Arbeitgeber sollten den Lohn weiter bezahlen, außerdem wurde alles geschlossen, was nicht lebenswichtig ist. Wie vor allem kleine Firmen die Lohnfortzahlung leisten sollen, bleibt rätselhaft. Zwar hat die Regierung eine Reihe von Hilfsprogrammen beschlossen, aber dabei geht es in erster Linie um den Erlass von Sozialabgaben und Steuern.

Gesundheitssektor, Behörden, ÖPNV, Logistik, Lebensmittelgeschäfte und Apotheken bleiben geöffnet, Restaurants, Bars, Cafes und so weiter wurden geschlossen.

Natürlich blieb es nicht bei der einen Woche. Schon Tage später wurde verkündet, dass man in den meisten Regionen Russlands nur noch zum Einkaufen, Arzt- und Apothekenbesuch aus dem Haus darf. Spaziergänge mit dem Haustier müssen in 100 Meter Umkreis des Hauses stattfinden. Obwohl die Anweisungen bindend sind und Bußgelder festgelegt wurden, kenne ich keinen Fall, in dem ein Polizist auch nur Fragen gestellt hätte. Eine Freundin von mir arbeitet am Flughafen und fährt daher mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit. Sie wurde noch nicht ein einziges Mal gebeten, den Bescheid vom Arbeitgeber vorzuzeigen, den man mitführen muss.

Russland ist, wie Deutschland auch, ein föderaler Staat. Das bedeutet, dass die Regionen (in Deutschland die Bundesländer) viele Vollmachten haben, selbst zu entscheiden, welche Maßnahmen getroffen werden. Das hat Putin auch ausdrücklich so bestätigt, weil die Regionen sich stark voneinander unterscheiden. Maßnahmen, die zu der quirligen 12-Millionen-Metropole Moskau passen, dürften kaum passend sein für fernöstliche Provinzen, wo es manchmal im Umkreis von hunderten Kilometern kein einziges Dorf gibt. Und umgekehrt.

Inzwischen wurde die „arbeitsfreie Woche“ inklusive der bindenden Aufforderung, zu Hause zu bleiben, bis Ende April verlängert.

Den Takt bei den Maßnahmen gibt die Stadt Moskau vor. Deren Bürgermeister Sergei Sobjanin ist auch Chef des russischen Krisenstabes im Kampf gegen Corona und überraschenderweise hat sich sogar die deutsche Presse, die sonst nie ein positives Wort über russische Regierungsverantwortliche verliert, in diesen Tagen positiv über seine Arbeit geäußert. Maßnahmen, die für Moskau beschlossen werden, werden von vielen russischen Regionen innerhalb weniger Tage übernommen.

Nun wurden die Maßnahmen weiter verschärft. Ab sofort braucht man in Moskau (und damit wohl demnächst in vielen Teilen Russlands) eine Genehmigung, wenn man öffentliche Verkehrsmittel nutzen, mit dem Taxi oder mit dem eigenen Auto fahren will. Diese Genehmigung kann man unter Angabe der Gründe für die Fahrt online einholen. Bei einer Kontrolle zeigt man dem Polizisten dann entweder den QR-Code auf dem Handy oder in ausgedruckter Form.

Genehmigungen für eine Fahrt zum Einkaufen kann man mehrmals die Woche einholen, sie gelten dann für einen Tag. Wer täglich zur Arbeit muss, bekommt eine Erlaubnis, die bis Ende April gültig ist. Fun Fact am Rande: Keine Genehmigung brauchen Polizisten, Beamte und Soldaten, bei ihnen reicht der Dienstausweis. Und noch eine Berufsgruppe darf sich in Russland, in dem die Presse ja angeblich so gegängelt wird, weiterhin frei bewegen, um ihrer Arbeit ungestört nachgehen zu können: Journalisten mit Presseausweis. Das freut mich ganz persönlich, weil ich einen russischen Presseausweis habe. Leider weiß ich aber nicht, wohin ich gehen sollte, denn es ist ja ohnehin alles geschlossen.

Allerdings war das Portal, das die „Passierscheine“ ausgibt, heute Ziel einer Bot-Attacke und teilweise kaum erreichbar.

Viele Russen nehmen die Quarantäne nicht ernst. Die Freundin, die am Flughafen arbeitet, erzählt, dass die U-Bahn – nachdem sie einige Tage leer war – inzwischen wieder ziemlich voll ist, wenn sie zur Arbeit fährt. Und auch aus dem Freundeskreis höre ich, dass sich die Leute nun zu Hause treffen. In Russland halten viele das Coronavirus für ein Fake. Bis auf jene – auch die habe ich im Bekanntenkreis – die bereits jemanden kennen, der infiziert ist, oder jene, die in Krankenhäusern arbeiten. Viele fragen sich nun, wann die russische Polizei beginnt, flächendeckend auf Einhaltung der Maßnahmen zu drängen.

Der Hostpot der Infektionen in Russland ist Moskau. Von 18.328 Infizierten in Russland entfallen 11.513 auf Moskau. Dort stößt das Gesundheitssystem bereits an seine Grenzen, wie die russischen Medien berichten. Auf sozialen Medien geht ein Video um, das eine kilometerlange Schlange von Notarztwagen zeigt, die demnach mit Corona-Infizierten auf Aufnahme vor einem Moskauer Krankenhaus warten. Allerdings lässt sich die Echtheit des Videos nicht verifizieren.

Noch gibt es in Russland Inlandsflüge, allerdings sind es nur noch wenige. Auch Züge fahren noch.

Ähnlich wie in anderen Ländern, in denen bereits mehr oder weniger offen darüber gesprochen wird, dass die Einschränkungen auch im Mai bestehen bleiben, dürfte das auch Russland bevorstehen, was jedoch viele in Russland noch gar nicht wahr haben wollen.

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

4 Antworten

  1. „Fun Fact“ – was soll denn das nun wieder. Mein Gott, die Großdeutschen (besonders dieser Typus, links oder grün maskierter Milchmädchenkosmopoliten, transatlantisch- imperialen Geistes) haben nicht einen Funken Selbstachtung.
    Jede Hühnerscheiße brabbeln sie nach, Hauptsache sie klingt englisch und kommt idealerweise noch aus Amerika.

    1. Man kan sich aber auch über jeden Mist aufregen, wenn man will. Und was das mit Selbstachtung zu tun haben soll, erschließt sich auch nicht. Übrigens kann man links sein, ohne ein grün maskierter „Milchmädchenkosmopolit“ zu sein und „links“ funktioniert hervorragend bei gleichzeitiger heftigster Ablehnung des transatlantischen Imperialismus.

  2. „…überraschenderweise hat sich sogar die deutsche Presse, die sonst nie ein positives Wort über russische Regierungsverantwortliche verliert, in diesen Tagen positiv über seine Arbeit geäußert.“

    „Russland ist, wie Deutschland auch, ein föderaler Staat. Das bedeutet, dass die Regionen (in Deutschland die Bundesländer) viele Vollmachten haben, selbst zu entscheiden, welche Maßnahmen getroffen werden. Das hat Putin auch ausdrücklich so bestätigt…“

    Nun so ganz ohne Kritik gehts in D. natürlich nicht. Auf web.de habe ich einen Artikel gelesen, in dem gerade dieses Verhalten Putins, die Regionen selbst entscheiden zu lassen, stark kritisiert und ihm als Schwäche ausgelegt wurde, so nach dem Motto: In der Krise verschwindet Putin in der Versenkung.
    Hmm… da frag ich mich, was war denn mit Mutti? Aber unsere Regierung zu kritisieren geht ja nun mal gar nicht…

  3. Das Virus ist ganz sicher kein Fake – allerdings auch keine todbringende Seuche.
    Hier in DE kennt Niemand jemanden, der „Infiziert“ ist, nur Leute, die mit Atemwegserkrankungen und subjektiv eingeschätzten Symptomen einen Test wollten, der verweigert wurde. In dt. Krankenhäusern und Pflegeheimen (letzteres in Berlin) ist weitaus weniger los als sonst üblich. Überstunden müssen abgebummelt werden, zahlreiche Betten sind nicht belegt, auf die Corona-Kranken wartet man bisher vergebens.
    In den USA – so die Angaben von Krankenschwestern (die haben keine Kurzarbeiterregelung!) wird Pflegepersonal entlassen oder muss unbezahlt frei nehmen…..

    Eine Frage : Werden in Russland alle, die „nur“ infiziert mit dem Virus sind ins KH gebracht? Oder muss man da auch eindeutige Symptome haben und/oder erhebliche Vorerkrankungen?

    Bevor hier wieder auf die Toten in NY hingewiesen wird – hier aus einem Interview mit Prof. Ioannidis:

    „TNH: These messages are optimistic, but on the other hand, we have before us the example of New York, where wartime conditions prevail in hospitals and the number of infections and deaths keeps rising. How do you interpret the New York phenomenon?
    Dr. Ioannidis: New York is a case similar to specific Italian cities. In New York…in some areas, hospitals are reminiscent war zones every day, areas containing many of our poor, neglected, and marginalized fellow human beings.
    A second reason is that New York made the same mistake that as Italy: it is/was wrong to send masses of patients to hospitals. Patients should not be hospitalized if they do not truly need to be. We have seen in hospitals that are full that there is a problem with patients getting nosocomial infections – illnesses they pick up in the hospital – and doctors became infected with coronavirus. This causes secondary problems because infected doctors are withdrawn and available staff is reduced. I think that’s what happened in New York.“
    https://www.thenationalherald.com/297265/stanfords-dr-ioannidis-reliable-data-can-end-the-lockdown/

    Man sollte mal das ganze Interview lesen – sehr interessant.
    Bill Gates hat sich auch zu Wort gemeldet – und man bekommt den Eindruck, da ist eine internationale kriminelle Bande auf Beutezug – weshalb Russland da auf die WHO setzt….keine Ahnung…eventuell nur ein Scheinschachzug? Da alle Welt „Schließzeit“ hat, passt man sich an?

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