Turk Stream: Russisches Gas für Europa durch die Türkei – Der Spiegel verschweigt die Zusammenhänge
Hier zeigt der Spiegel wieder einmal, wie leicht sich Zusammenhänge verschleiern lassen. In diesem Artikel über die neue Gaspipeline Turk Stream, die auch Südosteuropa mit Gas versorgen kann, zeigt der Spiegel nur Russlands Interessen auf und auch diese nur zum Teil. Worum es bei dem komplexen Thema tatsächlich geht, bleibt dem Leser verborgen.
Tatsächlich ist die Pipeline Turk Stream ein wichtiger Baustein in einem komplexen geopolitischen Konflikt. Es geht um die Ukraine, die Nato und um den Verkauf von teurem amerikanischem Flüssiggas. Die USA haben hier zwei vorrangige Ziele: Erstens wollen sie die Ukraine von Russland trennen, was ihnen mit dem Maidan bereits gelungen ist. Zweitens wollen sie Russland aus dem europäischen Gasmarkt verdrängen und den Europäern ihr teures Fracking-Gas verkaufen. Dieser Kampf läuft noch.
Vor diesem Hintergrund muss man auch die Ukraine als Transitland für russisches Gas nach Europa sehen. Die USA setzen sich dafür ein, dass russisches Gas weiterhin durch die alte ukrainische Pipeline fließt und dass neue Pipelines wie Nord Stream 2 und Turk Stream nicht gebaut werden. Wie wir gleich sehen werden, tun die USA dies aber nicht, weil sie der Ukraine helfen wollen, das ist nur ein Nebeneffekt, sondern weil der Gas-Transit durch die Ukraine problematisch ist und sowohl gegen die EU als auch gegen Russland als Druckmittel benutzt werden kann und in der Vergangenheit auch benutzt wurde. Diese Unsicherheit ist ein Trumpf für die USA, dazu passt auch, dass der ukrainische Präsident Poroschenko die Pipeline den USA zum Kauf angeboten hat.
Die Nachfrage nach Gas wächst aber weiterhin in stark in Europa und weil die Förderung von Gas in der Nordsee rückläufig ist, sinkt das Angebot. Daher treibt Russland die neuen Pipelines voran, das ist auch im europäischen Interesse, denn die EU braucht mehr Gas und kauft daher jedes Jahr mehr Gas aus Russland, die Kapazitäten der vorhandenen Pipelines sind fast ausgelastet und können eine weiter steigende Nachfrage nicht mehr bedienen.
Und hier kommen die USA ins Spiel. Sie wollen mindestens verhindern, dass es neue Pipelines gibt, denn dann könnten sie den wachsenden europäischem Bedarf an Gas mit ihrem Fracking-Gas decken. Das Problem ist, dass das US-Gas um 30% teurer ist, als das russische Gas. Daher würde der Kauf von US-Gas sowohl steigende Preise für private Haushalte bedeuten, als auch für die europäische Industrie, was die Wettbewerbsfähigkeit der Europäer vermindern würde. Gut für die USA im internationalen wirtschaftlichen Konkurrenzkampf, schlecht für Europa.
Dass das russische Gas günstiger ist, als das US-Gas, sieht man auch daran, dass die USA selbst Gas aus Russland importieren. Obwohl dabei das russische Gas als Flüssiggas teuer mit Tankern in die USA geliefert werden muss, ist das immer noch billiger, als das in den USA durch Fracking geförderte Gas. Und dieses teure Fracking-Gas soll ebenfalls als Flüssiggas aus den USA an die Europäer verkauft werden. Daran kann außer den amerikanischen Produzenten niemand ein Interesse haben, oder würden sie das gleiche Produkt freiwillig 30% teurer als nötig kaufen?
Das Problem bei der Ukraine als Transitland für russisches Gas ist, dass sie chronisch pleite ist und immer mal wieder ihre Gasrechnungen an Russland nicht bezahlen kann. Das hat in der Vergangenheit mehrmals dazu geführt, das die Ukraine den Gas-Transit als Druckmittel eingesetzt hat, um Rabatte bei Russland auszuhandeln und dabei war sich die Ukraine auch nicht zu schade, den Gas-Transit nach Europa zu stören. Die deutschen Medien haben für Lieferprobleme dann meistens Russland verantwortlich gemacht, das aber weiterhin Gas geliefert hat, welches sich die Ukraine nahm, anstatt es nach Europa weiterzuleiten. Eine ausführliche Chronologie der Gaskrisen der Vergangenheit finden Sie hier.
Heute also versucht der Spiegel, diese Dinge so darzustellen, als hätte nur Russland bei dem Spiel Interessen. Die neue Pipeline Turk Stream ist der Ersatz für die an Brüssel gescheiterte Pipeline South Stream, die das russische Gas durch das Schwarze Meer direkt nach Bulgarien und damit ohne Transitland in die EU pumpen sollte. Als Brüssel das Projekt 2014 stoppte, da war das für Bulgarien schlimm. Bulgarien sollte Milliarden an Transitgebühren bekommen, auf die das bettelarme Land nun verzichten musste. Stattdessen entstand das Projekt Turk Stream durch die Türkei, was für die EU bedeutet, wieder auf ein Transitland angewiesen zu sein, gerade so, als hätte man aus den Problemen mit dem Transit durch die Ukraine nichts gelernt. Und auch die Türkei ist ja bekanntlich kein leichter Partner für die EU.
Schon die Lage der neuen Pipeline zeigt auf, dass Russland tatsächlich die südosteuropäischen Länder mit Gas versorgen will, die in der Vergangenheit von den Problemen mit dem ukrainischen Gas-Transit betroffen waren: „Anlanden wird das russische Gas also auf dem kleinen europäischen Landzipfel der Türkei, in nicht einmal 50 Kilometern Entfernung zur Grenze des EU-Mitglieds Bulgarien. „Mindestens die Hälfte“ der Gaslieferung werde an Abnehmer in Europa gehen, verkündete der türkische Präsident Erdogan während des Festakts im Beisein von Putin. Über Bulgarien, Serbien und Ungarn bis nach Österreich, das ist die Idee. Putin hat dafür schon die Werbetrommel gerührt, bei einem Treffen mit Ungarns Premier Viktor Orban im September. Ungarn sei sehr interessiert, sagte Orban. Mit Serbien wiederum könnte schon im Januar ein entsprechendes Memorandum unterzeichnet werden, glaubt Russlands Vizepremier Juri Borisow. Dann reist nämlich Putin zu einem Besuch nach Belgrad.“
Aber dass es nicht nur um Gas und wirtschaftliche Interessen geht, kann man schon im nächsten Absatz beim Spiegel lesen: „Für Russland hat diese Überland-Verlängerung von Turk Stream nicht nur wirtschaftlich Relevanz: Slawische Länder wie Serbien oder Bulgarien sind Russland seit Jahrhunderten recht eng verbunden. Russland sieht sich in der Region allerdings in einer Art Wettstreit um Einfluss mit der EU und der Nato.“
Der Spiegel stellt es so dar, als würde nur Russland sich hier in einem Wettstreit sehen, als sei dies quasi russischer Verfolgungswahn. Was der Spiegel verschweigt, ist dass die USA mit aller Macht auf einen Nato-Beitritt der Balkan-Staaten drängen, um dort ihren Einfluss zu steigern, den es vor noch 20 Jahren gar nicht gab. Warum sonst sollte es für die USA so wichtig sein, Mini-Staaten wie Montenegro oder Mazedonien in die Nato zu holen? Das kann kaum an der militärischen Macht dieser kleinen und armen Staaten liegen, auf die die Nato nicht verzichten kann. Es geht nur darum, dass die USA Russland aus der Region zurückdrängen wollen und bis auf Serbien sind auch alle Staaten unter dem Druck der USA eingeknickt.
Das jüngste Beispiel war Mazedonien, wo der Westen massiv Druck gemacht hat, um das Land in die Nato zu ziehen. Dazu mussten Streitigkeiten mit Griechenland beendet werden, das ging so weit, dass Griechenland forderte, das Land müsse sich von Mazedonien in Nordmazedonien umbenennen. Die Volksabstimmung über die Verfassungsänderung scheiterte, wie der Spiegel auch enttäuscht schrieb: „Das Referendum über einen neuen Namen für Mazedonien ist gescheitert. Die Regierung bezeichnet das Ergebnis als Erfolg.“
Trotzdem gab es danach massiven Druck von Seiten der USA, es gab Medienberichte, dass der US-Botschafter in Mazedonien mit Druck und Geld auf die Abgeordneten eingewirkt hat, damit sie die Verfassung trotzdem ändern, auch bei der schließlichen Abstimmung im Parlament war er anwesend, um das Verfahren zu kontrollieren. Freilich las man davon in deutschen Medien nichts, da hieß es im Spiegel nur lapidar: „Der mazedonische Regierungschef Zoran Zaev hat mit dem Parlamentsbeschluss die schnelle Aufnahme seines Landes in die Nato ermöglicht. Vorausgegangen war ein wochenlanges Ringen, um Abgeordnete der Opposition auf die Regierungsseite zu ziehen. Die Opposition lehnt die Namensänderung ab, weil damit die nationale Identität des Landes geopfert werde. Das Zaev-Lager verfügte zuletzt nur über 71 Stimmen im Parlament. Notwendig waren 80 Stimmen, die jetzt erreicht wurden.“
Details darüber, wie es gelang, „Abgeordnete der Opposition auf die Regierungsseite zu ziehen“ verschwiegen die deutschen Medien diskret.
Es ist also tatsächlich so, dass sich die USA mit aller Macht auf dem Balkan breitmachen und die dort traditionell gewachsenen Verbindungen mit Russland kappen wollen. All das kann man im heutigen Artikel des Spiegel nicht lesen, da heißt, es wie gesehen, nur: „Russland sieht sich in der Region allerdings in einer Art Wettstreit um Einfluss mit der EU und der Nato.“ Gerade so, als würde das nur eine russische Halluzination sein und nicht etwa der offensichtliche Versuch der USA, ihre Macht in der Region auszubauen.
Aber zurück zum Gas. In dem heutigen Artikel des Spiegel kann man auch etwas in einem Absatz über die Pläne der USA lesen, ihr Gas in Europa zu verkaufen: „Gazprom will allerdings auch sein Revier gegenüber dem großen Rivalen USA verteidigen. Sowohl Demokraten als auch Republikaner fordern die Europäer immer wieder auf, in Zukunft verstärkt auf Flüssiggas aus US-Produktion zu setzen.“
Aber kein Wort im Spiegel darüber, dass das US-Gas erstens 30% teurer ist, als das russische und auch nichts darüber, dass es mit dem extrem umweltschädlichen Fracking gefördert wird.
Auch die Ukraine und der schon erwähnte Gas-Transit werden im Spiegel erwähnt: „Die Ukraine fürchtet, Russland werde das Land mit Gaslieferstops erpressen und politisch auf die Knie zwingen wollen, sobald Europa über andere Transitrouten sicher versorgt sei. Kiew sieht Energielieferungen in die EU über ukrainisches Territorium als eine Art Lebensversicherung an. Russland wiederum gibt an, die Ukraine sei ein unzuverlässiger Partner und habe in der Vergangenheit Gas abgezweigt, das für Europa gedacht war.“
Hier benutzt der Spiegel den Konjunktiv und stellt die Tatsache, dass die Ukraine mehrmals nicht nur Gas für sich abgezweigt, sondern auch den Transit von Gas einige Male einfach ganz gestoppt hat, obwohl Europa für das Gas bezahlt hatte, als Behauptung Russlands dar. Dabei ist das eine Wahrheit, die nicht zu bestreiten ist, wie auch der Spiegel wissen müsste, denn zum Beispiel im Gas-Streit von 2009 hatte die Ukraine den Transit nach Europa kurzerhand komplett eingestellt, wie auch der Spiegel damals schrieb: „Nur wenige Stunden währte der Burgfrieden. Nach wochenlangem Hin und Her strömte am Dienstagmorgen ab 8 Uhr MEZ endlich wieder russisches Gas durch die Ukraine in Richtung Europäische Union. Doch damit ist schon jetzt offenbar schon wieder Schluss. Die Ukraine räumte ein, die Lieferungen von russischem Gas über ihr Territorium zu blockieren.“
Und dies war ja keineswegs das erste oder einzige Mal, dass die Ukraine die EU in Sachen Gas in Geiselhaft genommen hatte. Aber darüber liest man heute im Spiegel nichts, es wird als russische Behauptung dargestellt. Und so heißt es dann auch am Ende des Artikels: „Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier versucht derzeit, einen Kompromiss auszuhandeln. Moskau hat ihm öffentlich zugesichert, eine Mindestmenge an Gas weiterhin über die Ukraine zu liefern. Die Frage ist, wie glaubhaft diese Zusagen sind – nachdem Putin über Jahre beständig die Schließung des Transitkorridors Ukraine zum strategischen Ziel erklärt hat. „Das Hauptziel von Turk Stream“, daran hat die Moskauer Energie-Expertin Belova keinen Zweifel „ist die Minimierung des Gastransits via Ukraine“.“
Nur muss man hier wissen, was Putin tatsächlich gesagt hat. Putin will aus der Abhängigkeit von der Ukraine als Transitland ausbrechen: Die Ukraine soll nicht mehr die Möglichkeit haben, ihren Gas-Transit als Druckmittel zum Schaden der EU und Russlands zu benutzen. Wenn Nord Stream 2 und Turk Stream fertig sind, dann kann die Ukraine gerne den Gasfluss durch ihr Gebiet behindern, Russland kann dies dann mit den beiden anderen Pipelines ausgleichen. Und solange die Ukraine sich danach an Verträge hält, kann gerne auch Gas durch ihre Pipeline fließen, damit hat Putin kein Problem und dies hat er auch mehrmals ausführlich so erklärt. Trotzdem stellt der Spiegel hier die russische Glaubwürdigkeit in Frage, obwohl Russland seit über 40 Jahren zuverlässig Gas liefert und obwohl die einzigen Probleme mit der Gasversorgung in der Vergangenheit von der Ukraine verursacht wurden.
Aber der deutsche Leser muss das glauben, wenn er kein Russisch versteht und sich nicht im Original anhören kann, was Putin tatsächlich dazu gesagt hat. Wenn es Sie interessiert, was Putin zu dieser und anderen Fragen tatsächlich sagt, sollten Sie sich mein Buch einmal ansehen, in dem ich Putin selbst mit langen Zitaten zu den aktuellen Fragen der Weltpolitik zu Wort kommen lasse. Dies Buch war aus meiner Sicht notwendig, weil in den westlichen Medien zwar viel über Putin berichtet wird, aber er selbst nie zu Wort kommt. Und wenn doch, werden seine Aussagen so aus dem Zusammenhang gerissen, dass sie einen völlig anderen Sinn bekommen.
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Die nun offiziell als Nordmazedonier titulierten Slawomazedonier sind kein eigenständiges Volk, sondern ihrer ethnischen Herkunft nach Bulgaren!
Die slawischen Mazedonier sind eine vom kommunistischen Diktator Jugoslawiens Josef Broz Tito nach dem Scheitern des ursprünglich von ihm und dem bulgarischen Ministerpräsidenten Dimitrov initiierten Projekts einer – auch das nicht-kommunistische Griechenland umfassenden – Balkan-Konföderation auf Druck Stalins vor dem Hintergrund des sowjetisch-jugoslawischen Zerwürfnisses aus dem Grund der Abwendung der sich aus der dadurch entstandenen politischen Lage resultierenden, akuten Gefahr für den Erhalt des jugoslawischen Staatsverbandes, gestiftete (künstliche) Nation.
Ein markantes Beispiel, dass diese geschichtliche Tatsache zusätzlich bekräftigt ist die Zusammenarbeit der kroatischen Ustascha-Faschisten bei der Planung, Vorbereitung und Durchführung des erfolgreichen Mordanschlags auf den jugoslawischen König Aleksander mit den „mazedonischen“ Separatisten der Organisation IMRO (Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation), deren Hauptzielsetzung in der Sezession Mazedoniens von Jugoslawien und dem anschließenden Beitritt zu Bulgarien bestand.