Herzlich willkommen im Mittelalter!

Wieder eine suggestive Überschrift im Spiegel. Diesmal wird ein Interview genutzt, um das Zitat „„Ein Schritt zurück in Richtung Mittelalter““ aus dem Zusammenhang zu reißen und unter die Einleitung „Die Welt unter Trump“ zu setzen. Das ganze noch garniert mit einem Foto von Trump, auf dem er etwas idiotisch aussieht und schon ist beim Leser im Unterbewusstsein gesetzt: Trump ist gleich Mittelalter.
Dabei ist es gar nicht wichtig, ob man für oder gegen Trump ist, mir geht es um die Frage, ob der Spiegel hier die Menschen beeinflussen (also die tägliche Portion von „Trump ist böse“ in die Köpfe hämmern) will oder ob es nicht seine Aufgabe wäre, neutral zu informieren. Aber in Sachen Trump geht es immer darum, ihn in negativ darzustellen und nicht um neutrale Information.
Das Interview, dass der Spiegel hier mit Achim Steiner, dem neuen Chef des UNO Entwicklungsprogrammes UNDP führt, ist gar nicht so interessant. Herr Steiner spricht viel von den Werten der Demokratie und des Völkerrechts, was ja auch vernünftig klingt.
Allerdings finde ich das Zitat, das für die Überschrift genommen wurde, interessant genug, um mir diesen Teil des Interview einmal näher anzuschauen. Man kann dort lesen:
SPIEGEL ONLINE: Auch für Ihre Organisation, die Uno, sind es schlechte Zeiten: Sie wird als parteiisch und ineffizient verurteilt und immer schlechter finanziert.
Steiner: Diese sehr pauschale Beschreibung der Vereinten Nationen teile ich so nicht, aber es sind keine einfachen Zeiten. Bislang sind es nur die USA, die sich entschlossen haben, die Finanzierung drastisch zu kürzen. Das hat es auch schon früher gegeben. Aber vor dem Hintergrund wachsender Herausforderungen, Krisen und Erwartungen an die Uno stellt sich natürlich die Frage: Verabschiedet sich die Weltgemeinschaft vom Geist der Kooperation? Wenn das geschieht, wäre es ein Schritt zurück in Richtung Mittelalter.
SPIEGEL ONLINE: Was meinen Sie damit?
Steiner: Mittelalterlich bedeutet: Die Macht steht über dem Recht, es gilt das Recht des Stärkeren. Es gibt internationale Rechtsgrundlagen, die gemeinsam beschlossen wurden – aber einzelne Staaten setzen sich einfach darüber hinweg oder ignorieren sie. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht alles einreißen, den ganzen Ordnungsrahmen, den wir nach viel Leid und über lange Zeit aufgebaut haben. Der Grundgedanke der Vereinten Nation ist ein Gegenentwurf – durch gemeinsames Handeln Frieden zu bewahren.
Herr Steiner spricht von der Gefahr, dass die Macht über dem Recht stehen könnte, dass das Recht des Stärkeren auf der Weltbühne gelten könnte. Er spricht von einzelnen Staaten, die sich über gemeinsam beschlossenes internationales Recht hinwegsetzen.
Wen könnte er wohl meinen? Nun, da er vom Recht des Stärkeren spricht, kommen ja nur die mächtigsten Länder Welt der in Frage. Und das mächtigste Land sind die USA. Ob er die wohl meinte?
In der Tat nehmen die USA das Völkerrecht nicht allzu ernst. Der Krieg der Nato gegen Jugoslawien war völkerrechtswidrig und klar eine Demonstration des Rechts des Stärkeren.
Warum er völkerrechtswidrig war ist ganz einfach. Das Völkerrecht kennt nur zwei legale Wege, einen Krieg zu führen. Entweder man verteidigt sich gegen einen Angriff oder man hat eine Erlaubnis des UNO Sicherheitsrates. Mehr Möglichkeiten, einen Krieg legal zu führen, gibt es nicht.
Und im Falle von Jugoslawien war es eindeutig, dass Jugoslawien kein Nato-Land angegriffen hat und es gab auch kein Mandat des Sicherheitsrates. Damit war der Krieg illegal. Und rein völkerrechtlich müssten die verantwortlichen Politiker sich Den Haag vor dem internationalen Kriegsverbrechertribunal wiederfinden. Aber natürlich werden weder Gerhard Schröder noch Bill Clinton dort landen. Das Recht des Stärkeren gilt auch hier.
Das gleiche im Irak. Der Krieg, den Bush dort unter dem erlogenen Vorwand irakischer Massenvernichtungswaffen vom Zaun brach, war genauso illegal. Aber weder gab es Sanktionen gegen die USA, noch wurden Bush oder Blair in Den Haag vor Gericht gestellt.
Auch in Libyen wurde illegal bombardiert und Bodentruppen eingesetzt, was der UN-Resolution zur Einrichtung einer Flugverbotszone widersprach. Aber weder Obama noch Sarkozy wurden angeklagt.
Oder Jemen, wo Saudi Arabien eine Regierung wegputschte und die danach entstandene Rebellion gegen die Putschisten als Rechtfertigung für eine Krieg gegen das Land nutzt. Natürlich mit Unterstützung der USA.
Oder Syrien, ein souveränes Land, wo ohne Erlaubnis der Regierung Kampfjets der Nato fliegen und die USA sogar Militärbasen errichtet haben.
 
Dass die USA den Gerichtshof in Den Haag nicht anerkennen, wenn es um ihre Leute geht, ist auch so eine Sache. Sie haben die Konvention erst gar nicht unterschrieben und teilten mit, dass sie etwaige dort angeklagte US-Bürger notfalls mit Gewalt befreien würden. Anerkennung des Völkerrechts? Fehlanzeige. Es von anderen einfordern, wenn es ihnen nutzt, das immer gerne, aber auf sich selbst anwenden? Nein, auf keinen Fall.
Die Liste ließe sich noch um Drohnenmorde und andere Themen beliebig verlängern. Dies zeigt, dass uns unter Trump keinesfalls eine Situation droht, in der das Völkerrecht gebrochen wird und das Recht des Stärkeren herrscht. Vielmehr haben wir das schon lange und es hat unter anderem mit den von den Medien so heiß geliebten US-Präsidenten Clinton und Obama zu tun. Trump führt ihre Politik nur weiter, aber er ist weder der Erfinder dieser Politik noch ist er der Auslöser, obwohl der Spiegel genau das suggerieren möchte.
Wenn also ein Recht des Stärkeren bedeutet, dass wir im Mittelalter landen würden, dann muss man sagen: Herzlich willkommen im Mittelalter. Und zwar mindestens seit 1998 der Jugoslawienkrieg geführt wurde.
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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