Andere Länder, andere Sitten: So wird in Russland Weihnachten und Sylvester gefeiert
Ich finde es spannend, wie sich die Weihnachtstraditionen in verschiedenen Ländern unterscheiden. Da ich schon fast zwanzig Jahre in Russland lebe, will ich hier erzählen, wie die Russen Weihnachten und Sylvester feiern.
Es beginnt schon damit, dass die Tage vom 24. bis 26. Dezember in Russland ganz normale Arbeitstage sind. Da ich schon so lange in Russland lebe, vergesse ich manchmal fast, dass in Deutschland Weihnachten ist. Dabei feiern die Russen auch Weihnachten, nur eben zwei Wochen später. Der Grund ist, dass Weihnachten in Russland nach dem Julianischen Kalender gefeiert wird, der in Russland bis zur Oktoberrevolution galt. Und dieser Kalender „hinkte“ hinter unserem Gregorianischen Kalender zwei Wochen hinterher.
Überhaupt hat die Revolution vor hundert Jahre auf die Weihnachtsbräuche in Russland großen Einfluss gehabt, dazu gleich etwas mehr.
Auch in Russland werden die Städte Wochen vorher geschmückt, allerdings wesentlich mehr, als in Deutschland. In Russland ist wirklich überall alles geschmückt, vor allem die Stadt selbst hat solche Mengen an Schmuck, der an praktisch jeder Straßenlaterne der Hauptstraßen angebracht wird, dass es wirklich sehr schön ist, hier im Dezember nachts durch die Stadt zu fahren.
Im Sozialismus wurde Weihnachten in Russland de facto abgeschafft und die Kirche unterdrückt. Da die Menschen aber an den Weihnachtstraditionen hingen, wurde Sylvester das neue Weihnachten. In Russland kommt der Weihnachtsmann, der in Russland Väterchen Frost heißt, zu Sylvester. Wobei korrekt übersetzt heißt er Großväterchen Frost, aber das nur nebenbei. Und er kommt in Russland nicht allein, er hat ein Mädchen in hellblauem Kostüm dabei, das Schneeflöckchen.
Sylvester ist in Russland das wichtigste Fest, so wie in Deutschland Weihnachten, allerdings ist es in Russland nicht nur ein Familienfest, oft feiert man es auch zusammen mit Freunden, es ist ein bisschen eine Mischung aus Weihnachten und Sylvester.
Der Abend beginnt damit, dass die Russen massenweise Essen auffahren, die Tische biegen sich regelrecht. Und man sitzt zusammen, isst, lacht und trinkt ein wenig. Übrigens gibt es in Russland auch einen „Sylvesterfilm“, wie bei uns „Dinner for one“. In Russland heisst der Film „Ironie des Schicksals“ und dauert über zwei Stunden, aber man kann auch hier jedes Jahr wieder lachen, auch wenn man den Film schon auswendig kennt. Der Film ist auch schon vierzig Jahre alt und wäre damals fast der Zensur zum Opfer gefallen, weil er die Gleichmacherei der sozialistischen Plattenbausiedlungen auf den Arm nahm. Ein wirklich lustiger Film, den ich jedem nur empfehlen kann, wobei ich gar nicht weiß, ob es ihn überhaupt auf Deutsch gibt.
Ab 23 Uhr beginnt man, das alte Jahr zu verabschieden. Das bedeutet, dass man auf das alte Jahr anstößt und darauf, dass alle Probleme und Sorgen des Jahres im alten Jahr bleiben und nicht mit ins neue Jahr kommen.
Ab fünf vor zwölf wird die Rede des Präsidenten angeschaut, das ist Tradition. Dabei ist es gar nicht so wichtig, was er sagt, alle warten darauf, dass nach seiner kurzen Neujahrsansprache endlich die Uhren der Kremltürme gezeigt werden, denn dann beginnt mit dem Glockenspiel der Kremluhren der Countdown zum Neujahr. Um Punkt zwölf wird angestoßen, sich umarmt, Geschenke übergeben, das ist in der Regel immer emotional und etwas chaotisch und laut. Aber es macht einen Riesenspass und hat eine ganz eigene Atmosphäre.
Natürlich wird auch in Russland kräftig geknallt und das Feuerwerk nach Mitternacht unterscheidet sich nicht von dem in Deutschland.
Anschließend sitzt man noch zusammen, solange man Lust hat. Die jungen Leute ziehen meistens dann in die Stadt, im Zentrum ist der Teufel los. Letztes Jahr habe ich bei Freunden am anderen Ende der Stadt gefeiert und bin aus Neugier auf dem Heimweg noch zu einer der „Partymeilen“ von Petersburg gefahren. Da war kein Durchkommen, so viele Menschen haben da gefeiert. Wie ich später hörte, mussten die Bars und Diskos, die normalerweise um sechs Uhr morgens schließen, die Gäste um zwölf Uhr Mittags am nächsten Tag „rauskehren“, weil die Barkeeper sich nicht mehr auf den Beinen halten konnten.
Man kann über die Russen sagen, was man will, aber feiern können sie!
Aber damit sind die Festtage nicht vorbei, damit haben sie erst begonnen. Denn in Russland kommt am 7. Januar Weihnachten. Und da die Sozialisten nach der Revolution vor hundert Jahren den Kalender vom Julianischen auf unseren Georgischen Kalender umgestellt haben, gibt es auch noch Sylvester nach dem alten Kalender, man nennt es „Das alte neue Jahr“ und es wird am 14. Januar gefeiert.
Das führte früher dazu, und ich habe das in den 90er Jahren noch miterlebt, dass im Grunde in diesen zwei Wochen ersten Wochen des Jahres niemand gearbeitet hat. Also, die Leute waren zwar körperlich im Büro anwesend, aber es stand überall Sekt, Wein und auch härteres herum und alle haben sich ständig frohe Feiertage gewünscht. Es war lustig, aber komplett unproduktiv.
Um diesen Zustand zu beenden hat der russische Staat durchgegriffen und kurzerhand die Tage vom 1. bis zum 10. Januar zu arbeitsfreien Feiertagen erklärt. Kein Scherz: In Russland sind die zehn Tage nach Sylvester offizielle, staatliche, arbeitsfreie Tage.
Und es hat gewirkt, ab dem 11. Januar wird tatsächlich wieder ernsthaft gearbeitet.
Viele Russen nutzen diese Feiertage heute auch, um in die Sonne zu fliegen und die Feiertage am Meer zu verbringen. Denn, das muss man anerkennen, Schnee haben die Russen vorher und hinterher genug, da kann man die Feiertage in der Sonne gut gebrauchen.
Weihnachten am 7. Januar wird heute wieder gefeiert, wobei es tatsächlich „echtes“ Weihnachten im kirchlichen Sinne ist. Die Gläubigen gehen in die Kirche und da die Geschenke bereits zu Sylvester verschenkt wurden, ist daran auch nichts kommerzielles.
Nun bleibt mir noch, Ihnen besinnliche Feiertage zu wünschen, während wir hier noch arbeiten müssen. Ich wünsche Ihnen auch einen guten Rutsch, ich werde Sylvester wie immer zwei Mal feiern, einmal um Mitternacht russischer Zeit und einmal um zwei Uhr nachts russischer Zeit, wenn in Deutschland zum Jahreswechsel angestoßen wird.
Und während nun in Deutschland die besinnliche Woche zwischen Weihnachten und Sylvester beginnt, freue ich mich auf die ruhigen Tage in Russland nach Sylvester.
Frohes Fest, guten Rutsch, alles Gute für 2019 und bleiben Sie kritisch!
Eine Antwort
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Frage: Seit wann ist der Julianische Kalender welcher durch die November Revolution geändert in Russland eingeführt?
Das hat gar nicht einmal damit zu tun, dass schon der Name „Oktoberrevolution“ nicht richtig ist. Denn der Tag, an dem die Bolschewiki unter Lenin in Petrograd, wie St. Petersburg seit 1914 hieß, die Macht übernahmen, war eigentlich der 7. November 1917. Nur galt in Russland zu dieser Zeit noch der alte, in den meisten anderen Ländern längst ausgemusterte 👉🏻julianische Kalender, nach dem die Machtübernahme auf den 25. Oktober datiert wurde.
https://www.welt.de/geschichte/article170024183/Unser-Bild-der-Oktoberrevolution-ist-falsch-selbst-der-Name.html
Viele orthodoxe Christen feiern am 19. Januar das Fest der Erscheinung des Herrn (Epiphanie), das dem Dreikönigsfest entspricht. Die russisch-orthodoxe Kirche orientiert sich am👉🏻 julianischen Kalender, weshalb das Dreikönigsfest an diesem Tag stattfindet. Eine bekannte Tradition an diesem Tag ist das Eisbaden, bei dem Gläubige symbolisch die Taufe Jesu nachahmen, indem sie in eisige Gewässer eintauchen. Diese Praxis wird als Akt der Reinigung und Erneuerung angesehen.
https://pressefreiheit.rtde.live/kurzclips/video/193409-eiskaltes-ritual-russische-soldaten-feiern/