Die Doppelmoral der Medien im Falle von Saudi-Arabien

Es ist interessant zu sehen, wie unterschiedlich die „kritischen und objektiven“ deutschen Medien berichten, je nachdem, ob sie ein Land für Freund oder Feind halten. Im Falle von Saudi-Arabien sind Samthandschuhe das Mittel der Wahl, wie man an diesem Artikel im Spiegel sehen kann.
Wenn von erklärten Feinden unserer Medien Rede ist, also z.B. von Russland oder Syrien, wird der Leser fast immer an die angeblichen Verbrechen der jeweiligen Regierungen erinnert.
Bei Russland sind das natürlich die angebliche Annexion der Krim, die per Definition weder Annexion war, noch völkerrechtswidrig. Oder Russlands angebliche Schuld am Abschuss von MH17 über der Ukraine, wo der Leser jedes Mal erfährt, dass Russlands Schuld ja längst erwiesen ist, obwohl auch das völlig wahrheitswidrig ist. Oder die Mär von den russischen Soldaten, die angeblich im Osten der Ukraine kämpfen, obwohl die OSZE-Beobachter vor Ort diese bis heute nicht gesehen haben. Und natürlich darf die Legende von der Unterdrückung Hommosexueller nicht fehlen, die jedoch ebenfalls eine Erfindung der westlichen Presse ist. Oder die sogenannte „Russlandaffäre“ um angebliche russische Einmischungen in Wahlen im Westen und vor allem in den USA, obwohl auch hier keinerlei Fakten vorliegen, sondern nur unbelegte Unterstellungen.
Bei Syrien wird immer an „Fassbomben“ und Giftgas erinnert, das Syrien angeblich eingesetzt hat, wobei meist einerseits jeder Hinweis auf Zweifel Assads Täterschaft fehlt und andererseits die Beweise für die Täterschaft der vom Westen unterstützten „gemäßigten“ Rebellen nicht erwähnt werden. Oder es geht um die Weißhelme, die angeblich neutral sind und nur helfen wollen, wobei ihre Nähe zu dem IS gerne verschweigen wird.
Aber im Falle Saudi-Arabiens gibt es nichts dergleichen. Dabei steht dort auf Homosexualität die Todesstrafe, während sie in Russland völlig legal und die angeblich verfolgten Homosexuellen ungestört die Wochenenden in Gay-Clubs verbringen können. Das Sachria-Recht, das auch öffentliche Enthauptungen für banale Vergehen vorsieht, wird möglichst nicht erwähnt. Erinnern Sie sich noch, wie schockiert die Medien seinerzeit über die Grausamkeiten des IS berichtet haben? Beim IS galt ebenfalls die Scharia und zwar in der gleichen Auslegung, wie in Saudi-Arabien, aber derart deutliche Kritik an der Barbarei, Menschen für Kleinigkeiten im Stadtzentrum auf öffentlichen Plätzen zu köpfen, findet sich in den deutschen Medien nicht.
Auch der völkerrechtswidrige Krieg Saudi-Arabiens gegen die Bevölkerung im Jemen wird gerne mit dem Vorhang des Schweigens oder wenigstens der Verharmlosung bedeckt. Und erst recht wird in diesem Zusammenhang möglichst selten erwähnt, dass Deutschland dafür auch noch fleißig Waffen liefert, mit denen im Jemen die Zivilbevölkerung massakriert wird. Und um sich vor Flüchtlingen abzuschotten, wird in Saudi-Arabien mit europäischer Unterstützung eine High-Tech-Mauer gebaut und deutsche Polizisten helfen bei der Ausbildung der Saudi-Arabischen Polizeitruppen.
Heute sehen wir diese einseitige Berichterstattung wieder im Fall des Saudisch-Kanadischen Konfliktes, wo zwar über den Konflikt selbst berichtet wird, aber der Leser nicht an die anderen Dinge erinnert wird, die in Saudi-Arabien Alltag sind. Das kritischste, was der Spiegel sich zu schreiben wagt, steht im letzten Absatz: „Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin sagte, die Bundesregierung setzte sich „selbstverständlich“ überall für Menschenrechte ein – „manchmal öffentlich, manchmal vertraulich“. Speziell zur Lage in Saudi-Arabien und zu den Spannungen zwischen Ottawa und Riad wollte er sich nicht äußern.
Gab es jemals eine solche Zurückhaltung der Bundesregierung gegenüber Syrien oder Russland, wo die Regierungen weit weniger grausame Gesetze umsetzen? In Russland gibt es keine Todesstrafe und der angebliche Despot aus Damaskus herrschte vor dem Krieg über das einzige säkuläre Land im Nahen Osten, in dem alle Religionen friedlich zusammen lebten, was selbst im von Deutschland so massiv unterstützten Israel nicht gegeben ist, wo die Araber behandelt werden, wie seinerzeit die Schwarzen im Regime der Apartheid in Südafrika.
Aber an diese Dinge wird in den deutschen Qualitätsmedien nur ungern erinnert und nur dann, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt. Aber bitte dann auch nur so sanft wie möglich.
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Schreibe einen Kommentar