Wie sich deutsche Politiker schützend vor al-Qaida stellen

Die außenpolitische Scheinheiligkeit der Bundesrepublik hat einen Namen: Norbert Röttgen. Dieser Mann war ein großer Fürsprecher des Irak-Krieges von Bush und er kritisiert mit keinem Wort die Massaker der Saudis und der USA im Jemen. Von einem Mann, der den USA blind in jeden Krieg folgt, kann man nichts anderes erwarten.
Als im Jahre 2003 die USA den illegalen Krieg gegen den Irak begannen, der auf der Lüge der irakischen Massenvernichtungswaffen fußte, da hörte man von Röttgen: „Schuld an dieser Tragödie seien Saddam Hussein und sein menschenverachtendes Regime. Die Weltgemeinschaft müsse nun dafür sorgen, dass eine humanitäre Katastrophe verhindert werde. Auch viele Deutsche hätten zurzeit Angst vor dem weiteren Verlauf dieses Krieges und den damit verbundenen Sicherheitsrisiken. Hussein habe alle Möglichkeiten für eine friedliche Lösung verworfen, fügte Röttgen hinzu.
 
Dass all das Unsinn war, wissen wir heute. Die USA wollten den Krieg und Saddam hatte keine Chance, ihn abzuwenden. Und es wurde nicht nur eine humanitäre Katastrophe, das Land wurde zerstört, bis heute herrscht dort Bürgerkrieg, es gab hunderttausende Tote. Und es war der Irak, in dem der IS entstand, der nach offizieller Lesart den Terror nach Europa brachte.
 
Danke USA! Und auch: Danke Norbert Röttgen!
 
Nun also darf er sich zu Syrien äußern. Und der Spiegel macht sich wieder einmal unkritisch zum Sprachrohr eines führenden Politikers: „Röttgen übte scharfe Kritik an der Syrienpolitik von Bundesregierung und EU. „Europa ist zum diplomatischen Bettler geworden“, sagte er mit Blick auf die Syrienkonferenz am Freitag und die offenbar bevorstehende Militäroffensive in Idlib. „Wir müssen jetzt Russland, den Iran und Assad darum bitten, nicht wieder das zu tun, was sie schon die ganze Zeit getan haben. Und wir wissen eigentlich genau, dass sie unserer Bitte nicht Folge leisten werden“, so der Außenpolitiker.
 
Noch vor wenigen Tagen konnte man im Spiegel lesen, dass in Idlib Dschihadisten eines Ablegers von al-Qaida herrschen. Heute dazu kein Wort, stattdessen geht es um die bösen Russen, Syrer und Iraner. Aber was schlägt Herr Röttgen denn vor? Eine Zone existieren zu lassen, in der al-Qaida herrscht und ungestört Terroristen ausbilden kann?
Zur Erinnerung: Die Bundeswehr führt seit 2001 einen Krieg in Afghanistan mit der Begründung, keine von Terroristen beherrschte Region zu dulden. Und übrigens führt die Bundeswehr in Afghanistan Krieg gegen eben die al-Qaida, die Röttgen nun in Syrien gewähren lassen möchte. Übrigens gegen die gleiche al-Qaida, mit der die USA im Jemen zusammenarbeiten. Das hat AP vor einer Woche gemeldet, die deutschen Medien haben es jedoch vorgezogen, darüber den Mantel des Schweigens zu breiten.
Weiter sagt Röttgen heute: „„Wir haben zwar eine große Zahl an Flüchtlingen aufgenommen, aber an den Umständen vor Ort haben wir nichts geändert, und wir schaffen auch keine Strukturen, um das künftig zu tun“, so Röttgen. „Europa hat in Syrien auf ganzer Linie versagt.“
 
Herr Röttgen möchte im Land selbst helfen? Das wäre kein Problem, Putin fordert Europa auf, beim Wiederaufbau Syriens zu helfen und lockt auch mit Aufträgen für europäische Firmen. Und der Wiederaufbau kann beginnen, das Land ist bis auf Idlib, wo die al-Qaida noch sitzt, befriedet. Aber es geht Leuten wie Röttgen und auch Merkel nicht um das Schicksal der Menschen dort, es geht ihnen immer noch um das ursprüngliche Kriegsziel: Assad muss weg. Man ist im Westen bereit, die Menschen im Elend zu belassen, solange Assad noch an der Macht ist.
 
Das ist auch keine Verschwörungstheorie, das sind offizielle Verlautbarungen. Der Spiegel berichtete über Putins Vorschläge und Merkels Reaktion: „Neben einer Art Fonds, den der Westen für den Wiederaufbau einrichten solle, müssten auch die straffen Sanktionen gegen das Regime so schnell wie möglich fallen, anders sei Damaskus nicht handlungsfähig. Spätestens bei einem angedachten Syrien-Gipfel der Staats- und Regierungschefs am 7. September in Istanbul müsse ein Fahrplan her, wie und wann die Nachkriegsphase begonnen werden könnte. Merkel bremste Putin aus. Ein Wiederaufbauprogramm, ließ sie ihn wissen, sei nur dann denkbar, wenn man sich auf einen politischen Prozess einige, der am Ende zu freien Wahlen führt. Und erst einer legitimen Regierung könne man eine Lockerung des Sanktionsregimes anbieten, so die Kanzlerin. Den geplanten Syrien-Gipfel in Istanbul stellte Merkel dann auch gleich infrage, möglich sei derzeit maximal ein Arbeitstreffen ranghoher Beamter, mehr nicht.
 
Für westliche Politiker, die jetzt scheinheilig fordern, Syrien möge die al-Qaida in Idlib nicht angreifen, weil das zu einer humanitären Katastrohe führen könnte, ist die humanitäre Katastrophe der Menschen in Syrien und der über 4 Millionen Syrer in Flüchtlingslagern in der Türkei, Libanon und Jordanien kein Problem.
 
Für westliche Politiker zählen nur die humanitären Katastrophen, die andere anrichten, aber da, wo man tatsächlich helfen könnte, da wird nichts getan. Oder können Sie sich an Aufbauprogramme für den Irak oder Libyen erinnern?
 
Der Westen geht nach einem einfachen Schema vor: Ein „böser Diktator“ wird in den Medien zum zweiten Hitler gemacht, dann wird sein Land zerstört und er gestürzt, die Ölquellen werden für westliche Firmen gesichert und der Rest des Landes versinkt im Chaos. Mission accomplished.
 
Nur hat das in Syrien nicht funktioniert. Wenn also Röttgen sagt, Europa hätte auf ganzer Linie versagt, dürfte er kaum das Schicksal der Menschen dort meinen, sondern die Tatsache, dass man Assad nicht abräumen konnte, bevor Putin ihn durch das russische Eingreifen gerettet hat.
 
Böser Putin, ganz böser Putin…
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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