INF-Vertrag: Propaganda der US-Falken – Der Spiegel ekelt sich vor gar nichts mehr

Der Spiegel gefällt sich heute mal wieder besonders in seiner Rolle als Propagandist der Falken in Washington. In diesem Artikel über die Kündigung des INF-Abrüstungsvertrages durch die USA lügt der Spiegel gleich mehrfach, wie man leicht belegen kann.
 
Kurz zur Vorgeschichte: Der INF-Vertrag war in den 80ern zwischen den USA und der Sowjetunion geschlossen worden, um landgestützte atomare Kurz- und Mittelstreckenraketen zu verbieten. Diese Raketen waren nach der Stationierung sowjetischer SS-20 und amerikanischer Pershing II zu einer großen Gefahr für Europa geworden und wurden damit verboten.
 
Diesen Vertrag wollen die USA nun kündigen. Dabei ist der Vertrag genau genommen ohnehin Makulatur, denn man kann Atomwaffen auch mit luft- oder seegestützten Kurz- und Mittelstreckenrakten abfeuern, die immer noch erlaubt sind. Die USA haben dazu ihre Tomahwaks, die Russen haben seit kurzen ihre Raketen von Typ Kalibr. Es wäre also eigentlich sinnvoll, auch diese Raketen zu verbieten, darauf würden sich aber vor allem die USA kaum einlassen, die ihre Tomahawks bei ihren vielen Kriegen so gerne benutzen.
 
Ein anderer Schwachpunkt des Vertrages ist, dass er nur für Russland und die USA gilt, das bedeutet, dass England, Frankreich und China auch weiterhin ihre Atomwaffen auf solche bodengestützten Kurz- und Mittelstreckenraketen montieren dürfen. Es wäre also, sinnvoll, auch diese und andere Länder in den Vertrag einzubinden, wozu diese aber gar nicht bereit sind.
 
Der INF-Vertrag ist also, so wichtig er auch sein mag, mit vielen Schlupflöchern belastet. Das einzige, was Europa echte Sicherheit bringen würde, wäre ein generelles Verbot von Kurz- und Mittelstreckenraketen in Europa, besser gleich ein Verbot der Stationierung von Atomwaffen in Europa. Das ist natürlich ebenfalls unrealistisch, aber das wäre eine echte Lösung im Sinne Europas.
 
Hinzu kommt, dass die Raketen, die die USA im Zuge ihrer Raketenabwehr in Europa an Russlands Grenzen aufgestellt haben, aus MK41 Abschussvorrichtungen abgeschossen werden. Das sind die gleichen Abschussvorrichtungen, mit denen auch Tomahawks von Schiffen aus abgefeuert werden. Das ist also ein klarer Verstoß der USA gegen den INF-Vertrag, denn nun können sie – vertragswidrig – atomar bestückte Tomahawks damit abfeuern.
 
All dies liest man jedoch im Spiegel nicht. Der Spiegel macht aus der Geschichte stattdessen eine reine Propagandaveranstaltung für die Falken in Washington, die diesen Vertrag schon lange kündigen wollen. Diese objektive Wahrheit würde im Spiegel aber sehr „anti-amerikanisch“ klingen, weshalb sich der Spiegel bemüht, irgendwie trotzdem Russland die Schuld zu geben. Es beginnt schon mit dem ersten Satz im Artikel: „Russland entwickelt eine neue Mittelstreckenwaffe, die USA wollen deshalb den INF-Vertrag aufkündigen.
 
Dass Russland eine solche Waffe entwickelt, behaupten nur die US-Geheimdienste, sonst niemand. Also die gleichen Leute, die auch sicher wussten, dass der Irak Massenvernichtungswaffen hatte. Russland fordert schon lange klare Belege für die Unterstellung durch die USA, aber die bleiben lediglich bei ihrer Behauptung oder geben den Europäern irgendwelche Geheimdienst-Erkenntnisse weiter, ganz genauso, wie damals bei den irakischen Massenvernichtungswaffen, von denen man heute weiß, dass es sie trotz der CIA-Erkenntnisse nie gegeben hat.
 
Aber den Spiegel stört das nicht, er versucht konsequent Russland für die Vertragskündigung durch die USA verantwortlich zu machen: „Rund fünf Jahre lang schwelte der Konflikt mit Moskau, bis Donald Trump schließlich seine ohnehin überschaubare Geduld verlor: Ende Oktober kündigte er auf einer Wahlkampfveranstaltung in Nevada an, den INF-Vertrag über landgestützte Mittelstreckenraketen aufzukündigen.“ Bei der Nato ist die Sache klar: „Russland, so heißt es seit Langem, verstoße gegen das Abkommen, das landgestützte Raketen und Marschflugkörper mit Reichweiten zwischen 500 und 5500 Kilometer verbietet. Moskau bestreitet das: Das neue System vom Typ 9M729 (Nato-Code: SSC-8) reiche weniger als 500 Kilometer weit.
 
Spätestens hier müssten verantwortliche Politiker und Journalisten doch fordern, dass zunächst eindeutige Beweise vorliegen müssten, bevor den vielleicht wichtigsten Abrüstungsvertrag Europas kündigt. Vor allem auch, weil die USA sehr kurzfristig reagieren könnten, indem sie – wie beim Raketenabwehrsystem – einfach Startrampen für Tomahawks auf dem Land aufstellen und schon haben sie ebenfalls eine solche Waffe, wie die Russen sie angeblich entwickeln. Jedenfalls ist das kein objektiver Grund, den Vertrag zu kündigen. Aber das verschweigt der Spiegel.
 
Da Europa sich noch sträubt, machen die USA Druck: „Die Nato ist sich uneins. Die Amerikaner drängen auf eine harte Linie gegenüber Moskau und versorgten die Alliierten zuletzt erstaunlich offen mit Geheimdienst-Beweisen für den Vertragsbruch.“
 
Da sind die angekündigten Geheimdienst-Beweise, siehe irakische Massenvernichtungswaffen, damals haben die USA auch freigiebig ihre „Geheimdienst-Beweise“ mit den Europäern geteilt, um diese für den Irakkrieg zu begeistern. Ein Schelm, wer hier Parallelen sieht.
 
Wenn der Spiegel über mögliche Folgen und Reaktionen schreibt, dann verschweigt er wie gesagt, dass die Tomahawks sehr kurzfristig von see- und luftgestützten in bodengestützte Systeme umgewandelt werden können, indem man einfach die Startvorrichtungen, wie sie auf Schiffen benutzt werden, an Land aufstellt. Wenn man dies weiß, dann beginnt man zu verstehen, dass es in Wirklichkeit bei der ganzen Geschichte um den INF-Vertrag nur um ein Konjunkturprogramm für die Rüstungsindustrie geht, die gerne für viel Geld neue Waffen entwickeln und verkaufen will: „Schon die Modernisierung der Abwehr würde jedoch Jahre dauern. Zudem würde sie Dutzende Milliarden Euro kosten und eine ganz neue Lastenteilungsdebatte in Gang setzen. Kaum einer der Europäer gibt sich mehr der Illusion hin, dass die USA für ein solches Programm wie früher den Löwenanteil bezahlen würden. „Das wird Trump uns überlassen“, sagt ein Nato-Diplomat. (…) Da der Westen wegen des INF-Vertrags seit rund 30 Jahren keine Mittelstreckenwaffen mehr entwickelt hat, müsste die Rüstungsindustrie quasi bei Null anfangen. Laut Experten würde ein solches Projekt mindestens fünf Jahre und noch mehr Geld in Anspruch nehmen als ein modernes Raketenabwehrsystem.
 
Voila, wir sind beim Geld.
 
Und natürlich ist es wie üblich alternativlos, wenn eine Industrie der Politik ihren Willen aufdrängt. So war es bei den Banken seinerzeit und so ist es heute bei der Rüstung: „Eine dieser Varianten aber wird die Nato am Ende wohl wählen müssen. „Für eine Rettung des INF-Vertrags gibt es keine Chance mehr“, meint Ulrich Kühn vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH). Sowohl die USA als auch Russland hätten deutlich gemacht, dass sie kein Interesse am Fortbestand des Abkommens haben.
 
Indem der Spiegel Ulrich Kühn zitiert, gelingt ihm ein besonderer Coup. Denn das Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, dass zur Uni Hamburg gehört, scheint ja eine sehr integere Organisation zu sein. Das will ich auch gerne glauben, nur gilt das eben nicht für den Mitarbeiter Dr. Kühn. Der ist nämlich auch beim Carnegie Endowment for International Peace das als Experte aufgeführt, das trotz seines toll klingenden Namens, kein Friedensapostel ist. Es ist vielmehr eine der einflussreichsten Denkfabriken in den USA und wird von William Burns geleitet, der wiederum eine schöne Karriere im US-Außenministerium hinter sich hat und sogar US-Botschafter in Moskau war. Mithin ist er sicher nicht neutral, sondern im Gegenteil zu 100% linientreu zu der US-Politik.
 
Das bedeutet, dass der Spiegel einen angeblich neutralen Experten zu Wort kommen lässt, ohne seine engen Verbindungen zu den USA zu erwähnen. Das nennt man Täuschung der Leser.
 
Und von so einem „Experten“ kann man auch nichts anderes erwarten, als Russland-Bashing. Denn das Russland deutlich gemacht hätte, dass es kein Interesse am Fortbestand des Abkommens habe, ist glatt und dreist gelogen. Das Gegenteil ist der Fall, Russland kämpft für den Vertrag mit allen Mitteln. Allerdings ist die Besorgnis, die die europäischen Regierungen für die Öffentlichkeit zur Schau stellen und über die der Spiegel auch ausführlich berichtet, geheuchelt, denn als Russland in der UNO den Antrag stellte, das Thema in der UN-Hauptversammlung zu beraten, da haben sämtliche Staaten Europas, die angeblich den Vertrag erhalten wollen, mit den USA gegen eine solche öffentliche Aussprache gestimmt. Haben Sie davon gehört? Wahrscheinlich nicht, denn in Deutschland wurde darüber mit keinem Wort berichtet.
 
Dass es den USA in Wahrheit bei der Kündigung des Vertrages nicht um Russland geht, sondern um China kann man im Spiegel nur kurz lesen: „Die Motive der US-Regierung sind einigermaßen klar: Es sei „nicht akzeptabel“, dass sowohl Russland als auch China Mittelstreckenraketen entwickelten, während die USA sich weiter an den INF-Vertrag hielten, sagte Trump Ende Oktober in Nevada. Moskau und Peking müssten auf solche Waffensysteme verzichten. China aber hat eine künftige Teilnahme an dem Abkommen prompt zurückgewiesen. Dabei können Pekings Raketen inzwischen auch die großen US-Militärbasen in Guam, Japan und Südkorea erreichen, während den USA ähnliche Waffen dort nicht aufbauen dürfen – wegen des INF-Vertrags.
 
Wie gesagt, scheint mir aber auch dieser Grund vorgeschoben, es geht in meinen Augen um neue Aufträge für die Rüstungsindustrie, denn wie gesagt, können die USA – auch wenn sie wegen des INF-Vertrages auf neue bodengestützte Kurz- und Mittelstreckenraketen verzichten – immer noch mit ihren see- und luftgestützten Tomahawks auf eine Bedrohung aus China antworten oder eben ihre Tomahawks auch auf dem Lande stationieren. Man braucht dafür schlicht keine neuen Waffensysteme, man kann – wie gesagt – die auf Schiffen benutzten Startrampen auch an Land aufstellen und das Problem ist gelöst. Nur würde eine solche Lösung bedeuten, dass die Rüstungsindustrie kein Geld verdient.
 
Aber völlig abstrus wird es, wenn der Spiegel dann auch noch schreibt: „Und was Russland mit seinen neuen Mittelstreckenraketen bezweckt, gibt Politikern und Experten im Westen schon lange Rätsel auf. Eine Theorie lautet, dass Russland inzwischen glaubt, einen regional begrenzten Atomkrieg führen und auch gewinnen zu können.
 
Es ist – und das weiß jeder, der sich mit dem Thema beschäftigt hat – genau umgekehrt: In den USA gibt es immer wieder Stimmen, die meinen, man könne einen Atomkrieg gewinnen, zumal wenn er weit entfernt in Europa und nicht in den USA stattfindet. Für Russland wäre das genau vor der Haustür. Und niemand möchte einen Atomkrieg an der eigenen Grenze, auch Russland nicht!
 
Hinzu kommt, dass sich die USA in ihrer Militärdoktrin ausdrücklich den atomaren Erstschlag vorbehalten, während die russische Militärdoktrin einen atomaren Erstschlag ausdrücklich ausschließt. In Russland ist der Einsatz von Atomwaffen nur als Antwort auf einen atomaren Angriff vorgesehen oder wenn Russlands Existenz in Gefahr ist.
 
Was der Spiegel hier schreibt, ist so ein Unsinn, dass der Spiegel auch nicht sagt, von wem denn diese „Theorie“ ist, dass Russland einen regionalen Atomkrieg führen will und sogar meint, ihn gewinnen zu können. Es dürfte sich kein „Experte“ finden, der für so einen Unsinn seinen Namen hergibt, da kann der Spiegel also nur vage von einer „Theorie“ schreiben.
 
Ich bin vom Spiegel wirklich schon einiges gewöhnt, aber so einen Artikel, der so voll mit Propaganda und objektiven Lügen ist, habe ich selten gesehen.
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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