Jahresrückblick: Wie war 2018 für die deutsch-russischen Beziehungen?

Ich wurde gefragt, wie sich die russsich-deutschen Beziehungen in 2018 entwickelt haben. Leider muss ich sagen, dass sich da nicht viel entwickelt hat. Der Grund dafür ist in der Geopolitik zu suchen.
 
Geopolitik ist ein Thema, das auf den ersten Blick kompliziert ist. Aber nur auf den ersten Blick. In Wirklichkeit ist sie im Prinzip genauso, wie die Beziehungen zwischen Menschen zum Beispiel bei der Arbeit. Auch dort kennen wir Menschen, die Intrigen für ihren Vorteil nutzen. Nichts anderes ist Geopolitik. Jemand versucht, einen Vorteil gegenüber einem anderen zu bekommen und benutzt dafür Dritte, die er entweder manipulieren kann oder sogar mit Druck dazu bringen kann, sich ihm anzuschließen. Um Geopolitik zu verstehen muss man also nicht intelligenter sein, als andere Menschen, man muss nur die Interessen der Staaten und ihre Beziehungen und Abhängigkeiten verstehen.
 
Deutschland und Russland sind Staaten, die unglaublich viele gemeinsame Interessen haben. Und ihre Interessen ergänzen sich, sie stehen sich nicht im Gegensatz zueinander. Sie wären also eigentlich natürliche Partner. Man muss sich also fragen, warum das Verhältnis zwischen Russland und Deutschland so schlecht ist.
Sie sind außerdem die größten Staaten in Europa. Russland ist das größte Land der Welt und als europäisches Land das Land mit der größten Bevölkerung in Europa. Und Deutschland ist die Nummer zwei in Europa nach diesen Kriterien. Deutschland ist technisch auf vielen Gebieten weiter als Russland und führend in der Welt, hat eine der stärksten und innovativsten Industrien in Europa und der Welt, Russland ist das vielleicht reichste Land der Welt, wenn es um Bodenschätze geht. Welchen Einfluss diese Länder in der Welt ausüben könnten, wenn sie zusammen arbeiten würden, kann man sich kaum vorstellen. Vor allem wäre das eine echte Kooperation, denn kein Land könnte dem anderen Vorschriften machen, sie würden einander ergänzen und brauchen, keiner könnte den anderen dominieren, selbst wenn man es wollte.
 
Wenn man dies weiß, dann versteht man, warum die heutige Weltmacht, das heutige Imperium, das die Welt beherrscht oder beherrschen möchte, alles tut, um Deutschland und Russland gegeneinander auszuspielen. Dieses Imperium sind die USA und ihr Einfluss auf Deutschland ist so groß, dass man Deutschland fast als Kolonie oder Vasall der USA bezeichnen muss. Die USA haben ca. 40.000 Soldaten in Deutschland stationiert, man kann dies als Besatzung bezeichnen, die wichtigste Luftwaffenbasis der USA im Ausland ist in Rammstein in Deutschland.
 
Der Bundestag, hat 2011 die Entscheidung getroffen, dass die deutsche Regierung alles tun soll, damit die USA ihre Atomwaffen aus Deutschland abziehen. Schon das ist interessant: Deutschland hat die USA nicht etwa dazu aufgefordert, schließlich geht es um deutsches Gebiet, da müsste man glauben, dass Deutschland selbst entscheiden kann, wer dort welche Waffen stationiert oder auch welche Waffen abzieht. Aber der Beschluss war, dass die Regierung sich bei den USA dafür einsetzen soll, dass die Waffen abgezogen werden, man also quasi darum bittet.
 
Aber haben Sie davon gehört, dass die deutsche Kanzlerin dies von den USA gefordert hat? Ich auch nicht.
 
Und das ist das Problem: Deutschland darf über die Höhe der Einkommenssteuer in Deutschland entscheiden, aber nicht über die Aktivitäten der USA in Deutschland. Als bekannt wurde, dass die USA nicht nur alle Telefone in Deutschland abhören und alle Emails lesen, sondern sogar das Telefon der deutschen Kanzlerin abhören, hatte das keinerlei Konsequenzen. Es gibt viele weitere Beispiele, die belegen, dass Deutschland kein souveräner Staat ist, sondern dass Deutschland bei allen wichtigen (geopolitischen) Themen den Befehlen aus Washington folgt.
 
Das muss man wissen, wenn man etwas über das Verhältnis von Deutschland und Russland sagen möchte.
 
Ich wurde gefragt, wie sich die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland in 2018 entwickelt haben. Wenn man bedenkt, was ich hier geschrieben habe, dann ist die Antwort einfach: Sie haben sich gar nicht entwickelt, denn die USA wollen eine Konfrontation mit Russland und Deutschland ist dabei ein gehorsamer Gehilfe der USA.
 
In 2018 hatten wir ein paar geopolitische Ereignisse, die zeigen, was ich meine.
Da war zunächst der Fall Skripal. Obwohl bis heute niemand weiß, was mit den Skripals passiert ist, wurde Russland vom Westen beschuldigt, Chemiewaffen eingesetzt zu haben. Schon Tage nach dem Vorfall, als noch nicht einmal die OPWC die Spuren untersuchen konnte, haben viele westliche Staaten – auch Deutschland – russische Diplomaten ausgewiesen. Dass die OPWC bis heute niemanden beschuldigt hat und auch nicht sagen kann, was den Skripals zugestoßen ist, ist für die deutschen Medien und Politiker nicht wichtig. Wenn die Anglo-Amerikaner es wollen, dann folgt Deutschland ihrem Willen. Da herrscht blinde Vasallentreue.
 
Wie absurd das ist, sieht man an dem Fall des saudischen Journalisten Kharshoggi, der in der Türkei im saudischen Konsulat ermordet wurde. Da gibt es wenig offene Fragen. Die einzige offene Frage ist, ob der saudische Kronprinz den Mord angeordnet hat oder nicht. Bei Skripal weiß man nichts, bei Kharshoggi weiß man (fast) alles. Aber gab es Sanktionen gegen Saudi Arabien? Hat Deutschland saudische Diplomaten ausgewiesen? Natürlich nicht. Washington hat Russland zum Gegner erklärt, Deutschland tut, was Washington möchte. Saudi-Arabien ist ein Verbündeter der USA und Deutschland reagiert nicht auf Saudi-Arabiens Verbrechden. So einfach ist es.
 
Besonders deutlich war die Vasallentreue Deutschlands zu den USA zu sehen, als im September und Oktober 2018 die Gefahr bestand, dass es in Syrien zu einem weitern Zwischenfall mit Chlorgas kommen könnte. Russland und Syrien sagten, dass die Islamisten in Idlib eine Provokation mit Chemiewaffen für den Fall planen, dass Syrien Idlib befreien sollte. Die USA beschuldigten daraufhin Syrien, dort chemische Waffen einsetzen zu wollen und drohten mit massiver Vergeltung. Dazu kam es nicht, Russland, die Türkei und der Iran haben sich auf einen Kompromiss zum Thema Idlib geeinigt und es kam nicht zu einem Angriff.
 
Aber schon die Beschuldigung der USA, Syrien könnte Chemiewaffen einsetzen, führte dazu, dass Bundeskanzlerin Merkel im Voraus gesagt hat, ein US-Angriff auf Syrien wäre berechtigt und sie wollte sogar deutsche Soldaten daran teilnehmen lassen. Daraufhin hat das deutsche Parlament seine Experten, den sogenannten wissenschaftlichen Dienst des Bundestages, ein Gutachten erstellen lassen. Das Ergebnis war, dass eine Beteiligung Deutschlands an einer solchen militärischen Operation erstens völkerrechtswidrig wäre und dass diese Beteiligung zweitens auch nach der deutschen Verfassung illegal wäre. Die deutsche Kanzlerin ist aber dabei geblieben, eine Unterstützung der USA wäre nötig, wenn es zu einem Zwischenfall mit Chemiewaffen in Idlib kommen sollte. Die deutsche Kanzlerin, die einen Eid auf die deutsche Verfassung geleistet hat, hat also kein Problem damit, die Verfassung und die Gesetze Deutschlands zu brechen, wenn die USA es möchten.
 
Das alles klingt nicht gut. Es gibt aber noch andere interessante Details.
 
Man müsste ja meinen, dass Putin bei dieser deutschen Politik keine Lust hat, mit Merkel zu reden. Das Gegenteil ist der Fall. Merkel und Putin treffen sich sehr oft. Und wenn man Putin aufmerksam zuhört, merkt man, dass er immer positiv über Merkel spricht. Das ist schwer verständlich. Ich vermute, dass Merkel trotz ihrer beschränkten politischen Möglichkeiten und trotz ihrer anti-russischen Rhetorik in der Öffentlichkeit, unter vier Augen mit Putin anders spricht.
 
Ein Beleg dafür ist, dass das Abkommen von Minsk, das eine Initiative von Merkel war, bei der sie sich gegen die USA gestellt hat, die ein solches Abkommen nicht wollten, aber es, als es unterschrieben war, akzeptieren mussten. Das Abkommen hat viele Schwächen, aber es hat damals den Krieg in der Ukraine „eingefroren“. Der Konflikt besteht noch, es sterben immer noch Menschen, aber das Abkommen hat eine weitere Eskalation, die damals Anfang 2015 sehr wahrscheinlich war, verhindert.
 
Auch bei der Pipeline Nord Stream 2, die Europa dringend braucht, um seinen steigenden Bedarf an Erdgas zu decken, steht Merkel bisher gegen die USA. Obwohl die USA sogar schon offen mit Sanktionen wegen Nord Stream 2 drohen, versucht Merkel das Projekt zu realisieren.
 
Aber das war auch das Maximum dessen, was Merkel an Widerstand gegen Washington zu leisten bereit war.
 
Merkel ist inzwischen eine Person der Vergangenheit und nicht mehr der Zukunft, denn nach vielen verlorenen Wahlen hat Merkel den Vorsitz ihrer Partei abgegeben, bevor sie von der Partei abgesetzt werden konnte. Merkel ist jetzt noch bis maximal 2021 Kanzlerin, vielleicht wird ihre Partei sie auch vorher absetzen, wenn man meint, dass das besser für die Wahl 2021 ist.
 
Die Partei hat Annegret Kramp Karrenbauer zur neuen Vorsitzenden gewählt, sie wäre also bei Merkels Rücktritt wahrscheinlich die neue Kanzlerin. AKK ist sehr eng mit Frankreich und auch den USA verbunden, sie hat sogar hohe französische Orden erhalten.Aber sie hat keinerlei außenpolitische Erfahrung, sie war bisher nur innenpolitisch tätig.
 
Daher ist zu erwarten, dass sie in ihrer pro-amerikanischen Haltung und ohne die Kenntnis der Krisen der vergangenen Jahre, also zum Beispiel bei der Ukraine und im Verhältnis zu Russland, eine schwierige Partnerin für Russland wird. Merkel, so anti-russisch ihre Politik auch war und ist, hat zumindest diese Krisen miterlebt und weiß, was passiert ist. AKK war in der Zeit, als die Krisen in der Ukraine oder in Syrien begannen, als Saarländische Ministerpräsidentin noch eine Regionalpolitikerin.
 
Eine Vorhersage über die Beziehungen von Deutschland und Russland ist also schwer zu treffen. Oder auch leicht, denn wenn sich in Deutschland nichts ändert, wenn Deutschland nicht endlich die Dominanz der USA abschüttelt, dann wird sich gar nichts ändern und mit einer neuen und unerfahrenen Kanzlerin AKK wird es eher noch schwerer, als mit Merkel.
 
Wenn Deutschland sich jedoch auf seine eigenen Interessen besinnt, dann könnte eine echte Zusammenarbeit für Russland, Deutschland und Europa den Menschen ein besseres und friedliches Leben bringen. Ja, ich sage bewusst „friedlich“, denn auch wenn es bei uns heute keinen Krieg gibt, fragen sie mal die Menschen in Donezk oder Lugansk.
 
Leider sehe ich derzeit keinen deutschen Politiker, der für eine solche Politik steht, alle wichtigen Politiker in Deutschland, egal bei welcher Partei sie sind, vertreten in Fragen der Geopolitik die gleiche Linie: Keine Kritik an den USA, ein bisschen Kritik an Trump, aber eben nicht an den USA. Aber dafür massive Kritik an Russland, selbst dann, wenn Russland überhaupt nichts getan hat.
 
Aber man soll die Hoffnung nicht aufgeben, auch Schröder folgte den USA in den Jugoslawienkrieg, um dann plötzlich umzuschwenken und in Opposition zum Irakkrieg zu gehen und trotz der anti-russischen Propaganda in Deutschland zeigen die Umfragen in Deutschland, dass immer mehr Menschen die anti-russische Propaganda nicht mehr glauben.
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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