Präsidentschaftswahl Ukraine: Selensky siegt haushoch, Poroschenko erkennt Niederlage an
Die Wahllokale in der Ukraine sind soeben geschlossen worden und die ersten offiziellen Prognosen zeigen einen klaren Vorsprung für Selensky, zwischen 70 und 75% vor Poroschenko mit 25 bis 30%.
Selensky hat die erste Prognosen bereits im Saal mit seinen Anhängern erwartet und wie zu Sylvester einen Countdown heruntergezählt, als um 20.00 Uhr Ortszeit die ersten Prognosen auftauchten. Er hat live mit seinen Unterstützern gefeiert.
Poroschenko trat um 20.18 Uhr vor seine Anhänger. Er begann eine Rede mit Durchhalteparolen und Angriffen auf Putin und Russland, anstatt seine Niederlage sofort einzugestehen. Erst nach fünf Minuten kam er auf die Prognosen zu sprechen und kündigte an, er werde nun seinen „Opponenten anrufen und ihm gratulieren“. Er kündigte auch an, in der Politik zu bleiben zu wollen. Von Demut eines Wahlverlierers kann jedoch keine Rede sein, denn anschließend redete er noch über 20 Minuten und beschwor alle seine Feindbilder. Er wolle die Ukraine vor Russland schützen, er kritisierte Selensky als Freund Russlands und so weiter.
22.00 Uhr Ortszeit, 21.00 Uhr deutsche Zeit: Interessant ist, dass die Analysten momentan erstaunlich ratlos sind, wie es in der Ukraine weitergeht. Da Selensky politisch nicht vernetzt ist, wird spekuliert, er könnte das Parlament vorzeitig auflösen, um sich im neuen Parlament eine Mehrheit zu beschaffen. Der Spiegel nennt Selensky „pro-westlich“, was man seinen Aussagen auch entnehmen kann. Er strebt einen EU-Eintritt an, will aber über einen möglichen Nato-Beitritt eine Volksabstimmung entscheiden lassen. Aber er hat auch seine Bereitschaft gezeigt, mit Russland zu sprechen.
Auch eine erste improvisierte Pressekonferenz von Selensky am Abend brachte nichts konkretes. Er hielt sich mit konkreten Versprechen zurück und sagte erneut, dass es seine Priorität ist, den Bürgerkrieg zu beenden. Er sagte, er setze auf den Minsker Friedensprozess. Auf der Pressekonferenz teilte er auch mit, dass Poroschenko ihm telefonisch zum Wahlsieg gratuliert hat.
Außerdem sind zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale die ersten offiziellen Zahlen veröffentlicht worden. Nach Auszählung von 1,24% der Stimmen liegt Selensky bei 70,26% und Poroschenko 27, 39%.Die Differenz dieser Zahlen zu 100% erklärt sich aus ungültigen Stimmen. Die Wahlbeteiligung wird mit 62,08% angegeben.
0.30 Uhr Ortszeit, 23.30 deutsche Zeit: Nach Auszählung von 9,9% der Stimmen führt Selensky mit 72,72% vor Poroschenko mit 24,95%. Das ist übrigens das schlechteste Resultat einer Stichwahl in der Geschichte der Ukraine, was ein weiterer Hinweis auf die große Unzufriedenheit im Land ist. Die Wahlbeteiligung wurde leicht auf 62,06% korrigiert, nachdem 198 der 199 Wahlbezirke in die Berechnung eingeflossen sind.
8.30 Uhr Ortszeit, 7.30 deutsche Zeit: Nachdem 90,25% der Stimmen ausgezählt sind, hat sich der Abstand zwischen den Kandidaten sogar noch vergrößert. Auf Selensky entfallen 73,18% der Stimmen, auf Poroschenko nur 24,49%.
Die Auszählungen dauern in der Ukraine recht lange,das endgültige offizielle Wahlergebnis wurde für den 30. April angekündigt. Aber es dürfte sich nichts entscheidendes mehr ändern.
Erste Berichte deuten auf weniger Wahlverstöße hin, als beim ersten Wahlgang. Anscheinend hat Poroschenko von Versuchen der Wahlfälschung abgesehen, weil es kaum möglich war, die Wahl so massiv zu fälschen, wie es für einen Sieg nötig gewesen wäre. Und eine vom Nachfolger aufgedeckte Wahlfälschung würde seine juristischen Probleme, die in den nächsten Monaten auf ihn zukommen dürften, noch verschlimmern.
Da das Ergebnis hiermit endgültig feststeht, beende ich die Aktualisierungen dieses Artikels.
Wenn Sie sich für die Ukraine nach dem Maidan und für die Ereignisse des Jahre 2014 interessieren, als der Maidan stattfand, als die Krim zu Russland wechselte und als der Bürgerkrieg losgetreten wurde, sollten Sie sich die Beschreibung zu meinem Buch einmal ansehen, in dem ich diese Ereignisse detailliert auf ca. 800 Seiten genau beschreibe. In diesen Ereignissen liegt der Grund, warum wir heute wieder von einem neuen Kalten Krieg sprechen. Obwohl es um das Jahr 2014 geht, sind diese Ereignisse als Grund für die heutige politische Situation also hochaktuell, denn wer die heutige Situation verstehen will, muss ihre Ursachen kennen.
Nächster Beitrag: Korrespondentenbericht im Spiegel: So funktioniert Desinformation in Deutschland