Wie alles begann

Teil 4: Die „Gesetze vom 16. Januar“ und ihre Folgen

Ich werde drei Wochen lang an jedem Wochentag einen Teil der Chronologie der Ereignisse des Jahres 2014 veröffentlichen, die den Grundstein für den Krieg in der Ukraine gelegt haben.

Die Ereignisse des Jahres 2014 haben den Grundstein für die Eskalation in der Ukraine gelegt, zu der es vor fast einem Jahr gekommen ist. In meinem Buch über die Ukraine-Krise habe ich die Ereignisse des Jahres 2014 auf über 700 Seiten chronologisch dokumentiert. Da sich diese Ereignisse nun zum neunten Mal jähren, werde ich in den nächsten drei Wochen täglich ein Kapitel aus dem Buch als Leseprobe veröffentlichen.

In dieser 15-teiligen Serie werde ich die Chronologie der Ereignisse vom Beginn des Maidan Ende 2013 bis zum Beginn des Krieges im Donbass im April 2014 behandeln. Diese – heute fast vergessenen – Ereignisse haben den Grundstein für den Krieg in der Ukraine gelegt und sind zum Verständnis dessen, was sich heute ereignet, unverzichtbar.

In diesem vierten Teil der 15-teiligen Serie geht es um die Die „Gesetze vom 16. Januar 2014“ und ihre Folgen. Ich verzichte hier auf Quellenangaben, in dem Buch sind alle Quellen angegeben.

Die „Gesetze vom 16. Januar“ und ihre Folgen

Da die Besetzung des Maidan und einiger öffentlicher Gebäude nach wie vor nicht genehmigt waren und sich die Demonstranten allen Aufrufen zur Räumung widersetzten, verschärfte die Rada am 16. Januar das Demonstrationsrecht, führte ein Vermummungsverbot ein und erhöhte die Strafen für Verstöße. Um zu verstehen, ob dieses Gesetz tatsächlich „diktatorisch“ war, wie die Opposition formulierte oder ob die massive Kritik des Westens an dem Gesetz gerechtfertigt war, lohnt ein Blick in das ukrainische Gesetz (No. 721 VII vom 16. Januar 2014 ) und ein Vergleich z.B. mit dem deutschen Straf- bzw. Demonstrationsrecht

Tatbestand           Deutschland           Ukraine 
Verstoß gegen das Demonstrationsrecht (in Deutschland VersG §§ 21-29)Bis zu 2 Jahre HaftBis 10 Tage Haft
Vermummungsverbot bei Demonstrationen (in Deutschland VersG §§17a, 27-29)Geldstrafe oder bis zu 1 Jahr HaftGeldstrafe oder bis zu 15 Tage Haft
Bewaffnung bei Demonstrationen (in Deutschland VersG und StGB)Geldstrafe oder bis zu 1 Jahr HaftGeldstrafe oder bis zu 15 Tage Haft
Ungenehmigte Benutzung von Lautsprechern bei DemonstrationenNach Teilnehmerzahl: bis 20 verboten, 20-40 genehmigungspflichtig, ab 40 erlaubtGeldstrafe oder bis zu 15 Tage Haft
Widerstand gegen die StaatsgewaltBis zu 5 Jahre HaftBis zu 5 Jahre Haft
Extremismus (verfassungsfeindliche Tätigkeiten, Volksverhetzung, etc) wobei sich die ukrainischen Definitionen weitgehend mit den deutschen decktenBis zu 5 Jahre Haft (In Deutschland werden die in der Ukraine in einem Paragraphen behandelten Tatbestände in verschiedene Paragraphen und Gesetzen behandelt)Bis zu 3 Jahre Haft (Eine Gefängnisstrafe von maximal 3 Jahren war in dem ukrainischen Gesetz erst im Wiederholungsfall vorgesehen, bei Ersttätern lediglich eine Geldstrafe)
Besetzung öffentlicher Gebäude (in Deutschland im StGB unter Schwerer Hausfriedensbruch geregelt)Geldstrafe oder bis zu 2 Jahre HaftBis zu 5 Jahre Haft

Es gab noch weitere Einschränkungen die als Ordnungswidrigkeiten eingestuft wurden, z. B. illegale Autokorsos, die das russische Wikipedia ausführlich auflistet, die wir jedoch vernachlässigen können, da bei Ordnungswidrigkeiten lediglich geringe Geldstrafen und keine weiteren Maßnahmen drohten.

Weiter wurde in verschiedenen Äußerungen eine Beschränkung der Meinungsfreiheit beklagt, jedoch regelten andere am 16. Januar beschlossene Gesetze hier in Kombination mit dem analysierten Gesetz lediglich, dass Medien keine extremistische und verfassungsfeindliche Propaganda veröffentlichen durften und Zuwiderhandlungen mit Geldstrafen geahndet wurden. Auch Verleumdung wurde in diesem Zusammenhang unter Geldstrafe gestellt (Höchststrafe weniger als 1.000 Euro; generell waren alle Geldstrafen gering, 1.000 Euro war eine der höchsten Geldstrafen im Gesetzespaket, die meisten Geldstrafen waren wesentlich geringer). Lediglich auf verleumderische Behauptungen, die eine Person wahrheitswidrig schwerer Kapitalverbrechen bezichtigen, stand gemeinnützige Arbeit oder bis zu 2 Jahre Haft. In Deutschland wird dies in § 187 StGB geregelt und Verleumdung wird mit bis zu 5 Jahren Haft geahndet, auch hier also ein geringeres Strafmaß in der Ukraine als in Deutschland. Und man muss sich generell fragen, ob es eine Einschränkung der Pressefreiheit ist, wenn das Verbreiten von extremistischen, verfassungsfeindlichen und von verleumderischen Behauptungen – wie ja in Deutschland auch – verboten wird. Das würde bedeuten, dass in Deutschland die Pressefreiheit eingeschränkt ist.

Es zeigt sich, dass diese „diktatorischen“ Gesetze für gleiche Straftaten meist weit geringere Strafen vorsahen, als z.B. das deutsche Straf- und Versammlungsrecht. Daher stellt sich die Frage, wie die deutsche Presse einhellig zu Beurteilungen kam, wie sie z.B. die „Süddeutsche Zeitung“ am 17. Januar 2014 unter der Überschrift „EU rügt verschärftes Demonstrationsrecht in der Ukraine“ veröffentlichte. Die „Süddeutsche“ schrieb in dem Artikel: „Die getroffenen Entscheidungen bezeichnete sie (Ashton) als „überstürzt“ Sie schränkten die Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit in dem Land ein … Auch die Bundesregierung kritisierte die Einschnitte in die Freiheitsrechte. … Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Anzeichen der Einschüchterung beobachte die Bundesregierung mit großer Sorge. … Die Opposition um Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko und die frühere Regierungschefin Julia Timoschenko kritisierte die Änderungen als „diktatorisch“ und „Krieg gegen das eigene Volk“““

Es stellt sich die Frage, ob die Verfasser dieses Artikels – und auch anderer ähnlicher Beiträge in anderen Medien – das Gesetz überhaupt gelesen und verstanden haben, denn die Beurteilung des Gesetzes war im Westen einhellig. Die gleiche Frage stellt sich auch im Hinblick auf die Kommentare der westlichen Politiker.

Gleiches gilt übrigens auch für die russischen Medien. Interessant ist, dass die russischen Medien die westlichen Einschätzungen recht kommentarlos zitierten. Beispielhaft zeigt dies ein Artikel von „Interfax“ vom 18. Januar mit der Überschrift „Janukowitsch unterschrieb alle Gesetzesänderungen vom 16. Januar“ . „Interfax“ schrieb: „Die größte Verärgerung löste bei Opposition und Journalisten das Gesetz aus, das Verleumdung unter Strafe stellt. Die unabhängige Mediengewerkschaft der Ukraine … wandte sich gestern mit der Forderung an Janukowytsch, von seinem Vetorecht Gebrauch zu machen, da das Gesetz faktisch Zensur im Land einführe.“

Ob ein Verbot von Verleumdung, Rufschädigung oder extremistischer Propaganda, denn nur darum ging es in den Gesetzen, als „Zensur“ bezeichnet werden kann, sei einmal dahingestellt. Weiter zitierte „Interfax“ westliche Politiker: „“Wenn die Ukraine wirklich zu einer europäischen Zukunft strebt, dann muss sie die menschenrechtlichen und demokratischen Prinzipien und Werte achten, die die Basis Europas sind: Freiheit und Frieden, anstatt diese systematisch zu demontieren“ heißt es in einem Statement der Sprecherin des US-Außenministeriums Jen Psaki vom Donnerstag“

So zitierte „Interfax“ verschiedene westliche und oppositionelle Kritiker des Gesetzes, ohne auf den Inhalt des Gesetzes selbst einzugehen.

Positiv hebt sich ein Beitrag der ukrainischen „BBC“ vom 16. Januar von anderen internationalen Medien ab. Unter dem Titel „Was verbieten die neuen Gesetze den Ukrainern und was schränken sie ein?“ brachte die russischsprachige Ausgabe der „BBC“ in der Ukraine eine sachliche Auflistung der neuen Vorschriften inklusive der vorgesehenen Strafen .

Anscheinend haben andere Journalisten dies nicht gelesen, denn es fanden sich keine weiteren Artikel, die sich so sachlich mit den neuen Vorschriften auseinandersetzten oder sich gar die Mühe machten, sie mit den Gesetzen in anderen Ländern zu vergleichen. Wie aufgezeigt, ergibt eine solche Analyse, dass die Einschränkungen in der überwiegenden Mehrheit gering waren, die einzige höhere Strafe als in Deutschland betraf schweren Hausfriedensbruch. Wenn man die Äußerungen des deutschen Regierungssprechers Seibert zu den Gesetzen wörtlich nähme, läge in Deutschland eine massive Einschränkung des Demonstrationsrechts vor und es würde „Einschüchterung“ der Bevölkerung herrschen.

Am 19. Januar begannen als Reaktion auf das Gesetz heftige Ausschreitungen in Kiew.

Die Angaben über die Anzahl der Demonstranten sind wiederum nicht einheitlich. Der „Spiegel“ sprach unter der Überschrift „Krawalle in der Ukraine – Klitschko attackiert“ von 100.000 bis 200.000 Demonstranten , die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ dagegen schrieb unter „Wir werden kämpfen, wenn es nötig ist“ von „mehr als 50.000“ . Die „BBC“ sprach unter der Überschrift „Clashes after thousands defty protest ban“ von Zehntausenden . Die Veranstalter selbst nannten laut „UNIAN“ die Zahl 500.000 . während „UNIAN“ laut „Lenta.ru“ selbst auch „nur“ etwa 100.000 schätzte, aber hinzufügte, es kämen immer mehr Menschen hinzu.

Die Situation eskalierte, als ein Teil der Demonstranten ins Regierungsviertel eindrangen und Polizeisperren durchbrechen wollten. Die Polizei setzte laut übereinstimmenden Medienmeldungen Wasserwerfer, Blendgranaten und Tränengas ein. Die Anzahl dieser gewaltbereiten Demonstranten schwankte wiederum in den Pressemeldungen. So berichtete die „BBC“ im schon erwähnten Artikel, dass die Situation eskalierte, als „einige“ Demonstranten zum Parlament durchbrechen wollten. Der „Spiegel“ sprach unter „Erneute Straßenschlachten in Kiew“ von „500 Gewaltbereiten“ , während „ITAR Tass“ unter der Überschrift „In Kiew kam es zu Zusammenstößen zwischen Opposition und Miliz“ von 2.000 sprach .

Über die Anzahl der Verletzten am ersten Tag herrschte hingegen Einigkeit unter den Medien und alle nannten ca. 200 Verletzte, davon ca. 70 Polizisten in den ersten 24 Stunden.

Die Schwerpunkte der Berichterstattung über die Proteste in diesen Tagen unterschieden sich wiederum zwischen Russland und dem Westen. Während zum Beispiel der „Spiegel“ zwischen 19. und 21. Januar seinen Schwerpunkt auf die Proteste legte und in den schon erwähnten Artikeln die Demonstranten eher in der Rolle der Opfer einer ausufernden Staatsgewalt sah, berichtete „RIA-Novosti“ unter der Überschrift „Abgeordnete der Opposition bewaffnen Protestler, meldet das Ukrainische Innenministerium“ davon, dass die Opposition auf dem Maidan „Selbstverteidigungskräfte“ bildete und diese mit „2 Meter langen Holzstangen mit Metallspitzen“ bewaffnete, mit denen gegen die Polizei vorgegangen werden sollte. Weiter wurde eine Meldung des Innenministeriums zitiert: „Diese Stangen sind nichts anderes, als gefährliche Waffen, mit denen sie Sicherheitskräfte verletzen wollen. Die Abgeordneten, die sich hinter ihrer (parlamentarischen) Immunität verstecken, drängen die Leute de facto zum Begehen von Straftaten.“

Die Unruhen dauerten noch mehrere Tage an und die Lage beruhigte sich erst ab dem 24. Januar. Die höchste Opferzahl nannte die deutsche Ausgabe des „Wall Street Journal“, es sprach am 24. Januar unter der Überschrift „Ukrainische Opposition stürmt Regierungsgebäude“ von 1.700 verletzten Demonstranten und fünf Toten(13). Auch in anderen Städten der Ukraine kam es in diesen Tagen zu Unruhen und Besetzungen von Regierungsgebäuden.

Das schon erwähnte mitgeschnittene Telefonat von Frau Nuland fand nach meiner Ansicht in den Tagen vor der Kiew-Reise des UNO-Sondergesandten Serry statt, der Kiew am Mittwoch dem 29. Januar besuchte. Damit fiele das Telefonat genau in diese Tage der Unruhen. In dem Telefonat besprach Nuland mit dem US-Botschafter in Kiew, wer sich nach ihrer Meinung an der Regierung beteiligen sollte und sprach sich explizit gegen Klitschko (Partei „Udar“) und Tjahnybok (Partei „Swoboda“) in der Regierung aus.

Am 25. Januar bot Präsident Janukowytsch der Opposition an, die Regierung zu entlassen und Jazenjuk zum Premierminister und Klitschko zum Vize-Premier zu ernennen. Die Opposition lehnte das Angebot ab und stellte stattdessen verschiedene Forderungen inklusive des Rücktritts von Janukowytsch und vorgezogene Präsidentschaftswahlen als Voraussetzung für eine Regierungsbeteiligung. Um die verschiedenen Sichtweisen zu beleuchten, lohnt ein Blick auf die Pressemeldungen dieser Tage.

Der „Spiegel“ schrieb am 26. Januar unter der Überschrift „Machtkampf in der Ukraine: Janukowitsch zeigt erstmals Nerven“ über eine Rede von Klitschko auf dem Maidan: „Grinsend kommt der frühere Boxweltmeister und heutige Oppositionsführer gegen elf Uhr nachts auf die große Bühne im Zentrum Kiews. „Die Falle des Präsidenten ist nicht zugeschnappt“, sagt der zwei Meter große Hüne, „wir lassen uns nicht spalten.“ … Mit dem Angebot unternahm der Präsident offenkundig einen taktischen Versuch, sich an der Macht zu halten, indem er die fragile Koalition der beiden Führer der Opposition und einer nationalistischen Partei zu spalten versuchte … Das Kalkül beruht auf der fragilen Koalition seiner Gegner. Zwar glaubte kaum jemand, dass Klitschko, der seit Wochen den Rücktritt des Präsidenten und Neuwahlen fordert, das Angebot annehmen könnte. Bei seinen beiden Partnern war man sich jedoch nicht so sicher, so gilt zum Beispiel Jazenjuk bis heute als Wackelkandidat. Folglich dauerten die Beratungen nach dem Treffen mit Janukowitsch ziemlich lange. … Außer den Regierungsposten stellte Janukowitsch auch Änderungen der Verfassung in Aussicht. Bisher verfügt er über weitgehende Befugnisse, Regierung und Parlament gelten als weitgehend entmachtet.“

Wie der „Spiegel“ zu der Einschätzung kam, Jazenjuk könne ein „Wackelkandidat“ sein, ist nicht ersichtlich. Wer sich mit der politischen Situation in der Ukraine auskannte, wusste, dass Jazenjuk ein erbitterter Gegner Janukowytschs war. Jazenjuk als Premierminister unter einem Präsidenten Janukowytsch war völlig unvorstellbar. Nach meiner Vermutung dauerten die Beratungen zwischen den Oppositionellen so lange, weil zu diesem Zeitpunkt intern bereits sehr unterschiedliche Meinungen zum weiteren Vorgehen nach einer Regierungsübernahme herrschten. Dazu kommen wir gleich, denn Anfang Februar hat die russische Wirtschaftszeitung „Vzglyad“ dazu und zu den Vorgängen in diesen Tagen eine interessante Analyse veröffentlicht.

Die Ukrainische Nachrichtenagentur „UNIAN“ berichtete am 26. Januar unter der Überschrift „Jazenjuk über Premierministeramt: Wir lehnen das Angebot nicht ab, wir nehmen es jedoch auch nicht an“, dass Jazenjuk eine ganze Anzahl Forderungen stellte, darunter die Freilassung „tausender Gefangener“ inklusive seiner Parteifreundin Timoschenko, Änderungen der Verfassung, etc.

Auch „Lenta.ru“ berichtete am 26. Januar unter der Überschrift „Die Opposition lehnt Angebot der Regierung ab“ und zitierte Jazenjuk mit den Worten „Wir sind bereit, das Land in die EU zu führen … aber auf die direkte Frage, ob er Premierminister werde, antwortete er nicht“. Tjahnybok wurde mit den Worten „Jedes Mal, wenn Janukowitsch Frieden bietet, gibt es Unannehmlichkeiten. Wir brauchen konkrete Taten. Alle auf den Maidan! Der Kampf geht weiter bis alle Fragen geklärt sind!“ zitiert. Und über Klitschkos Reaktion konnte man lesen: „Die sogenannten „diktatorischen Gesetze“ müssen abgeschafft werden und vorgezogene Präsidentenwahlen noch 2014 stattfinden.“

Obwohl Janukowytsch auf fast alle Forderungen einging, lehnte die Opposition dann eine Regierungsbeteiligung ab.

Am 28. Januar trat Ministerpräsident Asarow mit seiner gesamten Regierung zurück und am gleichen Tag hob die Rada die verschärften Demonstrationsgesetze wieder auf. Ein neuer Premierminister wurde nicht ernannt, die Opposition verweigerte weiterhin die Regierungsbeteiligung und so blieb der Vize-Premier als kommissarischer Premier im Amt.

Am 29. Januar gab Angela Merkel eine Regierungserklärung ab und redete zu Beginn über die Ukraine-Krise. Und sie sagte, dass „die Tür nach Europa nach wie vor noch weit offen ist“ . Ganz so, als hätte sie dies am 18. November 2013, also gerade zwei Monate zuvor, nicht selbst in Frage gestellt.

Am 10. Februar schrieb die russische Wirtschaftszeitung „Vzglyad“ (Blick) eine interessante Analyse über die turbulenten Tage Ende Januar und stellte dabei eine Verbindung zu dem Nuland-Telefonat her. Die Zeitung arbeitete in der Analyse heraus, dass sich das Verhältnis zwischen Jazenjuk und Klitschko nach der Veröffentlichung des Telefonats abgekühlt haben dürfte, da nun offensichtlich wurde, dass die USA voll auf Jazenjuk setzten und keine führende Rolle für Klitschko sahen und den „Organisator“ des Maidan Tjahnybok gleich gar nicht in ihre Pläne einbezogen. Die Differenzen wurden auch dadurch deutlich, dass die Vorstellungen der verschiedenen Parteien über die Verfassungsänderungen stark voneinander abwichen. So wollte Jazenjuk, der keine Chancen auf einen Sieg bei einer Präsidentschaftswahl hatte, die Rechte des Präsidenten stark beschneiden und den Premierminister stärken, da er sich aufgrund guter Aussichten seiner Partei „Vaterland“ bei Parlamentswahlen diesen Posten erhoffte. Auch wollte er die Hürden für eine Amtsenthebung des Präsidenten weit niedriger legen als Klitschko.

Klitschko wiederum rechnete sich gute Chancen bei einer Präsidentschaftswahl aus und wollte daher die Rechte des Präsidenten weitgehend erhalten. Außerdem wollte Klitschko eine Regelung kippen, nach der ein Präsidentschaftskandidat die letzten zehn Jahre in der Ukraine gelebt haben musste, wobei seine Partei jedoch bestritt, dass dies etwas mit seinem eigenen Wohnsitz in Hamburg zu tun gehabt hätte. Interessant ist auch, dass sich Timoschenko aus der Haft meldete und ihrem Parteifreund Jazenjuk in der Frage der Beschneidung der Rechte des Präsidenten widersprach, da auch sie sich – nicht zuletzt aufgrund ihres guten Abschneidens bei der letzten Präsidentschaftswahl – Hoffnungen auf das Präsidentenamt machte.

Eine Analyse des Gesprächs von Frau Nuland legt nahe, dass es am 25. oder 26. Januar stattgefunden haben dürfte, da dort das Angebot Janukowytschs besprochen wurde und erwähnt wurde, die drei Oppositionsführer säßen momentan beisammen, um es zu besprechen. Nuland und der US-Botschafter besprachen in dem Telefonat, dass Jazenjuk Premier werden sollte und Klitschko und Tjahnybok aus der Regierung herausgehalten werden sollten. Hier wird deutlich, dass es möglicherweise auch zwischen den USA und der EU widersprüchliche Ansichten gab, denn die USA unterstützten Jazenjuk schon seit mindestens 2007 über dessen Open Ukraine Foundation während die EU, und hier als treibende Kraft Deutschland, Klitschko über die Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützten. Auch in diesem Zusammenhang ist das berühmte „Fuck the EU“ politisch durchaus brisant gewesen.

In jedem Fall beruhigte sich die Lage ab dem 28. Januar wieder und für ca. 3 Wochen blieb der Status Quo erhalten.


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

18 Antworten

  1. Ganz ehrlich, also Russland hätte 2014 die Ukraine mindestens bis zum Dnepr besetzen sollen. Damals wäre das wirklich in ein paar Wochen möglich gewesen. Aber heute.. man beißt sich seit 1 Jahr die Zähne aus im Donbas und kommt gefühlt 1 KM pro Monat voran. Das liegt nicht an der russischen Armee sondern an den Befestigungsanlagen und den endlosen mobilisierten Ukrainern, das gab alles so noch nicht 2014.

    1. Die Deutschen sollten ihr kriegslüsternes, aber verarmtes und heruntergekommenes Shithole wieder zu einem ordentlichen Land machen. Dann hätten die Russen solche Probleme gar nicht.

    2. Die Ukrainer hätte ihr Land gegen die völkerrechtswidrige Aggression des Wertewestens verteidigen müssen. Sogar Merkels Berater haben 2013 zugegeben, was die Folgen einer Annexion/Kolonisierung durch die EU als „Deep and Comprehensive Free Trade Area“ sein werden:
      „Trotz der langfristigen Vorteile für beide Seiten birgt die Umsetzung des Abkommens kurzfristig scharfe und zum Teil sozial äußerst schmerzhafte Anpassungen.“
      dgap.org/de/think-tank/publikationen/dgapstandpunkt/ueber-vilnius-hinaus-denken

      „Mit einer Öffnung der Märkte wären enorme Anpassungskosten angefallen und die Arbeitslosenzahlen in die Höhe geschnellt. Damit wären innerhalb eines Jahres die Zustimmungsraten zu einer Integration mit der EU und zu Präsident Janukowitsch massiv gesunken.“
      zeitschrift-ip.dgap.org/de/ip-die-zeitschrift/archiv/jahrgang-2014/januar-februar/verkalkuliert-vilnius

    3. aber wenn man noch andere Gesichtspunkte mit einbezieht, ist der jetzige Zeitpunkt viel besser

      – Offenlegung der Biolabore, war 2014 noch überhaupt kein Thema
      – Aufbau der BRICS und Weggang vom Pedrodollar
      – Untergang des US-Imperiums und der NATO, die ja fast genauso entmilitarisiert ist wie die Ukraine
      – Entblößung der Geld-Waschmaschine Ukraine und der Korruption in der westl. Ländern
      – Aufbau der Multipolaren Welt
      – …..

      wenn man mal die Niederschlagung des ukrainischen Regime weg lässt und die ganze globale Situation anschaut ist der jetzige Zeitpunkt und das langsame Vorgehen viel effektiver und hat mehr Auswirkungen auf die Gesamtsituation als eine schnelle Zerschlagung des Landes

      1. Sehr gut, damals war nicht der Zeitpunkt. Die Drecksauereien mussten erst gären und ihren Pestilenzgestank an die Oberfläche bringen. Russland wird dieses stinkende Eitergeschwür wie ein lästigen Abzess mit Skalpell und Schere eliminieren. Sollte doch eine Blutvergiftung drohen weil zusehr verseucht, giebts noch ein paar unkonventionelle Wege den Belzebub auszutreiben. Unsere Brüder im Osten sind da sehr erfinderisch. Sie kennen da ein paar Fargen,die kein fremder Keim überlebt,

  2. Interessant ist, daß eigentlich der klatsch-kopp-clan die Absicht hatte die „Führung“ im Territorium der ukri-Nazi’s zu übernehmen – mit Unterstützung der „eu“… – war wohl nix mit steiler Karriere – erst ein nix, dann ein wüster Prügler – zu Schluß „Führer“… – nun muß auch er immer damit rechnen gewaltsam das Zeitliche zu segnen, wenn es dem „elenden“ grad so in den Kram paßt… 😝😝

  3. Wussten diese Journalisten nicht, dass das ukrainische Gesetz milde war im Vergleich zum deutschen? Doch, das wussten die. Aber es ging darum, mit allen Mitteln auf Janukowitsch einzudreschen. Man findet Dutzende von Beispielen, wenn man danach sucht.

    Telepolis hat damals sofort bemerkt, dass etwas im Gange ist. Einordnen konnte man das allerdings noch nicht.

  4. Nicht Klitschko wollte Präsident werden . Deutschland – Merkel und Steinmeier wollten einen deutschen Präsidenten . Aber die USA wollten keinen deutschen Präsidenten . Deutschland sollte nicht noch stärker werden in der westlichen Himmelswelt . Davor hatten die USA Angst . Deswegen Jazenjuk . Ein US Höriger .
    Die USA haben das Sagen . Und sie haben ihr Ziel die Schwächung Europas und speziell Deutschland ja erreicht .

  5. ….sehr gute Dokumentation von Thomas Röper über den „Globalisten – Putsch“ in der Ukraine von 2014, beginnend im Herbst 2013… …aber all das, ist jetzt Geschichte !!..
    …im Moment korrigiert Russland EINEN der grössten Fehler (Dummheit ?), des Gorbatschow und EINIGES mehr dazu !!.. …es passiert halt NICHT wie von ALLEN erwartet, mit einer „Russischen Dampfwalze analog Operation Bagration 1944“, sondern mit „Russischen Kehrmaschinen“, welche gründlich säubern ??..😎😈

    1. „…im Moment korrigiert Russland Einen der grössten Fehler “
      Es ist leicht Fehler anzuprangern.
      Das Vertrauen auf Minsk 2 – Merkel-Verrat war ein Fehler.
      Keine USA/Nato Nutte kann der USA vertrauen.
      Über 30 Millionen Tote seit WW2 für die sogenannten Werte des Wertewestens.
      Drohnenmörder Obama mit Friedensnobekpreis.
      Wacht endlich auf!

      1. ..ist schon bekannt.. …der UR – FEHLER, war 1989 /1990 ff !!.. ….Gorbatschow hat die Ausbreitung der NATO zugelassen UND den Zerfall der UdSSR, nach den Grenzen der Sowjetrepubliken, welche NIE irgendwelche „Staatsgrenzen“ in der Vergangenheit waren.. …auch in Estland, war Narwa, NIE Estnisch, von den Mittelasiatischen Kunststaaten, zb. Kasachsten usw. ganz zu schweigen !!.. …Kaukasus, ebenso !!.. …DA beganneb die Probleme, seitdem, siehe Tschetschenienkriegw usw.. …die Angelsachsen machten es auf dem Balkan, bei der Zerstörung von Jugoslawien, nach dem „UdSSR“ – Prinzip !!..
        ….was sie sonst beschreiben, verfolge ich schon sehr, sehr, lange !!..
        …die brd – Schafe, wachen nicht auf, ICH, wecke versuche NUR Einzelne zu wecken !!.. ….KEINE „Gespritze“ !!..😎😈

  6. Mal ganz einfach.
    Wer greift euch an.?
    Ist es der Russe der seit 2014Ostukrainer beschiesst und tötet oder anders herum?
    Hat jeh irgendein Russe ihre Familie bedroht oder getötet?
    Hat irgendein Russe eine westukrainische oder deutsche Familie angegriffen?
    Wollen Sie sterbern um westuktainische Nazis und Nato-Nazi Plutokraten reicher zu machen?
    Nein, es ist nicht unser Krieg – sondern der anglo-amerikanische Vorherrschaftskrieg seit über 100 Jahren.
    Ich lebe als Deutscher seit über 40 Jahren in Frankreich – meine Nachbarn sind Nachbarn – keine Franzosen oder andere „sogenannte Feinde“.
    Mir-Paix-Frieden unter uns.
    Erhebt die Waffen gegen diejehnigen die uns gegeneinander aufhetzen!
    Dieter

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