Erdogan besucht Putin: Friedensgespräche für Syrien in Moskau

Heute findet ein Treffen zwischen Putin und Erdogan in Moskau statt. Es geht um die Zukunft Syriens nach der Ankündigung Trumps, sich aus Syrien zurückziehen zu wollen. Aber anstatt sich über die Aussicht auf Frieden für Syrien zu freuen, heult die deutsche Presse auf, weil die USA bei der Zukunftsplanung keine Rolle mehr spielen.
 
Schon die Überschrift im Spiegel sagt alles: „Putin und Erdogan schachern um Syrien“. Würden die USA die Verhandlungen führen, wäre die Überschrift wohl „Friedensgespräche zu Syrien“. Aber worum geht es eigentlich?
 
Die Interessen der Türkei und Russlands sind gar nicht so weit auseinander. Ursprünglich wollte Erdogan zwar, dass Assad gestürzt wird und die Türkei wollte Teile Nordsyriens besetzen, aber inzwischen hat die Realität Erdogan eingeholt. Heute geht es Erdogan darum, den Zufluss von Waffen und Kämpfern der Kurden in die Türkei zu stoppen, wo Erdogan einen blutigen Krieg gegen die kurdische PKK führt. Und die YPG der syrischen Kurden steht der PKK zumindest sehr nahe.
 
Russland will Syrien als Staat erhalten. Auch Assad soll nach Russlands Willen an der Macht bleiben, denn er ist ein treuer Verbündeter der Russen. Russland geht es dabei wohl weniger um die Person Assads, als darum, Syrien als Verbündeten zu erhalten.
 
Die Türkei hat bereits Teile Nordsyriens besetzt und im Nordosten, in der Region Idlib, ist der Konflikt derzeit eingefroren, nachdem sich die Türkei und Russland im September über eine Deeskalationszone geeinigt haben. Der Waffenstillstand ist dort zwar brüchig, aber eine große Offensive ist bis auf weiteres ausgeblieben.
 
Nun geht es um den Osten Syriens, wo die Kurden derzeit die Macht haben und bisher von US-Truppen unterstützt wurden, die Trump nun abziehen will. Nach der Ankündigung des Abzuges der USA haben sich Kurden bereits an Assad und Putin gewandt mit der Bitte um Schutz vor der Türkei. Und die syrische Armee ist auf Einladung der Kurden bereits in eine nordsyrische Stadt eingerückt. Das lässt auf eine Einigung im syrischen Konflikt hoffen, wenn die Kurden sich den Friedensgesprächen anschließen.
 
Es ist nun also an Putin, Erdogan die Sicherheitsgarantien zu geben, die er braucht, um von einer eigenen Invasion in Syrien abzusehen. Da die Kurden eine Offensive der überlegenen türkischen Armee fürchten, dürften sie zu weitreichenden Zugeständnissen bereit sein.
 
Die Gespräche in Moskau heute dürften daher nicht allzu schwierig werden, zumal Putin Erdogan an sein Entgegenkommen in Idlib erinnern kann. Nun wird es wohl an Erdogan sein, Putin ein wenig entgegenzukommen.
 
Möglich ist auch, dass bei dieser Gelegenheit das Thema Idlib noch einmal auf den Tisch kommt, denn selbst die westlichen Medien räumen ein, dass dort Al-Kaida-Ableger immer mächtiger werden. Es geht um die Al-Nusra-Front, eine Al-Kaida-Tochter, die sich inzwischen Hayat Tahrir al-Sham (HTS) nennt. Russland hat immer klar gemacht, dass der Status Quo in Idlib nur vorrübergehender Natur ist, da Russland will, dass auch dieser Teil Syriens irgendwann wieder unter die Kontrolle der syrischen Zentralregierung kommt. Außerdem spricht sich Russland immer wieder dagegen aus, dass sich Idlib zu einem sicheren Hafen für Terroristen entwickelt und genau das kann man dort derzeit beobachten.
 
Bleibt abzuwarten, worauf sich Putin und Erdogan am Ende einigen und ob sie heute schon eine Einigung finden. Außerdem ist es noch keinesfalls sicher, dass sich die USA tatsächlich aus Syrien zurückziehen. Moskau jedenfalls ist da sehr skeptisch und betont immer wieder, dass man das erst glaubt, wenn es tatsächlich passiert. Die Terroranschläge der letzten Tage auf US-Truppen in Syrien sind jedenfalls Wasser auf die Mühlen derer, die in Washington gegen einen US-Abzug sind. Und es wäre nicht das erste Mal, dass Trump eine Ankündigung auch wieder zurücknimmt.
 
Nachtrag: Bei dem Treffen von Putin und Erdogan scheint es keine Entscheidung über die kurdischen Gebiete in Syrien gegeben zu haben, zumindest wurde nichts konkretes berichtet. In den Statements der beiden vor der Presse wurde nur in allgemeinen Worten die Kooperation zwischen den Ländern beim Thema Syrien gelobt.
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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