Das russische Außenministerium über die neue Nato-Strategie 2030

Mit gewohnt spitzer Zunge hat Maria Sacharova, die Sprecherin des russischen Außenministeriums, die neue Nato-Strategie kommentiert, die derzeit von der Nato beraten wird.

Über das Strategiepapier der Nato habe ich bereits berichtet, den Artikel finden Sie hier. Jetzt will ich die offizielle russische Erklärung zu dem Papier dokumentieren und habe sie übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Wir sind auf die Fortsetzung des „Denkprozesses“ der NATO darüber aufmerksam geworden, „wie man mit Russland umgehen soll“. Das ist der Schwerpunkt des NATO-2030-Berichts, der von der „Gruppe der Weisen“ im Auftrag von Generalsekretär Stoltenberg erstellt und auf dem Treffen der Außenminister des Blocks am 1. und 2. Dezember vorgestellt wurde. Diese Ausarbeitung soll, wie von der NATO-Führung bestätigt, die Richtung der Entwicklung des Bündnisses im nächsten Jahrzehnt aufzeigen und dürfte bei der Vorbereitung der neuen strategischen Vision der Nato genutzt werden.

Schon beim ersten flüchtigen Blick auf den Bericht ist festzustellen, dass die Experten – „die Weisen“ – die Gelegenheit nicht genutzt haben, die Gründe der aktuellen Krise der Beziehungen zwischen der Nato und Russland die Rolle, die die offen kurzsichtige Politik des Bündnisses dabei gespielt hat, objektiv zu bewerten.

Die Hauptbotschaft des Berichts ist sehr einfach und nicht neu – Russland bleibt für die Sicherheit des euro-atlantischen Raums die strategische Bedrohung „Nummer eins“. Es gibt Vorwürfe, unser Land „umzingelt die NATO von allen Seiten“. Landkarten mit Informationen über NATO-Militärstützpunkte, insbesondere Stützpunkte der Vereinigten Staaten, sind auf der Welt nicht nur in Geschäften, sondern auch im Internet verfügbar. Schauen Sie, wer wen von welcher Seite umzingelt. Es werden Vorwürfe erhoben, dass unser Land nicht die „notwendige“ Politik verfolgt und einige „einschüchternde Militäroperationen in unmittelbarer Nähe zu den Mitgliedsstaaten des Blocks“ durchführt. Wenn das jemand liest, der sich mit Geographie überhaupt nicht auskennt, muss er denken, dass Russland irgendwo weit von den NATO-Ländern entfernt ist und versucht, den Block einzukreisen und sich regelmäßig den Grenzen der Verbündeten zu nähern, um „einschüchternde“ Maßnahmen durchzuführen. Russland werden hybride Operationen gegen „die Souveränität der Verbündeten“ zugeschrieben – Cyberangriffe, „Morde auf Anweisung der Regierung“, der Einsatz chemischer Waffen und politischer Druck. Und das alles haben die „Weisen“ der NATO erarbeitet.

Die im Bericht präsentierten Exkursionen in die Geschichte sind verblüffend: Das Bündnis soll angeblich versucht haben, eine sinnvolle Partnerschaft mit Russland aufzubauen und uns nach dem Kalten Krieg an der Schaffung einer gemeinsamen euro-atlantischen Sicherheitsarchitektur zu beteiligen, und wir haben diese Versuche „nicht akzeptiert.“ Wann war das noch mal? Wir erinnern daran, dass genau das Gegenteil der Fall ist: Es gibt zahlreiche russische Initiativen, die darauf abzielen, einen Ausweg aus der Krise zu finden, Spannungen abzubauen, ein wirklich gerechtes System der europäischen und euro-atlantischen Sicherheit zu schaffen, die das Bündnis entweder abgelehnt oder einfach ignoriert hat.

Nach der Interpretation der „Weisen“ der NATO ist das „aggressive Verhalten“ Russlands ein „ständiges Hindernis“ für den Aufbau einer vollwertigen bilateralen Zusammenarbeit, die sie angeblich so sehr wollen. Auf der Grundlage dieses Postulats wird das Bündnis aufgefordert, sich in den Beziehungen zu Moskau an die Politik der „Abschreckung und des Dialogs“ zu halten. Mir scheint, die „Weisen“ hätten das interessant umformulieren können: zum Beispiel „Dialog der Abschreckung“ oder „Eindämmung des Dialogs“. Warum nicht? Man tut alles, um den Zusammenhalt angesichts der mythischen russischen Bedrohung zu erhalten.

Dem NATO-Russland-Rat wird die Funktion eines Kanals übertragen, um „Russland die relevanten politischen Botschaften zu übermitteln“ – vor allem zur Frage des Ukraine-Konflikts, bei dessen Lösung die NATO gar keine Rolle spielt. Bemerkenswert ist, dass das Bündnis das Gespräch mit unserem Land „aus einer Position der Stärke“ führen soll. Dieser Ansatz ist eine völlige Perversion der Natur des NATO-Russland-Rates. Wir möchten daran erinnern, dass der NATO-Russland-Rat 2002 gemäß der Erklärung von Rom als „Forum für einen gleichberechtigten „Allwetterdialog“ konzipiert wurde, in dem alle Länder in nationaler Funktion vertreten sind und in dem nicht „das NATO-Team gegen Russland spielt.“ Es ist auch wichtig, dass seine Aktivitäten früher praktische Auswirkungen hatten, da eine Reihe nützlicher Projekte in den Bereichen Terrorismusbekämpfung, Nicht-Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und ihren Trägermitteln sowie gegen die afghanische Drogenbedrohung unter seiner Schirmherrschaft gestartet wurden. Im Jahr 2014 wurde all die gesammelten Erfahrungen einseitig zerrissen und es war nicht Russland, das das getan hat. Die Allianz hat das getan. (Anm. d. Übers.: Im Zuge der Ukraine-Krise hat die Nato die Zusammenarbeit im Rahmen des NATO-Russland-Rates einseitig abgebrochen)

Seltsamerweise haben die „Weisen“ der NATO kein einziges wirkliches Rezept zur Korrektur der aktuellen Krise gegeben. Statt einer für beide Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit mit Russland wird vorgeschlagen, die Möglichkeiten einer „friedlichen Koexistenz“ zu erörtern. Die Autoren des Berichts versuchen, das Bündnis darauf zu programmieren, den „Status quo“ im Voraus für mindestens ein Jahrzehnt festzuschreiben.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat auf einer Pressekonferenz nach dem Treffen der Außenminister des Bündnisses eine schillernde Erklärung abgegeben. Er sagte, dass Russland angeblich die territoriale Integrität der Republik Moldawien verletzt, weil sich russische Truppen in Transnistrien befinden.

Wir dachten, die NATO hätte – wie Stoltenberg sagte – verlässliche Informationsquellen in der „Nähe des Bündnisses“, die ihm etwas über die einschlägigen russisch-moldawaischen Abkommen in dieser Hinsicht erzählen könnten. Offenbar gibt es keine solchen Quellen. Es ist für uns nicht schwer, ihn daran zu erinnern.

Der Aufenthalt des russischen Militärkontingents in der Region ist ein integraler Bestandteil der dort stationierten Gemeinsamen Friedenstruppen und sorgt für die Sicherheit von Lagern in der Stadt Kolbasna. In den 28 Jahren ihres Bestehens hat die Friedenssicherungsmission auf der Nistru ihre Wirksamkeit unter Beweis gestellt und sorgt für Frieden und Stabilität in der Region. Die NATO könnte alle Dokumente diesbezüglich prüfen.

Russland ist der strikten Umsetzung seines militärischen Mandats und den Aufgaben der Friedenssicherungsmission verpflichtet. Wir gehen davon aus, dass dieses Thema im Rahmen der bilateralen russisch-moldawischen Beziehungen steht.

Wir möchten dem NATO-Generalsekretär raten, sich um die Mitglieder seines Bündnisses, vor allem die Vereinigten Staaten und ihre illegale Präsenz in Syrien zu kümmern.

Ende der Übersetzung

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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