Warum das Ergebnis der letzten Wahlen in Japan für die USA zu einem Problem werden könnte
Japan ist kein Land, über dessen Politik die deutschen Medien allzu viel berichten. Daher dürften die wenigsten Deutschen von der schweren Regierungskrise gehört haben, die Japan in den letzten Jahren erschüttert hat. Die seit dem Zweiten Weltkrieg regierende Partei hat bei vorgezogenen Neuwahlen schwere Verluste erlitten und eine Regierungsbildung dürfte in Japan so schwierig werden, wie wohl noch nie seit dem Krieg.
Die USA sind wegen dem Wahlergebnis sehr beunruhigt, weil es die Macht kleiner Parteien gestärkt hat, die nicht unbedingt für den bisherigen Kurs der Aufrüstung Japans sind.
Da ich das interessant finde und man in Deutschland kaum etwas darüber erfährt, habe ich einen Artikel des Japan-Korrespondenten der russischen Nachrichtenagentur TASS übersetzt, der die innenpolitische Krise in Japan beleuchtet und am Ende des Artikels auch darauf zu sprechen kommt, warum das Wahlergebnis den USA Sorgen bereitet.
Beginn der Übersetzung:
Politisches Erdbeben in Japan: Regierungskoalition steht vor Machtverlust
Igor Beljajew, Chefkorrespondent der TASS in Japan, über die politische Krise in Japan
Am vergangenen Wochenende wurde Japan von einem innenpolitischen Erdbeben erschüttert: Nach den Ergebnissen der Wahlen zum wichtigsten Unterhaus des Landes verlor die Regierungskoalition (bestehend aus der Liberaldemokratischen Partei (LDP) unter dem Vorsitz des neuen Premierministers Shigeru Ishiba) ihre Mehrheit und steht damit zum ersten Mal seit 2009 vor einem echten Machtverlust. Und das, obwohl die LDP vor der Wahl über eine komfortable Mehrheit allein in diesem Haus verfügte, selbst wenn man die Kollegen aus der Koalition außer Acht lässt. Nun hat die Partei beeindruckende 67 Sitze verloren.
Der Hauptgrund für dieses schwache Wahlergebnis ist ein katastrophaler Absturz der Umfragewerte und der Glaubwürdigkeit der Liberaldemokraten aufgrund einer Reihe von Finanzskandalen und ungebührlichen innerparteilichen Auseinandersetzungen. Japans wichtigste Oppositionspartei, die Konstitutionell-Demokratische Partei unter der Führung des ehemaligen Premierministers Yoshihiko Noda, erzielte ein hervorragendes Ergebnis von 148 Sitzen und verbesserte ihre Position um 50 Mandate.
Damit haben die Oppositionsparteien eine Mehrheit im Parlament. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Regierungskoalition die Macht verlieren wird, denn die bunt zusammengewürfelte Opposition hat viele Meinungsverschiedenheiten in wichtigen Fragen, und es wird unglaublich schwierig für sie sein, sich auf eine Regierungskoalition zu einigen.
Politik und Geld
Dass die Wahlen für den regierenden Block schwierig werden, wurde unmittelbar nach der Ankündigung des neuen Premierministers Shigeru Ishiba, das Parlament aufzulösen und die Wahlen vorzuziehen, deutlich. Die Umfragewerte der LDP, die er Anfang Oktober übernommen hat, sind seit Ende 2023, als einer der größten politischen Skandale der letzten Jahre in Japan ausbrach, kontinuierlich gesunken. Das lief darauf hinaus, dass parteiinterne Gruppen von Abgeordneten in der LDP (Fraktionen) für ihre Mitglieder Standards für die Mittelbeschaffung festlegten, die Eintrittskarten für kostenpflichtige Veranstaltungen verkauften. Wenn ein Mitglied einer Fraktion die festgelegte Norm überschritt, wurde ihm die Differenz zwischen dieser Norm und dem tatsächlich gesammelten Betrag angeblich in Form eines sogenannten Kickbacks zurückerstattet, ohne dass das in den Finanzberichten entsprechend ausgewiesen wurde. Der Skandal betraf in erster Linie die Fraktion, die zu Lebzeiten dessen vom ehemaligen japanischen Premierminister Shinzo Abe geführt wurde. Auch in der Fraktion des ehemaligen LDP-Generalsekretärs Toshihiro Nikai sowie in der parteiinternen Gruppe, die bis Dezember letzten Jahres von Ex-Premierminister Fumio Kishida geführt wurde, wurden Verstöße festgestellt.
Infolge des Skandals verloren 15 Politiker, darunter Minister, Staatsminister, stellvertretende Parlamentsminister und Vertreter der LDP-Führung, ihre Posten. Sie alle waren Mitglieder von Abes Fraktion, die schließlich eine Niederlage erlitt. Der Skandal traf nicht nur die LDP, sondern auch die gesamte Regierung des damaligen Premierministers Kishida, dessen Unterstützung auf ihrem Tiefpunkt bei etwa 20 Prozent lag.
All das führte dazu, dass die LDP mit sehr bescheidenen Zielen in den Wahlkampf ging. Premierminister Ishiba betonte, dass das Ziel bei der Wahl darin bestehe, eine Koalitionsmehrheit mit der Partei Komeito zu erhalten. Und im Großen und Ganzen zeigten die Umfragen, dass es dem regierenden Block knapp gelingen würde, dieses Ziel zu erreichen. Doch dann unternahmen Ishiba und der Rest der Parteiführung mehrere Schritte, die nach Ansicht von Analysten dem Image der LDP sowohl innerhalb der Partei als auch bei den Wählern „schrecklichen Schaden“ zugefügt haben.
Parteispaltung
Ishiba gab zunächst bekannt, dass die Partei ihre Abgeordneten, die in den Skandal um finanzielle Unregelmäßigkeiten bei der Sammlung politischer Spenden verwickelt waren und sich vor der Ethikkommission nicht erklären konnten, bei der kommenden Wahl nicht unterstützen werde. Isibas Entscheidung löste innerhalb der Partei eine Welle der Empörung aus, in erster Linie natürlich bei den direkt Betroffenen. Die Abgeordneten nannten das einen Dolchstoß und Verrat. Erschwerend kam hinzu, dass Isibas Parteikollegen offen sagten, er habe sie einfach getäuscht, denn er habe ihnen versprochen, dass der Finanzskandal nicht wieder auftauchen würde. Im Gegenzug unterstützten sie Ishiba bei der Wahl zum neuen Parteivorsitzenden (de facto bei der Wahl zum neuen Premierminister), wobei er die Ministerin für wirtschaftliche Sicherheit Sanae Takaichi in einer hart umkämpften Stichwahl besiegte.
Infolgedessen standen 12 Parteimitglieder, darunter Schwergewichte wie der ehemalige Vorsitzende des Politischen Rates Koichi Hagiuda und der ehemalige Minister für Wirtschaft, Handel und Industrie Yasutoshi Nishimura, ohne Unterstützung der LDP da und waren gezwungen, als Unabhängige zur Wahl anzutreten. Die parteiinternen Intrigen kamen bei den japanischen Wählern offensichtlich nicht gut an, da die Zustimmungswerte der Partei vor dieser entscheidenden Wahl weiter sanken.
Als die Parteiführung erkannte, dass Ishibas Entscheidung, mit der er den Wählern seine Prinzipientreue beweisen wollte, zu großen Problemen geführt hatte, versuchte sie einen Rückzieher zu machen. Es wurde stillschweigend beschlossen, die betroffenen Kollegen zu unterstützen, auch finanziell. Es ist bemerkenswert, dass die Zeitung der Kommunistischen Partei Japans (KPJ) mit dem schönen Titel „Rote Fahne“ davon erfuhr und einen entlarvenden Artikel veröffentlichte. Die Nachricht hatte den Effekt einer Bombe, denn Ishiba und die Parteiführung sahen in den Augen vieler Wähler wie Heuchler aus, da ihre Worte im Widerspruch zu ihren Taten standen. Es ist bemerkenswert, dass einige Abgeordnete, die von den Parteilisten gestrichen worden waren, offen Parteigelder ablehnten und beschlossen, sie zurückzugeben, was die Spaltung der LDP noch deutlicher machte.
Wie geht es weiter?
Die Wahl des neuen Premierministers wird auf einer Sondersitzung des Parlaments stattfinden, die wahrscheinlich für den 11. November einberufen wird. Hier beginnt der interessanteste Teil. Weder der regierende Block noch die wichtigste Oppositionspartei, die Konstitutionell-Demokratische Partei, verfügen über eine Mehrheit im Parlament, so dass der Schlüssel zum Sieg in den Händen der kleineren Parteien liegt. Premierminister Isiba beeilte sich unmittelbar nach der Wahlniederlage zu erklären, dass die Regierungskoalition für eine Zusammenarbeit mit anderen politischen Bündnissen offen sei, aber die Führer aller kleinen Parteien betonten, dass sie daran überhaupt nicht interessiert seien. Das Hauptargument ist, dass eine Unterstützung der skandalumwitterten und zerstrittenen LDP einen Verrat an ihren Wählern bedeuten würde. Doch die von Ex-Premierminister Noda geführte Konstitutionell-Demokratische Partei wird von den kleinen Parteien wohl kaum die nötige Anzahl an Stimmen erhalten. Es ist schwer vorstellbar, dass beispielsweise die Kommunistische Partei oder die „Versammlung zur Erneuerung Japans“ die Konstitutionell-Demokratische Partei unterstützen, da ihre Unterschiede in den politischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Ansichten zu groß sind.
Eines der wahrscheinlichsten Szenarien ist, dass niemand mit niemandem übereinstimmt und dass keine der kleinen Parteien die Regierungskoalition oder die wichtigste Oppositionspartei Konstitutionell-Demokratische Partei unterstützen wird. Dann wird die LDP zusammen mit der Partei Komeito genug Stimmen haben, um Shigeru Ishiba als Premierminister wiederzuwählen und eine Minderheitsregierung zu bilden. Ein solches Ergebnis hätte lang anhaltende Folgen, denn bei jeder Abstimmung im Parlament, vom Haushalt bis zu Gesetzesänderungen, müssten die Parteien verhandeln. Einerseits wird das unweigerlich zu vielen Verzögerungen und langen, zermürbenden Verhandlungen über jeden Punkt führen. Andererseits wird das, wie einige Experten glauben, den Beginn der Genesung der japanischen Demokratie bedeuten, denn kleine Parteien werden eine echte Chance haben, die Interessen ihrer Wähler zu vertreten, und die Regierungspartei wird nicht mehr in der Lage sein, im Alleingang Gesetze zu verabschieden und die Meinung anderer zu ignorieren.
Gleichzeitig gilt eine Minderheitsregierung standardmäßig als äußerst instabil, da ihr ständig ein Misstrauensvotum droht.
Eine Phase der politischen Instabilität
Man muss zugeben, dass Japan in eine Phase der politischen Instabilität eintritt, die auch bei seinem engsten Verbündeten, den USA, große Besorgnis hervorruft. Japans führende Wirtschaftszeitung Nikkei berichtet, dass der Verlust der Mehrheit der Regierungskoalition im Unterhaus des Parlaments Schockwellen im US-Establishment ausgelöst hat und das Weiße Haus, das US-Außenministerium und die US-Geheimdienste dazu veranlasst hat, dringend mögliche Risiken für das amerikanisch-japanische Verteidigungsbündnis zu bewerten, das sich nach Ansicht Washingtons „in seiner goldenen Ära“ befindet. Die USA befürchten auch, dass ein „politisches Chaos“ Japan daran hindern könnte, seine Pläne zur Stärkung seiner Verteidigungskapazitäten umzusetzen. Es wird festgestellt, dass die politische Instabilität in Japan auch in Washington Besorgnis auslöst, da der Ausgang des Präsidentschaftswahlkampfes in den USA selbst ungewiss ist. Man beklagt, dass ein politisch instabiles Japan die ohnehin schon schwierige Lage in der Region nur noch verschlimmern wird.
Zum zweiten Mal innerhalb von 15 Jahren hat der japanische Wähler der regierenden Liberaldemokratischen Partei, die in Japan seit Mitte des letzten Jahrhunderts an der Macht ist, deutlich gemacht, dass sie nur wegen eben dieses Wählers an der Macht ist. Und dass er ihr bei Wahlen mit seiner Stimme die Macht entziehen kann.
Ende der Übersetzung
3 Antworten
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.
Nächster Beitrag: Eine russische Prognose über den Ausgang der US-Wahlen und die Folgen
Interessant!
Hoffentlich lernt Japan endlich aus der Geschichte und zieht Konsequenzen.
Nun wenn die deutliche Mehrheit vom Japanischen Volk und auch der Japanischen Politiker noch ein paar Gramm Gehirnschmalz hätten , dann sollten Sie schon lange sich in Richtung BRICS Staaten Orientieren und einen Aufnahme Antrag stellen ,Weil dort liegt die Zukunft in der Welt wenn es überhaupt eine geben soll. Aber Sie können auch weiterhin das lächerliche Nazi und Ja Sager Furunkel unter USA und EU Staats gnaden spielen . Jetzt hätten Sie wenigstens einmal nach dem Verloren Weltkrieg die Chance was wirklich richtig zu machen außer auch weiterhin den USA Nazis in den Anus zu kriechen .Zudem wäre es immens Wichtig in die Region dort endlich etwas Ruhe zu schaffen und sich auf den Handel mit Zivilen Gütern zu konzentrieren ,anstatt sich schon wieder Militärisch Hochzurüsten
Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten. Das schließt natürlich nicht aus, dass es gelegentlich zu Betriebsunfällen kommen kann.