Russland

Wie der Westen sich in die anstehenden russischen Parlamentswahlen einmischt

In Russland sind am kommenden Wochenende Parlamentswahlen. Da der Westen ständig - ohne Belege vorzulegen - behauptet, Russland mische sich in westliche Wahlen ein, wollen wir uns anschauen, wie der Westen sich in Russland in Wahlen einmischt.

Der Sinn von Wahlen ist, dass die Bevölkerung eines Landes über den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kurs ihres eigenen Landes entscheidet. Wenn andere Staaten sich in die Wahlen eines Landes einmischen, dann nicht, weil sie möchten, dass es dem Land besser geht, sondern weil sie ihre eigenen wirtschaftlichen und politischen Interessen durchsetzen wollen. Das sehen auch die westlichen Politiker und Medien so, zumindest wenn es um ihre eigenen Länder geht. Dann sind sie nämlich sehr empfindlich, wenn sie eine Einmischung in ihre Wahlen auch nur vermuten, wie wir seit Jahren an dem Theater über angebliche russische Einmischungen in US-Wahlen oder aktuell an Meldungen über angebliche russische Einmischungen in die anstehende Bundestagswahl beobachten können.

Anders liegt die Sache hingegen für westliche Politiker und Medien, wenn sie sich selbst in Wahlen in anderen Ländern einmischen. Das finden sie in Ordnung, obwohl sogar das Völkerrecht solche Einmischungen verbietet. Über das Thema habe ich oft geschrieben, die Details finden Sie hier. https://anti-spiegel.com/2021/duerfen-staaten-wahlen-oder-die-innenpolitik-in-anderen-staaten-beeinflussen/

Auch über die westlichen Bemühungen, sich in die russischen Wahlen einzumischen habe ich vor einem Monat im Detail geschrieben. Um nicht alles zu wiederholen, verweise ich auf den Artikel, den Sie hier finden. Jetzt soll es nur um das gehen, was in letzter Zeit an neuen Informationen bekannt geworden ist.

Golos

Die westlichen Medien berufen sich bei Wahlen in Russland und Weißrussland gerne auf die NGO Golos, die regelmäßig Berichte über angebliche Wahlfälschungen bringt, die in der westlichen Presse als Tatsachen dargestellt werden. Golos ist jedoch eine vom Westen finanzierte NGO, die exakt die Ergebnisse meldet, die ihre Geldgeber hören wollen.

Golos wurde, das bestreitet niemand, vom Westen finanziert. Die Liste der westlichen Sponsoren ist lang, das deutsche Wikipedia beschränkt sich bei der Aufzählung dankenswerter Weise auf die auffälligsten, nämlich die amerikanischen Regimechange-Spezialisten vom National Endowment for Democracy (NED) und USAID, sowie auf die EU-Kommission.

Das NED ist dabei besonders interessant, auch weil es russischen Spaßvögeln gelungen ist, die Führung des NED bei einem Telefonstreich reinzulegen. Dabei glaubten die Chefs des NED, mit Svetlana Tichanovskaja zu sprechen und haben ganz offen erzählt, wie sie die radikale Opposition in Russland unterstützen und im Kampf gegen den weißrussischen Präsidenten Lukaschenko auch nicht davor zurückschrecken, radikale Nationalisten zu unterstützen. Damit hat das NED Erfahrung, denn in der Ukraine haben sie beim Maidan auch auf die radikalsten Nationalisten gesetzt und damit Erfolg gehabt.

Golos wird auch aus Deutschland unterstützt. Das ist bemerkenswert, weil Golos in Russland wegen der Finanzierung von den Putsch-Experten aus den USA zunächst verboten worden ist, dann aber über juristische Tricks eine halboffizielle Möglichkeit zur weiteren Arbeit gefunden hat. In Russland gelten daher alle, die mit Golos zusammenarbeiten, als ausländische Agenten.

Als ausländische Agenten werden in Russland alle Personen und Organisationen eingestuft, die sich in Russland politisch betätigen, dabei aber aus dem Ausland finanziert werden. Das Gesetz ist keine russische Erfindung, Russland hat es vielmehr von den USA abgeschrieben. Dort gibt es ein solches Gesetz seit 1938, nur dass das amerikanische Original wesentlich strenger ist als die russische Kopie. Details finden Sie hier.

Das westlichen Medien kritisieren Russland fleißig wegen dem Gesetz, erwähnen das amerikanische Original jedoch nie. Dann könnte den Lesern ja auffallen, wie verlogen die Kritik an dem russischen Gesetz ist.

Die Heinrich Böll Stiftung

Golos wird auch aus Deutschland finanziert, obwohl die Organisation in Russland bestenfalls halblegal ist. Das ist keine russische Unterstellung, das sagen die Finanziers selbst. Wieder verdanken wir diese Information den russischen Spaßvögeln, die haben nämlich gerade erst einen neuen Telefonstreich online gestellt, in dem sie Walter Kaufmann, den für Osteuropa zuständigen Direktor der Heinrich Böll Stiftung, aufs Korn genommen haben. Und der hat ganz offen gesagt, dass seine Stiftung Golos finanziell unterstützt.

In dem Telefonat haben sich die russischen Spaßvögel als Leonid Wolkow ausgegeben, das ist ein hoher Mitarbeiter von Nawalny, dessen Aufgabe es unter anderem ist, im Westen Geld für Nawalny einzusammeln. Kaufmann wollte oder konnte dem angeblichen „Wolkow“ aber nicht helfen und hat ihn an das European Endowment for Democracy (EED) verwiesen, denn die wären für solche Finanzierungen zuständig.

Sie ahnen es schon, ja, das EED ist das europäische Gegenstück zum amerikanischen NED. Es finanziert radikale Oppositionelle in Staaten, die der Westen als Feinde eingestuft hat mit dem Ziel, die dortigen Regierungen wegzuputschen, also Regimechanges zu erreichen. Das moderne Wort dafür ist „Farbrevolution“.

Das gab Kaufmann auch offen zu, denn auf „Wolkows“ Frage, ob das gemeinsame Ziel nicht sei, das System in Russland zu „ändern“, hat er zugestimmt. Nur hätte er eben leider kein Geld, das er „Wolkow“ mal eben hätte zukommen lassen können.

Dass der Westen die radikale Opposition in Russland, also jene, die einen Regimechange, einen Putsch, als Ziel haben, finanziert und nach Kräften unterstützt, kann man also kaum bestreiten.

Nawalny

Nawalny ist ein klassisches Beispiel für vom Westen aufgebaute und gelenkte Radikale. Zunächst war er nur einer von vielen radikalen Nationalisten in Russland, aber dann hat jemand entschieden, ihn systematisch aufzubauen. Wofür Nawalny in Wahrheit steht, können Sie hier nachlesen.

Dass Nawalny aus dem Westen finanziert wird, zeigt ein einfacher Blick auf sein Bitcoin-Konto, das jeder einsehen kann. Dabei stellt man fest, dass die durchschnittliche Spende, die Nawalny über Bitcoin bekommen hat, fast 1.700 Euro beträgt. Das ist keine Summe, die die durchschnittlichen jungen russischen Nawalny-Unterstützer ihrem Idol im Durchschnitt spenden können, sondern das zeigt, dass er große Summen bekommt, die in kleineren Tranchen geschickt werden und deren Herkunft über Bitcoin verschleiert werden soll.

Auch die Geschichte, wie Nawalny erschaffen wurde, ist sehr interessant. Dass Nawalny tatsächlich „erschaffen“ wurde, ist nicht meine Formulierung, sie stammt von Wladimir Aschurkov, der sich dessen selbst rühmt. Aschurkov sitzt in London, hat beste Kontakte zum britischen Geheimdienst, ist dort mit anderen Putin-Gegnern wie Chodorkowski in engem Kontakt und zieht von dort aus die Fäden, an denen Nawalny hängt. Über diese interessanten Hintergründe habe ich ausführlich berichtet, die Details finden Sie hier.

Aber die westlichen Unterstützer scheinen Nawalny abgeschrieben zu haben, denn seine Führungsmannschaft hat Russland inzwischen in Richtung Westen verlassen. Das Projekt Nawalny scheint keine Zukunft mehr zu haben, er dient nun im Gefängnis nur noch als eine Art Märtyrer für die westliche Presse, die regelmäßig berichten kann, wie schlecht es ihm dort angeblich geht.

Dass das unwahr ist, steht auf einem anderen Blatt, ist aber auf in Russland veröffentlichten Videos einwandfrei zu sehen. Medien wie der Spiegel wissen das auch, berichten aber trotzdem die Unwahrheit. Der Spiegel behauptete in einem Artikel, dass Nawalny wegen schrecklicher Rückenschmerzen kaum aufstehen konnte und versah seinen Artikel mit einem Bild aus eben dem russischen Video, das das exakte Gegenteil gezeigt hat: Nawalny schlenderte ganz entspannt umher, von Schmerzen keine Spur. Man kannte beim Spiegel also das Video und hat die Leser mit dem Bild aus dem Video bewusst belogen.

Smart Vote

Eines der Rezepte, mit denen Nawalny dem russischen Staat schaden wollte, war „Smart Vote“. Dabei hat Nawalnys Team bei Wahlen gezielt empfohlen, für Kandidaten zu stimmen, die Chancen hatten, gegen Kandidaten der Regierungspartei Direktmandate zu gewinnen. Es ging also nicht um konstruktive Politik oder die Behebung von angeblichen oder tatsächlichen Missständen in Russland, es ging nur um destruktives Sabotieren von Wahlen.

Im Zuge der Ereignisse rund um Nawalny nach seiner angeblichen Vergiftung und seiner anschließenden Verurteilung wurden Nawlanys Organisationen in Russland als extremistisch eingestuft und verboten. Das gilt auch für Smart Vote.

Smart Vote hat auch eine eigene App, da die Organisation aber verboten wurde, fordert Russland von Google und Apple, die App aus den Stores zu nehmen. Außerdem hat das russische Außenministerium mitgeteilt, dass die App nach seinen Informationen mit direkter Hilfe des Pentagon entwickelt worden ist. Auch die IP-Adressen, die sich um den technischen Support der App kümmern, seien überwiegend in den USA verortet. Das lässt sich bisher nicht überprüfen, wäre aber nicht überraschend.

Das würde bedeuten, dass die USA seit Jahren direkt auf russischen Wahlen Einfluss nehmen, indem sie Millionen Russen über die App Smart Vote erzählen, wen sie wählen sollen. Dagegen sind alle Vorwürfe des Westens über angebliche Wahlbeeinflussungen Russlands ein Witz.

Das russische Außenministerium hat aus diesem Grund den US-Botschafter vorgeladen und eine Protestnote überreicht. Das Gespräch dürfte in einer eisigen Atmosphäre stattgefunden haben, es hat keine 20 Minuten gedauert.

Das waren nur einige aktuelle Beispiele dafür, wie der Westen sich in Wahlen in Russland einmischt. Für mehr Details verlinke ich hier noch einmal meinen Artikel von Anfang August, in dem ich noch mehr Beispiele aufgezeigt habe.

Wenn man all das weiß, dann stellt sich die Frage, wie der Westen Russland beschuldigen kann, sich in Wahlen einzumischen, wenn der Westen das unbestreitbar und vor allem viel dreister selbst in Russland tut. Und zwar schon lange, es sei nur daran erinnert, wie die USA dem in Russland unpopulären (aber für die USA nützlichen) Präsidenten Jelzin 1996 zu einer zweiten Amtszeit verholfen haben.

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

16 Antworten

  1. Ich bitte dich! Das ist doch keine Beeinflussung! Nein, das nennt sich:

    „Unterstützung der Zivilgesellschaft in *hier bitte beliebiges Land einsetzen*“

    Hab ich letzte Woche von Ina Ruck gelernt! Was war die nochmal von Beruf…..?

  2. ALLE „ngo’s“ verbieten – und sich einen Dreck um die „Meinung“ anderer „Staaten“ scheren… – sein eigenes Ding durchziehen… – durch die Hetze und Erpressung ist Russland doch erst wieder groß geworden… 😉😉

    1. Es ist keine gute Idee, alle NGOs zu verbieten. Denn dann wird der Westen direkt Untergrundorganisationen finanzieren. NGOs können im Vergleich dazu leicht infiltriert und überwacht werden. Verbieten kann man sie dann immer noch wenn sie übertreiben.

  3. „“Our job is to show these elections are illegitimate… Unfortunately, there are fewer violations… So we have written instructions to get all of you kicked out of voting stations, to show these elections are illegitimate”

    https://twitter.com/MuradGazdiev/status/1437773616154820613

    Golos and ODIHR. Speaker’s name is Zaostrovtseva Natalya, a “volunteer”

    Die schieben schon Überstunden wie es scheint. GOLOS bei der Arbeit.

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