Krieg um Bergkarabach – Die Chronologie der Ereignisse
Obwohl derzeit nicht weit von Europa ein neuer Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan tobt, der mit jedem Tag heftiger wird, gibt es in den deutschen Medien nur wenige Meldungen darüber. Daher will ich die Chronologie der letzten Tage auflisten.
Der Krieg um Bergkarabach ist anscheinend nicht im Interesse der USA und dies ist wohl einer der seltenen Fälle, wo die USA und Russland auf derselben Seite stehen. Offensichtlich sind beide Länder mit den Kampfhandlungen nicht einverstanden, die Aserbeidschan – offensichtlich mit Unterstützung der Türkei – vom Zaun gebrochen hat. Während Russland einfach nur an Ruhe in seinem „Hinterhof“ interessiert ist, scheint der Westen noch keine wirkliche Meinung zu haben, außer die Türkei mehr oder weniger offen für ihre Beteiligung an dem Krieg zu verurteilen.
Ich habe schon vor einigen Tagen die Chronologie der TASS bis zum 2. Oktober übersetzt. Da die russische Nachrichtenagentur TASS den Artikel mit der Chronologie des Konfliktes weiterführt, habe ich hier nun die Meldungen über die Ereignisse vom 3. bis zum 7. Oktober übersetzt. Das in der Übersetzung verlinkte Video ist an der Stelle auch im TASS-Artikel verlinkt.
Beginn der Übersetzung:
- Oktober
Das armenische Verteidigungsministerium berichtete, dass die aserbaidschanischen Streitkräfte in südlicher und nördlicher Richtung von Bergkarabach in die Offensive gegangen sind, und später berichtete das Ministerium über erfolgreiche Gegenangriffe in einigen Gebieten. Wie in Eriwan festgestellt wurde, kämpfte Armenien sechs bis sieben Stunden lang gegen die aserbaidschanischen Streitkräfte.
Der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew glaubt, dass Russland eine höhergestellte Rolle bei der Lösung des Konflikts spielt, er sagte auch, dass die Türkei „in keiner Form“ in die Konfrontation verwickelt sei und dass Nikol Paschinjan den Verhandlungsprozess „zerstört“ habe. Nach Angaben des Präsidenten übernahm die aserbaidschanische Armee die Kontrolle über sieben Dörfer, darunter das Dorf Madagiz, das Alijew befahl, in Sugovushan umzubenennen. Eriwan dementierte den Bericht.
Nikol Paschinjan meint, dass Verhandlungen über eine Beilegung des Konflikts erst nach der Aussetzung der Feindseligkeiten durch Aserbaidschan möglich sind. Der Ministerpräsident nannte das Ausmaß des Krieges in der Region beispiellos. Paschinjan schloss auch nicht aus, über den Einsatz russischer Friedenstruppen in Karabach zu sprechen.
- Oktober
In Eriwan wurde berichtet, dass zivile Ziele in Stepanakert beschossen wurden. Wie die armenische Seite meldete, wird die Hauptstadt von Karabach „aus Polonez- und Grad-Systemen“ beschossen. (Anm. d. Übers.: Dabei handelt es sich um ungenau schießende Mehrfachraketenwerfer, die großflächige Zerstörung anrichten)
Baku meldete einen Raketenangriff vom Gebiet Armeniens auf die Stadt Ganja sowie zivile Opfer und Verletzte durch die Angriffe, nach Angaben der aserbaidschanischen Seite, durch Smertsch-Raketenwerfer. Wie in Baku festgestellt wurde, wurden in Aserbaidschan seit Beginn der neuen Eskalation des Karabach-Konflikts 24 Zivilisten getötet.
Der Aserbaidschanische Präsident erklärte, dass Baku zur Waffenruhe zurückkehren werde, wenn Armenien einen Zeitplan für den Abzug seiner Truppen aus der Republik Bergkarabach vorlege. Ilham Alijew berichtete auch, dass Armenien die Kontrolle über die Stadt Jebrail (Mehakawan) und über neun Dörfer in der Region Jebrail übernommen hätte. Nach Angaben der aserbaidschanischen Seite wurde der Anführer der nicht anerkannten Republik Bergkarabach, Araik Harutyunyan, schwer verwundet. Eriwan bestritt beide Aussagen und bezeichnete Meldungen über Angriffe auf Aserbaidschan aus dem Gebiet Armeniens als Desinformation.
173 französische Politiker forderten die Regierung des Landes auf, auf Neutralität im Konflikt in Bergkarabach zu verzichten und „die aserbaidschanische Aggression auf das Schärfste zu verurteilen“. Sie stellten auch fest, dass „die Türkei den Konflikt mit kriegerischen Äußerungen anheizt“.
- Oktober
Das armenische Verteidigungsministerium berichtete, dass Stepanakert erneut beschossen wurde, nach Militärangaben kam das Feuer aus Smertsch und Polonez Raketenwerfern. Wie in Eriwan festgestellt wurde, wurden Schulen und Kindergärten beschädigt. Das armenische Außenministerium erklärte, als Folge der Aktionen Aserbaidschans in Karabach seien 19 Zivilisten getötet, 80 verwundet und „mehr als 2.700 Immobilien und Infrastruktur beschädigt“ worden. Das Militär der Republik berichtete auch über die Zerstörung einer großen Einheit der aserbaidschanischen Streitkräfte.
Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium meldete Raketenangriffe von armenischem Territorium sowie den Beschuss der Städte Agjabedi, Beilagan, Barda, Terter, Ganja, Goradiz und einiger Gebiete und Dörfer durch die armenischen Streitkräfte. Baku berichtet auch von Verletzungen bei Zivilisten und zerstörter Infrastruktur. Gleichzeitig gelang es dem Militär nach Alijews Aussage, die Kontrolle über drei weitere Dörfer des Jebrail-Distrikts und eine Reihe strategischer Höhen zu übernehmen. Insgesamt wurden nach Angaben der aserbaidschanischen Seite seit Beginn des Konflikts mehr als 120 Zivilisten in Karabach verletzt.
Nikol Paschinjan führte ein weiteres Gespräch mit Wladimir Putin. Zuvor hatte er alle ehemaligen Soldaten, die im vergangenen Jahr ihren Dienst absolviert haben, aufgefordert, sich als Freiwillige in Bergkarabach zu melden. Nach armenischem Recht können die Behörden diese Menschen nicht zum Dienst zwingen. Der Premierminister sagte auch, dass er Erklärungen von den USA wegen des Einsatzes von türkischer F-16 in Karabach erwartet. Präsident Armen Sarkissian wiederum sagte der Zeitung „Tsaisin“, Eriwan erwarte von der internationalen Gemeinschaft Druck auf die Türkei.
In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten die Außenminister Russlands, Frankreichs und der Vereinigten Staaten die Eskalation im Konfliktgebiet Bergkarabach und bekräftigten ihre Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand. Die Vereinten Nationen haben mehr als 40 zivile Opfer in der Region gemeldet.
- Oktober
Eriwan weigerte sich, am Manöver „Unzerbrechliche Bruderschaft“ der OVKS teilzunehmen. Wie Armenien meldete, war die letzte Nacht in Karabach relativ ruhig, aber am Nachmittag begann nach Angaben des Militärs ein großangelegter Angriff im Süden der nicht anerkannten Republik. Das Verteidigungsministerium des Landes berichtete erneut über den Beschuss von Stepanakert durch die aserbaidschanischen Streitkräfte. Es wurde auch bekannt, dass Nikol Paschinjan einen Tag zuvor Bergkarabach besucht hat.
Baku dementierte Meldungen der armenischen Seite über die Vernichtung einer großen Einheit der aserbaidschanischen Streitkräfte. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums werden die Kampfeinsätze entlang der gesamten Frontlinie fortgesetzt und die armenische Armee erleidet Verluste und wird „zum Rückzug gezwungen“. Die Geheimdienste der Republik berichteten auch, dass sie Funkgespräche von Terroristen abgehört haben, die mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in Verbindung stehen und an den Kämpfen in Bergkarabach gegen die aserbaidschanischen Streitkräfte teilnehmen. Die aserbaidschanische Seite berichtete auch über den Versuch der armenischen Streitkräfte, einen Raketenangriff auf die Ölpipeline Baku-Tiflis-Ceyhan durchzuführen. Eriwan bestritt diese Meldungen.
Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu traf in Baku ein, wo er mit Präsident Ilham Alijew zusammentraf. In seiner Rede sagte er, Ankara werde Aserbaidschan in jedem Bereich unterstützen.
Paschinjan sagte, die armenische Seite sei bereit, Zugeständnisse im Konflikt um Bergkarabach zu machen, wenn auch Aserbaidschan dazu bereit sei. Der Ministerpräsident sprach auch über die Bereitschaft Russlands, seinen Verpflichtungen im Bereich des Vertrages über kollektive Sicherheit nachzukommen, wenn Armenien angegriffen wird.
- Oktober
Eriwan erklärte, dass die Verteidigungsarmee von Karabach eine Gegenoffensive in nördlicher Richtung der Front startete und Angriffe im Süden der nicht anerkannten Republik abwehrte. Wieder wird der Beschuss von Stepanakert gemeldet. Das armenische Verteidigungsministerium hat eine Liste mit 40 Namen weiterer gefallener Soldaten veröffentlicht. Zuvor hatte die armenische Seite von etwa 240 Soldaten berichtet, die seit dem 27. September bei den Kämpfen getötet wurden.
Baku meldete den Beschuss der Orte Terter, Bardin, Agdam, Agjabedinsky, Fizulinsky und Dzhebrail durch die armenische Seite. Das Verteidigungsministerium des Landes stellte auch fest, dass Aserbaidschans Operation in Karabach nicht über die Grenzen des Landes hinausgeht. Darüber hinaus betonte das Ministerium, dass man im Konfliktgebiet keine verbotene Munition verwende.
Wladimir Putin bezeichnete die Lage um Bergkarabach als Tragödie. Er führte auch Telefongespräche mit Ilham Aliyev und Nikola Paschinjan. Der Kreml erinnerte daran, dass Russland im Rahmen der OVKS für Armenien einstehen kann, aber diese Verpflichtungen gelten nicht für Bergkarabach.
Frankreich, die Vereinigten Staaten und Russland werden als Co-Vorsitzende der Minsk-Gruppe der OSZE am 8. Oktober in Genf und am 12. Oktober in Moskau Gespräche über die Lage in Bergkarabach führen. Der Iran hat den Regierungen in Baku und Eriwan offizielle Protestnoten im Zusammenhang mit versehentlichen Einschlägen von Granaten und Raketen auf dem Territorium des Landes geschickt.
Paschinjan sagte, dass der Konflikt um Karabach über den regionalen Rahmen hinausginge, und wies auf die Bedeutung eines Kompromisses hin. Als eine der Bedingungen für einen Waffenstillstands nannte er die Beendigung der Beteiligung der Türkei an dem bewaffneten Konflikt.
Ende der Übersetzung
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Aktuell noch ein Hinweis auf eine längere Abhandlung auf den heutigen NACHDENKSEITEN von Hans-Joachim Dübel, einem ehemaligen Weltbankmitarbeiter (Wohnungsbau- und Finanzsektorexperte) für Türkei, Armenien, Balkan, Naher Osten sowie Zentralasien. : „Der Angriff auf das armenische Karabach – wie der Westen den Konflikt am Kochen hält und die Türkei für seine geopolitischen Zwecke missbraucht“.
Sie enthält eine sehr schöne historische Abhandlung zur Entstehung der Gegensätze (nicht nur) in Bergkarabach um die Zeit der Versailler Verträge (hier Séveres, Lausanne, Kars usw.) herum, den unheilvollen Einfluß von Stalin: „Teile (die Gebiete = Schaffe Konflikte) und herrsche“ sowie den Willen des Westens, als augenscheinlich Unbeteiligter die Regionen (nicht nur) rund um Rußland in Unruhe zu halten. Und es zeigt sich, daß zum Frieden zunächst einmal der Wille zum Ausgleich gehört – für die Konfliktbeteiligten genauso wie für die „interessierten“ Zuschauer!