Das russische Verfassungsgericht macht den Weg für die geplante Verfassungsreform frei

Die geplante Verfassungsreform in Russland hat die vorletzte Hürde passiert und wird im April den Menschen in Russland zur Abstimmung vorgelegt.

Am 16. März hat das Verfassungsgericht in Russland die vorgeschlagenen Verfassungsänderungen als verfassungskonform bestätigt. Das russische Fernsehen hat am Sonntag in der Sendung „Nachrichten der Woche“ ausführlich darüber berichtet auch aus der Entscheidung des Gerichts zitiert. Diesen Beitrag des russischen Fernsehens habe ich ausnahmsweise nicht übersetzt, weil er zum großen Teil aus ausgesprochen schwer zu lesenden, juristischen Zitaten bestand. Daher fasse ich diese Ereignisse in meinen eigenen Worten zusammen.

Kaum verwundern dürfte, dass das Verfassungsgericht die sozialen Komponenten der Reform durch gewunken hat. Nach der Verfassungsreform wird die Regierung laut Verfassung gezwungen sein, die Renten und Sozialleistungen jedes zu „indexieren“, also sie anzuheben und zwar mindestens um die Inflationsrate. Die Betonung liegt bei dieser russischen Definition der „Indexierung“ auf „mindestens“.

Auch die Definition der Ehe als Bund zwischen Mann und Frau, die nun in die russische Verfassung aufgenommen werden soll, ist nicht umstritten in Russland. Russland fördert Familien mit Kindern sehr stark und es ist in Russland Konsens, dass eine Ehe nur eine Gemeinschaft von Mann und Frau sein kann, aus der Kinder hervorgehen können.

Umstrittener ist schon der Passus, der Gott in die Verfassung aufnimmt. Vor allem die Atheisten stören sich daran, nicht die Anhänger anderer Religionen, als dem Christentum. Aber das Verfassungsgericht hat erklärt, dass die Aufnahme des Gottesbegriffes in die Verfassung nur ein Hinweis auf die wichtige Rolle der Religonen in der Geschichte Russlands und seiner Entstehung als Staat ist und keinerlei Einschränkungen macht, an welchen Gott eine Glaubensgemeinschaft glaubt. Auch eine Verpflichtung, sich zu einem Gott zu bekennen, geht aus dem neuen Artikel nicht hervor, sondern es bleibt im Gegenteil die Bestimmung aus der Verfassung, dass Russland ein säkularer Staat ist, davon unberührt.

Auch die Aufnahme der Formulierung von Russisch als Sprache des staatsbildenden Volkes wurde vom Verfassungsgericht genehmigt. Das Verfassungsgericht wies auf die unbestreitbare Tatsache hin, dass die Russen das größte und eben auch staatsbildende Volk in dem Vielvölkerstaat seien, es hat aber auch betont, dass die vielen Bestimmungen, die allen Völkern Russlands gleiche Rechte und den Schutz ihrer Kultur, Sprache, Religion, Gebräuche und so weiter garantieren, davon nicht berührt werden. Das dürfte in der Praxis auch niemand befürchtet haben, denn Russland tut sehr viel, um die Kulturen, Sprachen und Gebräuche der weit über hundert ethnischen Minderheiten nicht nur zu schützen, sondern sogar zu fördern.

Die international am meisten erwartete Entscheidung des Verfassungsgerichts betraf die Frage, ob Putin 2024 noch einmal als Präsident antreten darf. Das Verfassungsgericht stellte dabei zwei Aspekte gegeneinander und sagte, dass eine Beschränkung von Amtszeiten von Staatschefs in Demokratien möglich, aber nicht zwingend ist. Das Verfassungsgericht wies jedoch darauf hin, dass die letzte Entscheidung beim Volk liegt, das den Staatschef in jedem Fall wählen und bestätigen muss. Und es stellte die Frage, ob es demokratisch sei, dem Volk die Möglichkeit zu nehmen, für einen Kandidaten zu stimmen, wenn es in seiner Mehrheit eine weitere Amtszeit für ihn wolle. Das Verfassungsgericht hat damit den Weg für eine weitere Kandidatur Putins frei gemacht. Es hat Putin die Entscheidung überlassen, ob er noch einmal antreten möchte und es hat den russischen Wählern die Entscheidung darüber überlassen, ob sie ihn noch einmal mehrheitlich wählen wollen, wenn er denn antritt.

Am 17. März hat Putin das Dekret zum Abhalten der Volksabstimmung unterschrieben, sie darf nun in von da an frühestens 30 Tagen stattfinden. Eine Verschiebung auf später ist möglich, wie Putin und die Vorsitzende der Wahlkommission bei einem Treffen gesagt haben. Schließlich kann sich die Situation mit dem Coronavirus auch in Russland noch verschärfen.

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Eine Antwort

  1. Es ist nicht nur die Macht. Ich glaube Putin ist wirklich mit ganzem Herzen ehrlich für sein Russland da. Und er ist gut. Das macht es für einen Nachfolger nicht einfach. Und wie müsste dieser oder diese sein? Um vom Westen akzeptiert zu werden. Wie wird die Welt, wenn Russland «fällt», sich dem Westen zu sehr anpasst, diese Gunst begehrt. Oder ein Unbesonnener kommt, wir Narren hätten es fast verdient. Putin ist gewiss kein Herzchen, aber ich halte ihn, beurteilend auf seine (von Herrn Röper ins Deutsche übersetzten und mir zugänglichen) Aussagen, wie deren Umsetzung und seiner Geduld die er zweifelsohne hat, als weise. Er ist noch von der alten Schule, der Patron der nur für seine Firma lebt.

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