Folter und Kriegsverbrechen: USA ignorieren Menschen- und Völkerrecht – Der Spiegel findet kein kritisches Wort

Die USA haben Menschen gefoltert, das ist bekannt. Die USA haben Menschen entführt und halten sie nun schon fast 20 Jahre ohne Anklage unter unmenschlichen Bedingungen gefangen, das ist auch bekannt. Aber wenn der Spiegel berichtet, fehlt jegliche Kritik.

Es ist allgemein bekannt, dass die USA unter Bush Junior ein Folterprogramm eingeführt und Menschen entführt haben. Diese Menschen wurden gefoltert, dabei sind nach nach offiziellen Zahlen der US-Regierung 108 Gefangene an den Folgen gestorben und die, die das zweifelhafte Glück hatten, zu überleben, sind nach Guantanamo gekommen. In diesem Lager, das keinerlei Rechtssprechung unterliegt (außer der Willkür der US-Regierung) werden Menschen zum Teil seit fast 20 Jahren ohne Anklage und Gerichtsverfahren gehalten. Manche sind sogar erwiesenermaßen unschuldig, aber sie kommen trotzdem nicht raus.

Man fragt sich, wie das mit den „gemeinsamen Werten“ vereinbar ist, die unsere Medien und Politiker immer bemühen, wenn sie über das transatlantische Bündnis reden. Ich hoffe nicht, dass diese Medienschaffenden und Politiker diese Werte der USA teilen, aber wer weiß das schon? Laut zugeben würde das wohl keiner von denen, aber die Art und Weise, wie die Verbrechen der USA heruntergespielt werden, lassen einige Vermutungen zu.

Wenn jemand die Verbrechen der USA aufdeckt, wie zum Beispiel Julian Assange, dann bestrafen die USA jedenfalls nicht die Täter, sondern den, der das Verbrechen aufgedeckt hat. Und wenn dieser Mensch nicht – wie Edward Snowden – das Glück hatte, in Moskau gelandet zu sein, dann wird er (siehe Assange) in einem Londoner Gefängnis in einer Art und Weise gehalten, dass die UNO von Folter spricht und 60 Ärzte in einem offenen Brief warnen, er könnte an den Haftbedingungen sterben. Habe ich erwähnt, dass die Bundesregierung auch im Falle von Großbritannien (wenn sie auf die Haftbedingungen von Assange angesprochen wird) immer von „gemeinsamen Werten“ spricht?

Um Kriegsverbrechen zu ahnden gibt es den Internationalen Gerichtshof. Dort werden Leute angeklagt, die Kriegsverbrechen begangen haben sollen. Der Westen meldet es als Erfolg, wenn dort Serben oder Afrikaner angeklagt und verurteilt werden. Und es ist ja auch ein Erfolg, wenn solche Verbrechen bestraft werden. Nur scheint man im Westen auch der Meinung zu sein, dass das nicht gilt, wenn die Verbrechen von westlichen Staaten verübt werden.

Der Internationale Gerichtshof hatte in diesem Jahr eine Klage zu verhandeln, in der es um Kriegsverbrechen der USA in Afghanistan und Folter durch die USA in den Jahren 2003 und 2004 ging. Im April wurde die Klage abgewiesen, weil die USA die Zusammenarbeit mit dem Gericht verweigern. Die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg konnte man in der Urteilsbegründung lesen.

Sie haben richtig gelesen: Das große demokratische Vorbild der deutschen Medien und Politiker, die USA, der Hort von Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechten, die offiziell immer so auf die Einhaltung des Völkerrechts pochen, wenn es um andere geht, diese USA erkennen den Internationalen Gerichtshof nicht an. Mehr noch: Sie haben den Beteiligten an dem Verfahren sogar offen mit Sanktionen gedroht. Das war im September 2018, ob das wohl das Urteil, das im April gesprochen wurde, beeinflusst hat?

Aber die Kläger sind in Berufung gegangen und die wurde letzte Woche verhandelt, das Urteil steht noch aus. Aber es gibt Äußerungen aus den USA dazu. Ein Rechtsberater im Weißen Haus, Jay Sekulow, teilte mit, es gäbe keine Rechtsgrundlage, gegen die USA zu verhandeln, denn der Gerichtshof sei nur für Länder zuständig, die nicht bereit oder nicht in der Lage seien, Kriegsverbrechen selbstständig zu verfolgen.

Nachdem die USA fast 20 Jahre Menschen entführt, gefoltert und ohne Anklage eingesperrt und auch noch Kriegsverbrechen begangen haben, aber kaum jemand dafür verurteilt wurde, scheint diese Argumentation wie Satire.

Aber Sekulow sagte ernsthaft:“Wir haben ein sehr umfassendes System der Militärjustiz“. Dass Trump einige der wenigen, die überhaupt in den USA wegen Kriegsverbrechen verurteilt worden sind, inzwischen begnadigt hat, scheint Teil des „sehr umfassenden Systems“ zu sein.

Die USA haben die Foltervorwürfe 2011 untersucht. Es gab einen 6.000 seitigen Bericht, der aber geheim ist, der Öffentlichkeit wurde nur eine 500 seitige Zusammenfassung gezeigt, in der aber auch sehr viel geschwärzt ist. Pikant: Die CIA hat die Ermittlungen seinerzeit behindert. Gina Haspel, die selbst Chefin eines Foltergefängnisses gewesen ist, hat über 90 Foltervideos vernichten lassen. 2018 hat eine Kommission erklärt, das sei korrektes Verhalten gewesen, weil sie dazu von einem Vorgesetzten angewiesen worden sei.

Wie dem auch sei, ihrer Karriere hat es nicht geschadet, persönlich in Folter involviert gewesen zu sein und Beweismaterial vernichtet zu haben, während die Foltervorwürfe untersucht wurden. Im Mai 2018 wurde sie als erste Frau Chefin der CIA.

Wie würde wohl die Wortwahl deutscher Politiker und Medien ausfallen, wenn Russland hunderte Menschen aus fremden Ländern entführt, diese in Geheimgefängnissen foltert und sogar – nach eigenen Angaben – über 100 Menschen zu Tode foltert? Oder wenn Russland ein Gefängnis unterhalten würde, in dem es Menschen über 15 Jahre ohne Anklage oder Gerichtsverhandlung unter unmenschlichen Bedingungen festhält? Und wie wäre wohl die Reaktion in Deutschland, wenn die Verantwortliche dann zum russischen Geheimdienstchef befördert würde, anstatt wegen Folter angeklagt zu werden?

Man muss sich nur den Medienhype anschauen, der zum Beispiel um den Fall Skripal veranstaltet wurde, wo noch nicht einmal klar ist, was geschehen und wer verantwortlich ist. Bei der US-Folter ist alles unbestritten, aber die Medien haben nicht wirklich viel zu kritisieren. Und die Politik hat gar nichts zu kritisieren.

Der Spiegel brachte am Freitag einen Artikel über die Zeichnungen eines Folteropfers. Er hat seine Erlebnisse in Bildern verarbeitet.

Der Artikel im Spiegel ist bemerkenswert. Dort wird gemeldet und beim Namen genannt, dass die USA gefoltert haben. Aber es fehlt jedes Wort der Kritik. So sachlich wie möglich berichtet der Spiegel über die Bilder des Opfers, das übrigens bis heute ohne Anklage in Guantanamo sitzt, und über einen Bericht, den der Anwalt des Opfers veröffentlicht hat. Alles ist so sachlich, wie möglich gehalten und es werden möglichst viele Informationen weggelassen:

„In dem Programm entführte die CIA zwischen 2002 und 2008 mindestens 119 Terrorverdächtige. Mit Flugzeugen wurden die Männer an sogenannte „Black Sites“ verschleppt: Geheimgefängnisse unter anderem in Afghanistan, Litauen, Polen und Thailand. Der Geheimdienstausschuss des US-Senats kam 2014 in einem Bericht zum Schluss, dass dort systematisch gefoltert wurde. Am Ende des mehr als 500 Seiten langen Dokuments findet sich eine Liste aller Personen, die der Geheimdienst in diesen Jahren festhielt.“

Was im Spiegel merkwürdigerweise nicht erwähnt wird ist, dass es sich bei dem genannten Bericht nur um eine Zusammenfassung eines 6.000 Seiten langen Berichtes handelt und dass die CIA im Zuge der Ermittlungen Beweisvideos vernichtet hat, ohne dass das Konsequenzen hatte. Okay, es hatte Konsequenzen: die Verantwortliche hat danach eine steile Karriere gemacht.

Danach schreibt der Spiegel über die Zeichnungen, die der Betroffene angefertigt hat und welche Foltermethoden sie darstellen. Und der Spiegel bringt es fertig, dabei die USA trotzdem mit keinem Wort für Folter zu kritisieren. Stattdessen kann man dort nach der ausführlichen Rezension der Bilder lesen:

„Der US-Kongress zog im Juni 2015 Konsequenzen aus dem Bericht des Geheimdienstausschusses: Er verabschiedete mit großer Mehrheit ein Gesetz, das die „verschärften Verhörmethoden“ verbietet.“

Das ist doch lebenswert! Die USA haben 2015 Folter als „Verhörmethode“ (der Spiegel vermeidet das böse Wort „Folter“ wo es geht) untersagt. Es war der Welt und damit deutschen Journalisten und der Regierung seit der Bush-Zeit bekannt, dass die USA gegen die elementarsten Menschenrechte verstoßen, indem sie Menschen entführen, foltern und über Jahre (und demnächst sogar Jahrzehnte) ohne Anklage einsperren. Aber Kritik gab es nicht. Und nun sollen wir uns anscheinend darüber freuen, dass der Kongress 2015, also mehr als zehn Jahre später, Konsequenzen gezogen hat?

Warum fragt der Spiegel nicht, warum es so lange gedauert hat, bis endlich reagiert wurde?

Wie ich schon oft festgestellt habe, findet man die Wahrheit am ehesten am Ende von Spiegel-Artikeln. Das ist praktisch, weil die wenigsten Leser die Artikel bis zum Ende lesen. In den letzten zwei Absätzen kann man über das Opfer der US-Folter lesen:

„Subaida verbrachte mehr als vier Jahre in „Black Sites“. Seit Herbst 2006 sitzt der heute 48-Jährige im Gefangenenlager auf dem US-Marinestützpunkt Guantánamo im Osten Kubas. Das US-Verteidigungsministerium hält ihn weiterhin für einen Dschihadisten, der sich „wahrscheinlich eine extremistische Geisteshaltung bewahrt hat“. Allerdings räumte die Regierung schon vor Jahren ein, dass Subaida nicht das hochrangige Al-Qaida-Mitglied ist, für das man ihn bei seiner Ergreifung hielt. Laut der „New York Times“ war er nicht einmal Mitglied der Terrorgruppe. Auch hatte er vor dem 11. September 2001 keine Kenntnis von den geplanten Anschlägen. Er wurde bis heute nicht angeklagt. Gerichtsakten zeigen, dass die Militärstaatsanwälte auch für die Zukunft keine Anklage planen.“

Damit endet der Artikel.

Im Klartext: Der Mann wurde entführt, vier Jahre lang in geheimen Foltergefängnissen gefoltert und sitzt nun seit 13 Jahren in Guantanamo, insgesamt ist er seit 17 Jahren in Gefangenschaft. Dabei hat er nichts von dem getan, was die USA ihm zur Last gelegt haben, das geben sie sogar zu. Aber eine Gerichtsverhandlung oder eine Freilassung sind nicht in Sicht.

Das schreibt der Spiegel, aber er findet dafür nicht ein einziges kritisches Wort. Und über das Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof berichtet der Spiegel seinen Lesern gar nichts, von Kritik daran, dass die USA den Internationalen Gerichtshof ignorieren und den Richtern sogar Sanktionen androhen, wenn sie „falsch“ entscheiden, gar nicht zu reden.

Wie soll man ein Medium bezeichnen, das sich so ignorant zu Fragen von Menschenrechten und Prinzipien des Rechtsstaates verhält?

Man fragt sich, ob die Redakteure der „Qualitätsmedien“ selbst so menschenverachtend eingestellt sind, oder ob sie so große Angst vor den USA haben, dass sie über US-Folter schreiben, ohne sie auch nur ein wenig zu kritisieren.

Angst wäre wohl angebracht, das Beispiel Assange haben ja alle Journalisten stets vor Augen…

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Eine Antwort

  1. „dass die Bundesregierung auch im Falle von Großbritannien (wenn sie auf die Haftbedingungen von Assange angesprochen wird) immer von „gemeinsamen Werten“ spricht?“ …

    … ist durchaus richtig. Gemeinsame Werte sind „Recht-SS-staatlichkeit“ und a bisserl Folter hat noch keinem geschadet. [/zyn]

    Schlimmer noch, im Fall Skripal ist noch nicht einmal klar ist, wo denn die bedauernswerten Leichen „in Sicherheit“ gebracht worden sind. Bis zum Beweis des Gegenteils behaupte ich, dass sie von britischen Geheim-Mordbuben umgebracht wurden! Wie das gemacht wird kann man hier erahnen:
    https://www.youtube.com/watch?v=vQKYegj6S-4

    Bei der Folterei wird ebenfalls ungerührt weiter „gearbeitet“; nicht nur in Guantanamo. Erst recht seit die Domina aus dem thailändischen Gruselkabinett, die Gina Haspel jetzt sogar die ‚Auslandsmörder‘ der CIA befehligt.

    „Ein Rechtsberater im Weißen Haus, Jay Sekulow, teilte mit, es gäbe keine Rechtsgrundlage, gegen die USA zu verhandeln, denn der Gerichtshof sei nur für Länder zuständig, die nicht bereit oder nicht in der Lage seien, Kriegsverbrechen selbstständig zu verfolgen.“

    Da hab‘ ich ja ein echtes Dejá-VU Erlebnis; hatten nicht die Angeklagten in Nürnberg 1946 ähnliches behauptet? Trotzdem hat man sie an einem kühlen Oktobermorgen am Hals aufgehängt, bis Ruhe war – beim Schmidchen Schleicher („Der Stürmer“) hat es lange 20 Minuten gedauert.

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