Das russische Außenministerium über den Stromausfall in Venezuela

Bei der wöchentlichen Pressekonferenz des russischen Außenministeriums war am Freitag Venezuela wieder ein großes Thema. Russland beschuldigt die USA für den großen Stromausfall verantwortlich zu sein und begründet seine Position auch. Ich habe diese offizielle Erklärung des russischen Außenministeriums übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Die Lage in und um Venezuela ist weiterhin äußerst angespannt. Nach dem Ende Februar gescheiterten Versuch einer sogenannten „humanitären“ Invasion und den unaufhörlichen Provokation des selbsternannten „Übergangspräsidenten“, traf in dieser Woche ein schweres Unglück Venezuela. Und es kam leider auf die Art und Weise, über die wir in unserer vorherigen Pressekonferenz am 7. März gesprochen haben: durch Sabotage, und das nur wenige Stunden nach unserer Pressekonferenz. Wie die absolute Mehrzahl der Übel, die in den letzten Jahren das unabhängige Venezuela heimsuchten, kam auch dieses Unglück von außen.

Nach Angaben der legitimen Regierung des Landes von Präsident Maduro, sowie gemäß Informationen aus anderen glaubwürdigen Quellen, wurde der Stromsektor in Venezuela aus dem Ausland angegriffen. Dabei handelt es sich um einen komplexen Angriff aus der Ferne auf die Steuerungssysteme der wichtigsten Verteilerstationen, in denen in westlichen Länder hergestellte Geräte verbaut worden sind. Natürlich waren alle Algorithmen und Schwachstellen dieser Geräte und Systeme den Organisatoren der Aggression bekannt. Mit dieser Sabotage sind sie verantwortlich für den Verlust von Menschenleben, auch in den Krankenhäusern, die immer noch ohne Strom sind. Wir hoffen, dass sie früher oder später auch vor Gericht zur Verantwortung gezogen werden. Nun laufen die Ermittlungen. Da Sie sowieso Fragen im Zusammenhang mit der jüngsten Erklärung von Präsident Maduro stellen werden, werde ich schon jetzt Stellung dazu nehmen: Sollte die venezolanische Regierung im Zuge der Ermittlungen um Unterstützung russischer Experten bitten, werden wir das sehr aufmerksam prüfen.

Ich möchte darauf hinweisen, dass solche Anschläge auf die Infrastruktur eines Landes immer öfter im Zuge der hybriden Kriegführung eingesetzt werden.

Im Zusammenhang mit der Lage in Venezuela gibt es eine Parallele zur Situation in der Region Cherson in der Ukraine im Herbst 2015. Lassen Sie mich daran erinnern, dass Rechtsradikale damals verzweifelt versucht haben, den Willen der Einwohner der Krim zu brechen und die so genannte „Wasserblockade“ der Krim eingeführt haben, bei der sie die Stromleitungen zur Halbinsel in die Luft gesprengt haben und so das Leben und die Gesundheit von Hunderttausenden Menschen absichtlich in Gefahr gebracht haben. Die so genannten Helden des Maidan haben unter der Schirmherrschaft der USA und einer Reihe ihrer Verbündeten auch vor skrupellosesten Methoden nicht zurückgeschreckt, um ihre Ziele zu erreichen. Insbesondere Herr Dzemiilev, gegen den in Russland in Abwesenheit ein Strafverfahren eingeleitet wurde, hat damals diese Energieblockade der Krim unterstützt und verlangt, die Stromversorgung der Halbinsel vollständig zu stoppen und er fragte auch, warum noch Lebensmittel auf die Krim geliefert wurden. Im Klartext heißt das, dass er eine Hungerblockade forderte, das erinnert an die schrecklichsten und tragischsten Episoden der Weltkriege. Offenbar ist Unmenschlichkeit und die Missachtung elementarster Normen der menschlicher Moral etwas, dass diejenigen gemeinsam haben, die sich über das Völkerrecht stellen, egal, ob es um die Menschen auf der Krim oder in Venezuela geht.

In seinem wahrhaft manischen Streben, die legitime Regierung eines souveränen Staates zu stürzen, arbeitet Washington jedwede Szenarien aus und setzt sie auch um.

Gehen wir das mal Punkt für Punkt durch. Also, Punkt „A“: Der vorhersehbare Kollaps wurde von den USA genutzt, die alle „Optionen auf den Tisch“ sehen, um bei den Ländern der Region und bei der internationalen Gemeinschaft zumindest geringes Verständnis für – darum Punkt „A“ – die Möglichkeit einer Aggression von außen zu wecken. Es ist nicht gelungen, vor der internationalen Gemeinschaft den Aufbau von – Punkt „B“ – bewaffneten Brigaden zu verbergen und illegale bewaffnete Formationen zu schaffen. Wir haben bereits über die Pläne für den Kauf und die illegale Lieferung von Waffen aus Osteuropa nach Venezuela berichtet. Übrigens wurde kürzlich bekannt, dass die US-Geheimdienste daran arbeiten, Kontakte zu Schmugglern und Drogenhändlern zu knüpfen, um von ihnen Informationen über illegale Transportwege zu bekommen.

Dann Punkt „C“, der Versuch eines Militärputsches. Auch ein Fehlschlag.

Über Punkt „D“ gibt es auch einiges zu erzählen. Die humanitäre Invasion ist gescheitert. Dazu gibt es ein bemerkenswertes Detail. Ein weiteres Beispiel für die Doppelmoral des Weißen Hauses ist die Ablehnung der Hilfsangebote aus Havanna für die Vereinigten Staaten nach dem Hurrikan Katrina in New Orleans 2005 und nach dem Hurrikan Maria in Puerto Rico im Jahr 2017. Die kubanische Regierung hat Washington damals über seine Bereitschaft informiert, eine solche Hilfe zu leisten. Es ging um die Entsendung von Teams kubanischer Ärzte, zig Tonnen Medikamente und medizinischer Geräte, sowie den Einsatz von Feldlazaretten. Die Regierungen von Bush und Trump lehnten die Hilfsangebote von Havanna ab, wenn auch unter unterschiedlichen Vorwänden. Wichtig ist, dass die Kubaner ihre Bereitschaft betont haben, ohne Vorbedingungen Hilfe zu leisten und diesen Schritt in keiner Weise mit der Forderung verknüpft haben, die finanzielle und wirtschaftliche Blockade der Insel durch Washington aufzuheben. Ich möchte besonders betonen, dass die kubanische Führung in beiden Fällen in strikter Übereinstimmung mit den internationalen Normen zur Bereitstellung humanitärer Hilfe gehandelt hat. Man hat die Weigerung Washingtons, die angebotene Hilfe anzunehmen, akzeptiert und nicht versucht, sie mit Gewalt durchzusetzen und dies auch nicht für Propagandazwecke genutzt. Jetzt hört man das Stöhnen der amerikanischen Politiker darüber, dass die angebotene „humanitäre Hilfe“ für das leidende Volk Venezuelas nicht angenommen wird. Das ist ein deutliches Signal, dass man die Regierung selbst stürzen will. Aber man vergisst zu sagen, dass die Menschen dieses Landes unter den Sanktionen Washingtons selbst leiden. Das ist absurd.

In jüngster Zeit wird der Punkt „E“ des kriminellen Plans immer häufiger offensichtlich, also Sabotage. Sabotage und subversive Aktivitäten gegen zivile Objekte unterliegen immer der gleichen perversen Logik, je schlechter, desto besser. Wem es dabei schlechter gehen soll, das Ziel ist in diesem Fall das venezolanische Volk, und für wen das besser ist, versteht, denke ich, jeder. Hier enden wir mit einer Auflistung der Punkte, denn nun kämen die beliebtesten russischen Buchstaben. (Anm. d. Übersetzers: Es handelt sich dabei um Buchstaben, mit denen bekannte russische Fäkalbegriffe beginnen, die man immer dann benutzt, wenn man etwas wirklich schlimmes sagen möchte) Aber wir wollen ernst bleiben: Wir empfehlen, dass diejenigen, die sich mit der Organisation illegaler und völkerrechtswidriger Pläne beschäftigen, darüber nachdenken, wozu das führen kann.

Unterdessen kam die alarmierende Nachricht von Washingtons Entscheidung, alle verbliebenen Mitarbeiter seiner Botschaft in Caracas zu evakuieren. Daran ist zunächst nichts Ungewöhnliches, denn den amerikanischen Diplomaten wurde sofort nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Venezuela und den USA die Tür gewiesen, aber sie hatten sich zunächst geweigert, das Land zu verlassen. Das verstörende an der Sache ist, dass US-Außenminister Pompeo sagte, die Anwesenheit des Personals sei eine Beschränkung für US-Aktionen. Welche Aktionen waren gemeint?

Um noch einmal auf die These der so genannten „humanitären Krise in Venezuela“ zurückzukommen, möchten wir auf eine weitere Erklärung von Pompeo aufmerksam machen, der erklärt hat, dass die Vereinigten Staaten nichts mit dem Rückgang der Produktion landwirtschaftlicher Rohstoffe in Venezuela zu tun haben. Die US-Regierung dreht fleißig am Rad der Wirtschaftssanktionen gegen Venezuela, deren direkte Folge auch Beschränkungen gegen die rechtmäßige Regierung von Maduro sind, aus den USA Rohstoffen für die Lebensmittelindustrie zu importieren. Es handelt sich um Waren für über 800 Millionen Dollar pro Jahr. Unterdessen werden nach Angaben des US-amerikanischen Sicherheitsberaters Bolton neue Sanktionen vorbereitet, um den „Zugriff gegen das Regime von Maduro in finanzieller Hinsicht zu verstärken“. Was soll man da noch kommentieren? Vielleicht war so etwas vor 200 Jahren normal, als es noch nicht üblich war, auf das Völkerrecht, die Menschenrechte und die humanitären Aspekte zu verweisen. Aber wir leben im Jahr 2019. Wie ist das alles möglich? All dies im Informationszeitalter, wenn alles jedem buchstäblich in Sekunden bekannt wird. Wie kann so etwas ausgerechnet von den Ländern getan werden, die sich selbst als zivilisiert, offen, frei und demokratisch bezeichnen?

Es scheint, dass Washington es vorzieht, in seinen eigenen Illusionen gefangen zu bleiben. Die Worte von Außenminister Pompeo über „die scharfe Reaktion der Weltgemeinschaft gegen Russland“(„the international community sharply rebuked Russia“) und „54 demokratische Staaten, die formell den sogenannten Interimspräsidenten Venezuelas unterstützen“ entsprechen nicht der Realität. Offenbar wollen die „ausländischen Freunde der venezolanischen Demokratie“ in der Hitze des Gefechts nicht die einfache Tatsache bemerken, dass sich mehr als zwei Drittel der UN-Mitgliedstaaten immer noch weigern, den illegitimen Protegé von Washington anzuerkennen, der übrigens kürzlich sagte, dass er weiterhin präsidiale Aufgaben wahrnehmen werde, um „die Hoffnungen der Venezolaner zu erfüllen“.

Als die Medien über die Rückkehr dieses Politikers in seine Heimat berichteten, gab es Berichte, dass er mit einem Linienflug gekommen wäre. Viele bemerkten aber, dass er nicht für den Flug gebucht war. Wie man ohne Bordkarte in einen regulären Flug kommt, diese Frage wurde nicht gestellt.

Ende der Übersetzung

Wenn Sie sich für die russische Sicht auf die Weltpolitik interessieren, empfehle ich Ihnen, die Beschreibung zu meinem Buch zu lesen. Dort kommt Putin ungefiltert und ungekürzt selbst zu Wort und Sie können sich ein Bild davon machen, was Putin selbst zu derartigen Einmischungen von außen in die Angelegenheiten anderer Staaten sagt. Dieses Thema zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch, sei es beim Thema Ukraine oder auch bei Syrien. Putin findet dort sehr deutliche Worte an die Adresse der USA. Die Buchbeschreibung finden Sie im Link unter diesem Artikel.

https://anti-spiegel.com/2019/was-sagt-putin-selbst-zu-den-fragen-der-interbationalen-politk-hier-kommt-er-zu-wort/
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Schreibe einen Kommentar