Schattenarmeen in Deutschland? Wozu wollte sich ein KSK-Soldat als Flüchtling registrieren lassen?

In den letzten Wochen geisterten immer mal wieder Meldungen durch den Blätterwald, dass es innerhalb der Bundeswehr Eliteeinheit KSK eine Art „Untergrundarmee“ gab oder gibt. Das soll so weit gehen, dass sie sogar im Falle eines Wahlergebnisses, das ihnen nicht gefällt, einen Putsch in Deutschland organisieren wollten.
 
Die Nachricht spielt aber in den Medien kaum eine Rolle. Und ich bin sicher, dass der Großteil der Bevölkerung diese Meldung nicht kennt. Und die, die sie kennen, lächeln wohl darüber. Ein Putsch in Deutschland? Undenkbar! Bloß ein paar durchgeknallte Soldaten, denen wohl irgendwas zu Kopf gestiegen ist.
 
Aber ist es so einfach? Gab es so etwas schon mal in der Geschichte der Bundesrepublik? Und wenn man der Frage nachgeht, dann ist die Meldung schon nicht mehr ganz so lustig. Denn in der Tat gab es so etwas schon einmal. Der erste Chef des deutschen Geheimdienstes BND, ein Herr Gehlen, hatte solche Pläne in den 1950er Jahren ebenfalls in der Schublade. Und er hatte den USA offen angeboten, dass er – sollte es bei einer Wahl zu einem „ungewollten“ Ergebnis kommen – in Deutschland putschen könnte. Und auch er hatte für diesen Fall eine Todesliste mit Persönlichkeiten inklusive Politikern, die in diesem Fall zu liquidieren waren.
 
Diese Dinge fanden vor dem Hintergrund von Gladio statt, was damals aber geheim und damit der Öffentlichkeit unbekannt war. Gladio war der Name von Geheimarmeen, die die Nato in allen europäischen Ländern aufgebaut hatte. Illegal natürlich und ohne Wissen von Verteidigungsministern und Parlamenten. Der Sinn dieser Armeen war es zunächst, im Falle eine Krieges mit dem Ostblock, als Partisanen Widerstand gegen die Besatzer aus dem Osten zu leisten. Dazu wurden sie ausgebildet und auch bewaffnet.
 
Da aber der Krieg nie kam, hat die Nato bzw. die USA diese Strukturen auch genutzt, um Terroranschläge zu verüben, die man den „Linken“ in die Schuhe schieben wollte, um Stimmung gegen alles „Linke“ zu machen und so gute Wahlergebnisse linker Parteien zu verhindern, die man pauschal verdächtigte, im Falle einer Regierungsübernahme mit dem Ostblock zusammen zu arbeiten. Besonders gut sind die Tätigkeiten von Gladio in Italien dokumentiert. Es gab dort auch Gerichtsverfahren dazu, es ist also alles keine Verschwörungstheorie, sondern ein gut dokumentierter Teil der europäischen Nachkriegsgeschichte, der nie öffentlich aufgearbeitet wurde.
 
Wer diese Thema nicht kennt, dem empfehle ich dieses Video von Daniela Ganser und dieses Video von Dirk Pohlmann zu dem Thema, dort findet man Fakten, Hintergründe und auch die Quellen.
 
Heute kann man im Spiegel über den neuen Fall in der KSK lesen: „Nachdem mehrere Medien über ein rechtsextremes Untergrundnetz aus Bundeswehrsoldaten berichtet haben, beschäftigt sich auch die Justiz mit den Vorwürfen. Der Generalbundesanwalt ist bei seinen Ermittlungen zu der angeblichen „Schattenarmee“ auf eine Liste mit Namen vermeintlicher politischer Gegner gestoßen. Eine Vertreterin der Bundesanwaltschaft sagte im Innenausschuss des Bundestags, auf der Liste befänden sich auch Namen von Politikern. Wie mehrere Teilnehmer der nicht öffentlichen Sitzung weiter berichteten, wollten Mitglieder des Netzwerks diese Menschen „zur Rechenschaft ziehen“. Was darunter genau zu verstehen ist, blieb demnach offen.
 
Wenn man nun die Vorgeschichte von Gladio und den Plänen von Gehlen kennt, dann denkt man zwangsläufig „das habe ich doch schon mal gehört“. Ich weiß natürlich nicht, ob es sich bei dam aktuellen Fall vielleicht nur um ein paar Spinner in dem KSK handelt oder doch um eine Struktur von Gladio. Aber da Gladio weder aufgearbeitet und erst recht nicht aufgelöst wurde, ist der Verdacht nicht von der Hand zu weisen. Den einzigen Versuch, diese Sache in Deutschland parlamentarisch aufzuarbeiten, gab es in der Zeit der Wiedervereinigung. Damals wurde in Italien der ganze Umfang der Geheimarmeen bekannt und die Grünen wollten dazu einen Untersuchungsausschuss um Bundestag, sie sind aber an der Gegenwehr der anderen Parteien gescheitert, die eine solche Untersuchung verhindern wollten. Und auch bis heute verhindert haben.
 
In der Vergangenheit sind immer wieder in deutschen Wäldern geheimnisvolle Waffenverstecke gefunden worden, in denen große Mengen Kriegswaffen und auch Nato-Sprengstoff war. Diese Funde sind nie wirklich aufgeklärt worden, es wurde immer irgendwelchen gestörten Einzeltätern angehängt, woher diese jedoch die Waffen und den Sprengstoff hatten, wurde nie ermittelt. Als Anfang der 1980er ein solcher als Einzeltäter verhafteter Mann ankündigte, umfassend auszusagen, starb er in der Nacht vor dem angesetzten Verhör in seiner Zelle durch Selbstmord.
 
All dies klingt so verrückt, dass man es wirklich als Unsinn und Verschwörungstheorie abtun müsste. Das Problem ist, dass es sich bei dem, was ich hier geschrieben habe, um Tatsachen handelt, die jeder leicht recherchieren kann. Es kam aber eben nie zu umfassender Berichterstattung. Wenn die Ermittlungen ergebnislos beendet wurden, hat die Presse auch nicht weiter nachgefragt. Und in der Öffentlichkeit dachte man eben, dass es irgendwelche Spinner ja leider immer gibt.
 
Vor diesem Hintergrund ist folgender Teil im Artikel des Spiegel geradezu eine Realsatire: „Ausschussmitglied Benjamin Strasser (FDP) erklärte: „Unabhängig von den noch laufenden strafrechtlichen Ermittlungen sind die Regierung und insbesondere die Nachrichtendienste gefordert, weitere Erkenntnisse zu der Tiefe und dem Umfang dieser Netzwerke zu gewinnen.“
 
Nachdem man weiß, dass zumindest in der Vergangenheit die Geheimdienste mit diesen Strukturen auf das Engste verbunden waren und dies wie gesagt nie von offizieller Seite aufgeklärt oder offiziell abgestellt wurde, sind die Geheimdienste kaum die Richtigen, um dieses Thema aufzuklären. Es ist zu erwarten, dass die Ermittlungen im Sande verlaufen oder man wieder einen verwirrten Einzeltäter findet.
 
Und den hat man ja auch schon: „Ein früheres Mitglied der „Prepper“-Chatgruppen war Oberleutnant Franco A., der sich beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als syrischer Flüchtling ausgegeben hatte
 
Warum aber soll dieser Täter, ein ehemaliger KSK-Elitesoldat, versucht haben, sich als syrischer Flüchtling auszugeben? Wozu brauchte er eine syrische Identität, die er ja als registrierter Flüchtling erhalten hätte? Wenn man bedenkt, dass Gladio früher Terroranschläge verübt hat, um sie dem damaligen Feind, den Kommunisten, in die Schuhe zu schieben, wird die Frage brisant, denn der heutige Feind sind Islamisten zum Beispiel aus Syrien. Schließlich gab es in den letzten Jahren immer wieder Terroranschläge, bei denen die Täter ihre Ausweise am Tatort hinterlassen haben. Und die Täter wurden nie gefasst, sie wurden erschossen und eine öffentliche Aufarbeitung vor Gericht fand daher nicht statt.
 
Dies ist natürlich jetzt reine Spekulation. Aber da die Medien und die Ermittlungsbehörden diese Fragen nicht stellen und erst recht keine Antworten geben, muss diese Fragen ja irgendjemand stellen. Über die Antworten darf nun jeder selbst nachdenken, denn gesicherte Erkenntnisse gibt es bisher nicht.
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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