Der mediale Pranger am Beispiel von Xavier Naidoo
Xavier Naidoo bekommt seit Jahren negative Schlagzeilen in Deutschland, nachdem er zuvor einer populärsten deutschen Musiker war. Was ist passiert?
Xavier Naidoo wurde zu einem Aktivisten der Friedensbewegung und sprach auf Demonstrationen und kritisierte Medien, Politik und Finanzsystem. Zu allem Überfluss verarbeitete er seine Kritik auch in seinen Liedern. Da seine Thesen nun einem breiten Publikum bekannt zu werden drohten, traten die Medien einen medialen Shitstorm gegen ihn los mit dem Ergebnis, dass sogar seine schon beschlossene Kandidatur bei dem Songcontest Eurovision 2016 wieder zurückgenommen wurde. So einer sollte nicht für Deutschland vor einem europäischen Publikum auftreten.
Aber was sind denn das eigentlich für Thesen?
Naidoo kritisierte die Banken, die im Zuge der Finanzkrise ab 2008 vom Staat gerettet wurden. Hier wurde mit Geld der Steuerzahler das Risiko der Banken von den Staaten übernommen. Dies kann man in der Tat kritisieren. Naidoo thematisierte dabei auch, dass viele Banken und Finanzinstitutionen jüdische Wurzeln haben und teilweise bis heute in jüdischer Hand sind. Dies ist ebenfalls wahr, jedoch darf man dies in Deutschland anscheinend nicht laut sagen. Ich finde das etwas unverständlich, denn wären es z.B. amerikanische Wurzeln oder christliche, dann wäre es kein Problem.
Natürlich gibt die deutsche Vergangenheit den Deutschen eine besondere Verantwortung mit auf den Weg, aber das kann nicht Vorwand sein, um jede berechtigte Kritik zu unterbinden. Es ist doch ein Unterschied, ob man eine konkrete Entwicklung oder Situation kritisiert oder zu Rassismus aufruft. Kritik muss erlaubt sein, Rassismus und Rassenhass muss verboten sein.
Und genau darum ging es in dem Prozess, über den der Spiegel berichtet hat. Eine Referentin der Amadeu Antonio Stiftung, die namentlich nicht genannt wurde, hatte ihn als Antisemiten bezeichnet und er hatte sich dagegen gewehrt und vom Gericht recht bekommen.
Nun muss man wissen, was die Amadeu Antonio Stiftung eigentlich ist. Diese Stiftung wird zu über der Hälfte durch den Bund finanziert, der Rest sind Spenden. Bekannt wurde sie vor allem, weil sie bei der Umsetzung des umstrittenen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes eine wichtige Rolle spielt. Hierbei geht es vorgeblich darum, „Hate-speach“ aus dem Netz und sozialen Netzwerken zu verbannen. Und die Stiftung ist quasi der Schiedsrichter hierbei, denn bei dem Gesetz gibt es kein Gericht, dass entscheidet, was „Hate-speach“ ist, sondern dafür ist de facto diese Stiftung da.
„Antisemit“ ist in Deutschland in meinen Augen auch „Hate-speach“, denn wenn jemand öffentlich als Antisemit bezeichnet wird, dann kann das schnell zu seiner gesellschaftlichen Ächtung und finanziellen Ruin führen, denn wer will schon etwas mit einem Antisemiten zu tun haben?
Wenn nun also eine Referentin dieser Stiftung jemanden als Antisemiten bezeichnet, dann ist das fragwürdig, wenn sie gleichzeitig als objektive Instanz gegen Hate-speach tätig ist und mit entscheiden kann, was im Internet zulässig ist und was nicht. Und das ist auch die Kritik an der Stiftung: Sie nutzt ihre Macht, um all jene mundtot zu machen und zu diskreditieren, die nicht mit den politischen Zielen der Stiftung einverstanden sind. Übrigens ist die Vorsitzende der Stiftung Anetta Kahane, die in der DDR unter dem Decknamen IM Victoria Mitarbeiterin der Stasi war. Im Klartext bedeutet das, dass für die Überwachung des Internets in Deutschland heute eine Frau zuständig ist, die in ihrem früheren Leben Stasi IM war. Wie Kritiker es ironisch formulieren: „Qualifiziert dafür ist sie ja, denn sie hat langjährige Erfahrung in Überwachung und Diskreditierung Andersdenkender.“
Ein weiterer Skandal um die Amadeu Antonio Stiftung war das sogenannte Bombergate und betrifft ebenfalls eine Referentin der Stiftung, nämlich Julia Schramm. Da die Presse den Namen der Referentin, gegen die Naidoo nun geklagt hat, verschweigt kann man nur vermuten, dass es sich um eben diese Julia Schramm handelt. Für umstrittene Äußerungen hat sie jedenfalls ein Talent. Bei Bombergate ging um einen Tweet von Frau Schramm, die TAZ schrieb dazu: „„Sauerkraut, Kartoffelbrei – Bomber Harris, Feuer frei!“ wobei das Wort „Kartoffelbrei“ sich darauf bezieht, dass die Deutschen („Kartoffeln“) in Dresden zu Brei gebombt wurden.“
Ob angesichts von zehntausenden toten Zivilisten bei der Bombardierung Dresdens eine solche Formulierung angebracht ist, wage ich zu bezweifeln. Man stelle sich einmal vor, ein Deutscher würde einen ähnlichen Reim zu den Opfern des Dritten Reiches in Warschau, Kiew oder Rotterdam veröffentlichen, das wäre nicht nur ein Skandal, es würde eine Anklage wegen Volksverhetzung folgen. Gegen Deutsche darf man so etwas jedoch schreiben. Aber selbst wenn man so etwas in Deutschland schreiben darf, stellt sich die Frage, ob das auch angemessen ist für einen Menschen, der an entscheidender Stelle gegen „Hate-speach“ in Deutschland vorgehen darf?
Eine weitere These von Xavier Naidoo, die er in Liedtexten verarbeitet hat, ist, dass die Berliner Politiker Marionetten seien. Natürlich auch eine Verschwörungstheorie, gegen die man mit aller Macht vorgehen muss. Oder?
Ich weiß natürlich nicht, wie Sie das sehen, aber in einer Demokratie sollten die Politiker doch eigentlich die Interessen derer vertreten, die sie gewählt haben. Sprich die Interessen des Volkes oder wie man heute sagt, der Bevölkerung.
Aber tun die Polititker das auch? Noch einmal die Finanzkrise: Wenn ein Unternehmen bankrott ist, haben die Aktionäre ihr Geld komplett verloren und das Unternehmen muss schließen. Das Schließen einer Bank ist jedoch problematisch, da dies den Zahlungsverkehr und vor allem auch die Guthaben der Sparer gefährdet, daher ist es durchaus vernünftig, eine Bank zu retten – die Frage ist nur wie. Und genau darum ging es damals.
Das Wirtschaftsministerium ließ sich das entsprechende Gesetz komplett von der externen Anwaltskanzlei Linklaters schreiben. Und genau diese Anwaltskanzlei hatte nicht nur die großen Banken als Kunden, sondern war auch in Lobbyorganisationen der Banken federführend tätig, um die Regierung dazu zu bringen, Banken-freundliche Gesetze zu beschließen. Logisch, dass diese Kanzlei für das Wirtschaftsministerium kein Gesetz schreibt, das ihren wichtigsten Kunden weh tun könnte. Und so kam es auch: Der Staat musste Banken mit Steuergeld retten, aber die Aktionäre waren nicht im Risiko, wurden nicht enteignet, notfalls musste der Staat ihnen die Anteile an einen bankrotten und damit zu diesem Zeitpunkt praktisch wertlosen Unternehmen abkaufen.
Ein guter Deal für die Aktionäre: Solange die Bank mit hohen Gewinnen zockt, verdient der Aktionär vorzüglich an steigenden Kursen und Dividenden. Sobald die Bank sich verzockt, rettet entweder der Staat die Bank und übernimmt damit das Risiko der Aktionäre oder er kauft den Aktionären ihre Aktien über Wert ab. Jedenfalls keinerlei Risiko bei den Aktionären, alle Risiken beim Steuerzahler, Linklaters sei dank.
Das bedeutet, dass die Politiker hier nicht die Interessen der Wähler sondern der Banken vertreten haben. Hat Naidoo nicht vielleicht doch Recht, wenn er hier von politischen „Marionetten“ und „Puppenspielern“ spricht? Man kann das zumindest diskutieren, völlig von der Hand weisen kann man es jedoch kaum.
Anstatt sich mit dem Hintergrund und den Gründen für Naidoos Thesen zu beschäftigen, steht im Artikel zu seinen Thesen folgendes:
„Konkret hatte die Amadeu-Antonio-Stiftung die Aussage der Mitarbeiterin vor Gericht insbesondere auf Passagen in Texten Naidoos gestützt. Bereits 2009 hatte der Musiker in dem Song „Raus aus dem Reichstag“ schwadroniert: „Ihr wart sehr, sehr böse, steht bepisst in euren Socken, Baron Totschild gibt den Ton an, und er scheißt auf euch Gockel. Der Schmock ist’n Fuchs und ihr seid nur Trottel.“ In der Folge wurde Kritik laut, Naidoo bediene so das Klischee vom mächtigen jüdischen Banker – tatsächlich ist die jüdische Familie Rothschild ein beliebtes Feindbild in antisemitischen Kreisen, etwa innerhalb der AfD. „Schmock“ ist ein jüdisches Schimpfwort.“
Zunächst muss man festhalten, dass dieser Artikel des Spiegel nicht etwa ein Kommentar, sondern „Berichterstattung“ ist, das bedeutet, dass er berichten soll und nicht etwa eine Meinung vertreten. Aber schon das Wort „schwadroniert“ zeigt, dass es hier nicht darum geht, über etwas zu berichten, sondern darum, dem Leser durch wertende Formulierungen eine Meinung zu vermitteln. Außerdem ist es dem Spiegel gelungen, in den Text auch gleich noch die AfD unterzubringen und sie als antisemitisch zu bezeichnen. Alle Feindbilder bedient, Mission erfüllt. In der Journalistenschule würde es dafür eine 5 geben.
Der Spiegel schreibt im nächsten Absatz weiter: „Scharfe Kritik erntete Naidoo auch für das Lied Marionetten, in dem es über Politiker unter anderem heißt:“Wie lange noch wollt ihr Marionetten sein.“ Und weiter: „Merkt ihr nicht, ihr steht bald ganz allein. Für eure Puppenspieler seid ihr nur Sachverwalter.“ Klar ist: Immer wieder benutzen Nazis und Verschwörungstheoretiker das Bild des jüdischen „Puppenspielers“, der bei den politischen und ökonomischen Eliten im Hintergrund die Fäden zieht“
Auch hier fragt der Spiegel nicht, ob Naidoo vielleicht gute Gründe für seine Thesen haben könnte, sondern zieht sofort die Nazi-Keule heraus. Es werden zwei Lieder in einen Topf geworfen, zwischen deren Veröffentlichung viele Jahre liegen, die Liedtexte werden aus dem Zusammenhang gerissen und so zusammengesetzt, dass man daraus den „jüdischen „Puppenspieler““ herleiten kann, obwohl Naidoo das nie so gesagt oder gesungen hat.
Anstatt sich mit den Gründen für die Kritik vieler Menschen in Deutschland auseinanderzusetzen, für die Naidoo ja nur symbolisch steht, wird von „antisemitischen Klischees und Codes“ geschrieben und seine Erklärungen als „unglaubwürdig“ bezeichnet. Aber es zeigt, wie weit die Diskussion in Deutschland schon gekommen ist, wenn jemand wie Naidoo, der selbst Dank seiner dunklen Hautfarbe früher diskriminiert wurde, nun in die Nähe von Rassisten gerückt wird, obwohl er sich ständig selbst öffentlich gegen Rassismus einsetzt.
Übrigens äußerte sich die Amadeu-Antonio-Stiftung folgendermaßen zu dem Urteil: „Die Entscheidung des Gerichts ist enttäuschend und greift in die Meinungsfreiheit ein“
Das zeigt das bedenkliche Verständnis der Stiftung zur Meinungsfreiheit: Jemanden als Antisemiten zu bezeichnen, ist demnach Meinungsfreiheit, in Liedern die bestehenden politischen Verhältnisse zu kritisieren, ist aber keine Meinungsfreiheit sondern darf diskreditiert werden. Die Stiftung kippt damit Wasser auf die Mühlen ihrer Kritiker, die eben bemängeln, dass die Stiftung nur das als Meinungsfreiheit zulässt, was ihren politischen Zielen entspricht, aber jede andere Meinung bekämpft.
Es ist bedenklich, wenn jemand, der Kritik am System in Deutschland übt, medial zur Persona Non Grata erklärt wird, anstatt sich mit seinen Thesen auseinanderzusetzen. Wenn Naidoo Unrecht hat, kann man seine Thesen ja widerlegen. Aber diese Thesen und die Hintergründe gar nicht zu erläutern und stattdessen von einem „Antisemiten“ zu sprechen, obwohl er sich gegen Rassismus engagiert, ist ganz sicher nicht sachlich.
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