Der Amerikanische Exzeptionalismus – was die USA von anderen fordern, gilt für sie noch lange nicht

Der Gipfel von Helsinki wird die Medien wohl noch länger beschäftigen und wie man an diesem Artikel sieht, ist derjenige klar im Vorteil, der die Pressekonferenz von Trump und Putin komplett gesehen hat, denn wie ich schon unmittelbar danach aufgezeigt habe, werden dazu von den Medien reichlich Unwahrheiten verbreitet. Wollen wir uns zunächst anschauen, was der Spiegel diesmal schreibt und danach, was tatsächlich passiert ist.
Es geht um die Frage, ob US-Ermittler die russischen Staatsbürger befragen dürfen, die in den USA wegen der angeblichen Wahlbeeinflussung der US-Präsidentschaftswahlen angeklagt wurden. Allerdings beginnt der Artikel mit der gegenteiligen Frage: „Darf Moskau US-Bürger befragen, die in Russland illegaler Tätigkeiten verdächtigt werden? Putin hatte das auf dem Helsinki-Gipfel vorgeschlagen, Trump schien nicht abgeneigt. Das Weiße Haus hat das nun zurückgewiesen.
Wieder einmal verdreht der Spiegel Ursache und Wirkung und lässt beim Leser ein falsches Bild entstehen. Hier wird schon suggeriert, dass Putin einfach so vorgeschlagen habe, dass „Moskau“ US-Bürger befragen darf und Trump dem einseitig zugestimmt hätte. Aber erstens werden hierbei wie gesagt Ursache und Wirkung vertauscht, denn es ging ja um das Gegenteil, nämlich um die Frage, ob der US-Sonderermittler Mueller die von ihm beschuldigten Russen befragen darf. Danach fragte ein Journalist in Helsinki. Und außerdem wird der Eindruck erzeugt, dass Trump diese Idee gut fand, obwohl Trump dies gar nicht gesagt hat. Etwas als „interessant“ zu bezeichnen, ist keine Zustimmung. Mehr noch: Unter Diplomaten ist das eine Formulierung, die Ablehnung bedeuten kann nach dem Motto „es ist interessant und man kann darüber reden“, aber das ist eben keine Zustimmung. Der Spiegel wertet das Wort „interessant“ jedoch aus unerfindlichen Gründen als Zustimmung.
In Washington sorgte allein die Möglichkeit für Empörung, dass ein russischer Staatsanwalt einen Anerikaner befragen könnte. Um dies zu verstehen, muss man sich in Erinnerung rufen, dass in Washington die Doktrin des Amerikanischen Exzeptionalismus vorherrscht. Demnach sind die USA ein einzigartiges Land, das allen anderen überlegen ist, gerade und vor allem auch moralisch Das geht soweit, dass der kanadische Publizist und einflussreiche Politiker Michael Ignatieff schreib, dass die USA wegen ihrer Einzigartigkeit an völkerrechtliche Vereinbarungen grundsätzlich nur insoweit gebunden seien, wie ihnen dies nützt. Und der ehemalige Vizepräsident Cheney schrieb in seinem Buch „Exceptional: Why the World Needs a Powerful America“,dass Amerika „die machtvollste, gute und ehrenwerte Nation in der Geschichte der Menschheit, die Ausnahme-Nation“ sei.
Bei diesem Selbstverständnis der USA ist es kaum verwunderlich, dass es für Empörung sorgt, wenn irgendein dahergelaufener ausländischer Staatsanwalt amerikanische Amtsträger oder Geheimdienstler befragen will. Und umso mehr, wenn es sich um einen russischen Staatsanwalt handelt.
Der Spiegel schreibt dann im Artikel „Putin hatte während der Pressekonferenz nach dem Gipfeltreffen von Helsinki Anfang der Woche der Vernehmung von zwölf russischen Geheimdienstagenten zugestimmt – allerdings nur, wenn das auf „Gegenseitigkeit“ erfolge. Gegen die Agenten wird in den USA wegen Einmischung in die US-Präsidentschaftswahl 2016 ermittelt wird. Moskau will im Gegenzug mehrere US-Vertreter vernehmen, die „illegaler Tätigkeiten“ in Russland verdächtigt werden.
Die „illegalen Tätigkeiten“ in Russland, die einigen US-Bürgern vorgeworfen werden, werden vom Spiegel in Anführungsstriche gesetzt, gerade so, als sei dies eine reine Unterstellung Putins. Und worum es dabei geht, wird vom Spiegel gleich gar nicht ausgeführt, so dass der Leser den Eindruck bekommen muss, dass dies völlig absurd sein muss. Hierauf werde ich gleich noch näher eingehen.
Der Spigel schreibt weiter „Trump hatte den Vorschlag auf der gemeinsamen Pressekonferenz als „interessante Idee“ und „unglaublichen Vorschlag“ bezeichnet“. Das stimmt, aber Trump hatte dieser Idee eben keineswegs zugestimmt, wie es in diesem Artikel und der Überschrift suggeriert wird.
Und einer der potenziell Betroffenen äußerte sich dem Spiegel zufolge so: „Insbesondere der ehemalige US-Botschafter in Moskau, Michael McFaul, den die russische Justiz zusammen mit zehn weiteren US-Vertretern vernehmen will, hat empört darauf reagiert, dass das Weiße Haus ihn nicht verteidigen würde
Hier wird es nun besonders absurd, denn davon, dass das Weiße Haus ihn oder andere US-Bürger „nicht verteidigen würde“, war nie die Rede. Es suggeriert aber, dass Trump so verdiente Personen wie den ehemaligen US-Botschafter in Moskau schutzlos an Russland ausliefern würde.
Soweit zu dem, was der Spiegel aber auch andere Medien aus dieser Sache gemacht haben. Bleibt die Frage, was denn tatsächlich passiert ist.
Auf der Pressekonferenz in Helsinki wurde die Frage gestellt, ob Russland dem US-Sonderermittler Mueller die Möglichkeit geben werde, die 12 Russen, die von ihm wegen der angeblichen Einmischung in die US-Präsidentschaftswahl angeklagt wurden, auch zu vernehmen.
Dazu führte Putin sehr ausführlich aus, dass es ein bestehendes Abkommen zwischen den USA und Russland gäbe, das Amtshilfe in solchen Fällen vorsieht. Und er erklärte auch, wie dies funktioniert: Der Staatsanwalt oder auch der Sonderermittler können sich mit einem Ersuchen an die russische Staatsanwaltschaft wenden und eine Liste mit Fragen schicken. Der russische Staatsanwalt wird dann die Verdächtigen vernehmen und den Amerikanern die Antworten auf ihre Fragen übermitteln. Nur gäbe es bisher keine offizielle Anfrage von Mueller und Putin forderte ihn auf, diese Anfrage zu schicken, anstatt nur medienwirksame Erklärungen abzugeben.
 
Dann sagte Putin, er könne sich auch vorstellen, noch weiter zu gehen. Die amerikanischen Ermittler könnten auch nach Russland reisen und die Verdächtigen selbst befragen. Allerdings nur unter der Bedingung, dass dies für beide Seiten gelte, denn in Russland gäbe es Ermittlungen gegen den US-Fondmanager William Browder, dem vorgeworfen wird, illegal über eine Milliarde Dollar mit Hilfe von US-Geheimdienstmitarbeitern ins Ausland verbracht zu haben und außerdem auch die Steuern auf die Gewinne hinterzogen zu haben. Diese Leute würde die russische Staatsanwaltschaft dann auch gerne in den USA befragen.
Dies ist scheint mir ein vernünftiger Vorschlag zu sein. Es ist ja dabei völlig klar, dass Russland seine Staatsbürger nicht an die USA ausliefern wird, und erst recht ist klar, dass die USA keine Staatsbürger an Russland ausliefern werden. Aber warum sollen Staatsanwälte die Leute nicht befragen dürfen?
Wenn man nun diesen Hintergrund kennt, dann wird klar, wie absurd die Behauptungen im Spiegel sind. Der Spiegel hat die Vorwürfe gegen Browder einfach gar nicht erwähnt, obwohl es sich um eine Fall handelt, der seit 2005 immer wieder mal Schlagzeilen macht, sondern nur von „illegalen Tätigkeiten“ gesprochen und dies in Anführungszeichen gesetzt, gerade so, als sei es völlig absurd, dass so etwas überhaupt auch nur angenommen werden könne. Das ist keine objektive und erst rechte keine vollständige Berichterstattung, vielmehr suggeriert es, dass Putin völlig zu Unrecht Amerikanern „illegale Tätigkeiten“ vorwirft.
Und völlig absurd wird es, wenn der Spiegel die Behauptung des ehemaligen US-Botschafters in Moskau, das Weiße Haus wolle ihn „nicht verteidigen“ unkommentiert stehen lässt. Man kann ja über seine Aussage berichten, aber dann würde es zur Informationspflicht eines Journalisten gehören, diese Aussage einzuordnen: Es geht nur um eine mögliche Befragung in den USA, aber nicht darum, ihn oder andere etwa in Russland zu verhören oder gar nach Russland auszuliefern.
Diese einseitige Berichterstattung, die nur die Kritiker zu Wort kommen lässt und noch nicht einmal die tatsächlichen Fakten nennt, um die es geht, ist peinlich und gibt denen recht, die von „Lückenpresse“ sprechen, denn dieser Artikel hat reichlich Lücken was die Hintergrundinformationen angeht.
Und dann schreibt der Spiegel auch noch „Laut Sanders hofften die USA nun, dass Putin die zwölf angeklagten Russen in die USA kommen lassen werde, damit sie ihre Unschuld beweisen oder sich schuldig bekennen könnten.
Dies ist die schon erwähnte Doktrin des Amerikanischer Exzeptionalismus: In den USA erwartet man, dass andere Länder ihre Bürger an die USA ausliefern, damit sie dort vor Gericht gestellt werden können. Aber wenn ein ausländischer Staatsanwalt Amerikaner auch nur befragen will, dann wird empört auf eine solche Anmaßung reagiert. Das muss man natürlich in einem solchen Artikel erwähnen, aber man darf es nicht unkommentiert stehen lassen. Man muss dann auch die Frage stellen, warum ein Land seine Leute ausliefern soll, während die USA nicht einmal eine Befragung ihrer Leute zulassen.
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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