Wie Russland die Lage in Lateinamerika beurteilt

Bei ihrer wöchentlichen Pressekonferenz hat die Sprecherin des russischen Außenministeriums wieder über die Lage in Lateinamerika gesprochen. Ich lasse den ausführlichen Teil zu Venezuela heute weg, da ich darüber in den letzten Wochen ausführlich berichtet habe und sie dazu nichts entscheidend Neues gesagt hat, sondern den russischen Standpunkt „nur“ in deutlichen Worten wiederholt hat. Heute geht es um die Lage in anderen Ländern der Region.

Nachdem ich bereits vor einigen Wochen über ein Interview berichtet habe, in dem der US-Außenminister Pompeo Kuba und Nicaragua mit deutlichen Worten eine US-Einmischung angedroht hat, will ich heute über die offizielle Sicht Russlands dazu berichten, denn es ist nicht bei den Drohungen geblieben, die USA lassen bereits Taten folgen, auch wenn die deutschen Medien darüber bisher nicht berichten. Ich habe die Erklärung des russischen Außenministeriums übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Wir stellen mit Sorge fest, dass die Vereinigten Staaten beschlossen haben, „an allen Fronten“ zu handeln. Nicht nur, dass sie den Würgegriff in Venezuela verstärken, sondern dass sie nun auch für Kuba das Gleiche planen. Vor zwei Jahren begann eine angebliche Freundschaft, sie brachten ein paar Flugzeuge mit Geschäftsleuten nach Havanna, malten den Kubanern die Aussicht auf Freundschaft mit den Vereinigten Staaten in allen Farben des Regenbogens aus, versprachen alles mögliche, erlaubten Europa, wieder Geschäfte mit Kuba zu machen, sie schüttelte Hände und machten schöne Fotos. Aber wie immer ist irgendwas schiefgelaufen. Nun verstärkt Washington den Druck auf die engsten Verbündeten von Caracas, indem es Havanna als „die letzte Diktatur in der Region“ bezeichnet und es beschuldigt, die Demokratie in Venezuela zu untergraben.

Ein weiteres verabscheuungswürdiges Beispiel für die Stärkung des antikubanischen Embargos fand vor einigen Tagen statt. Das US-Außenministerium hat am 19. Februar eine Entscheidung verkündet, die es amerikanischen Bürgern erlaubt, Klagen gegen etwa 200 kubanische staatliche und private Unternehmen einzureichen, die auf der Washingtoner Sanktionsliste stehen. Dieser Schritt wird mit der teilweisen Aufhebung des Moratoriums für den dritten Abschnitt des Helms-Burton-Gesetzes begründet, das die Anwendung extraterritorialer Zwangsmaßnahmen gegen ausländische private und juristische Personen vorsieht, die von Kuba vor knapp 60 Jahren verstaatlichtes Eigentum besitzen.

Das Helms-Burton-Gesetz wurde 1996 auf dem Höhepunkt einer weiteren antikubanischen Kampagne auf Initiative der amerikanischen Kongressabgeordneten, die dem Gesetzentwurf den Namen gaben und für ihre radikal konservativen Ansichten bekannt waren, verabschiedet. Gleichzeitig hielt es die US-Regierung mehr als 20 Jahre lang nicht für notwendig, den dritten Abschnitt dieses Gesetzes in Kraft zu setzen, da mit äußerst negativen Reaktionen der Wirtschaft in Europa, Lateinamerika und anderen Regionen der Welt gerechnet wurde.

Nun hat sich, wie es aussieht, die Einstellung Washingtons dramatisch verändert. Wir sehen einen weiteren unrechtmäßigen Versuch der Vereinigten Staaten, Kuba wirtschaftlich zu „blockieren“ und zusätzliche Hindernisse für die sozioökonomische Entwicklung der Republik im Zusammenhang mit den dortigen Veränderungen zu schaffen.

Ich bin amüsiert, wenn ich analytische Rezensionen darüber höre und lese, wie sich die Wirtschaft Kubas oder Venezuelas entwickelt und welche Probleme sie dort haben. Ich habe eine Frage: Wie würde sich die US-Wirtschaft entwickeln, wenn sie auch nur von 10% der Sanktionen, Beschränkungen und Embargos betroffen wäre, die gegen diese Länder verhängt wurden? Von der Wirtschaft wäre gar nichts mehr übrig. Man muss verstehen, unter welchen Bedingungen die Völker dieser Länder leben und versuchen zu überleben.

Wir haben hier ein weiteres Beispiel für Messen mit zweierlei Maß. Schließlich hören wir immer wieder Äußerungen aus Washington über die Notwendigkeit von Reformen auf Kuba. Warum hindern sie die Kubaner daran, diese in Angriff zu nehmen? Sollen sie doch selbst entscheiden, welche Reformen sie wollen und diese dann umsetzen.

Die überwältigende Mehrheit der internationalen Gemeinschaft, darunter auch wir, hat wiederholt ihre Solidarität gegen die amerikanische Blockade Kubas bekundet, die ein Relikt des Kalten Krieges und ein Beleg für das Wiederaufleben imperialer Ambitionen in Washington ist. Dies ist Teil einer Kampagne in Lateinamerika, um unerwünschte Regierungen durch äußere Einmischung in innere Angelegenheiten zu ersetzen, die vom Geiste der Monroe-Doktrin diktiert werden, deren Anwendung und sogar der Verweis auf sie ist in der heutigen Welt einfach undenkbar.

Wir haben auch die Lage in Nicaragua genau beobachtet.

Wir begrüßen die Wiederaufnahme des gesamtnationalen Dialogs am 27. Februar, der im Rahmen des von den Parteien entwickelten Verhandlungsplans eine nachhaltige Lösung der bestehenden Probleme finden soll. Wir loben die konstruktiven Bemühungen der sandinistischen Regierung, wirksame Wege zur Stabilisierung der innenpolitischen Lage im Land zu finden. Ein praktischer Schritt in diese Richtung war die kürzliche Freilassung von mehr als 100 Gefangenen, die zuvor wegen ihrer Beteiligung an Ausschreitungen und bewaffneten Auseinandersetzungen inhaftiert waren.

Wir sind der festen Überzeugung, dass die internen Widersprüche von den Nicaraguanern selbst durch Verhandlungen, ohne Einmischung von außen, gelöst werden müssen. Wir fordern die verantwortlichen Mitglieder der internationalen Gemeinschaft auf, die Verständigung zwischen den verschiedenen politischen Kräften in Nicaragua zu fördern, auf Bedrohungen der nicaraguanischen Staatlichkeit und Souveränität und auf „pseudodemokratische“ Rhetorik zu verzichten.

Ende der Übersetzung

Wenn Sie sich für die russische Sicht auf die Weltpolitik interessieren, empfehle ich Ihnen einen Blick in die Beschreibung meines Buches. Dort lasse ich Präsident Putin ungefiltert in ausführlichen Zitaten zu Wort kommen. Vor allem zum im Völkerrecht festgelegten Verbot, sich in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen, wird er immer wieder sehr deutlich und kritisiert die US-Politik in deutlichen Worten und mit fundierten Argumenten, die es jedoch nie in die deutschen Medien schaffen.

https://anti-spiegel.com/2019/was-sagt-putin-selbst-zu-den-fragen-der-interbationalen-politk-hier-kommt-er-zu-wort/
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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