Farbrevolution

Ein neuer Anlauf der Opposition in Georgien

Die versuchte Farbrevolution in Georgien ist ins Stocken geraten. Am Wochenende will die Opposition einen neuen Anlauf machen und ruft wieder zu Protesten auf. Was in den letzten zwei Wochen in Georgien passiert ist.

Am 26. Oktober fanden in Georgien Parlamentswahlen statt, bei denen die Regierungspartei „Georgischer Traum“ erwartungsgemäß klar gewonnen und die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament geholt hat. Auch die vom Westen finanzierte Opposition bestreitet nicht, dass die Regierungspartei stärkste Partei geworden ist, die Opposition bestreitet aber, dass sie absolute Mehrheit erreicht hat. Obwohl die OSZE und andere anerkannte internationale Wahlbeobachter die Wahl nicht ernsthaft kritisieren, sprechen die Opposition und die pro westliche georgische Präsidentin, die französische Staatsbürgerin Salome Surabischwili, von Wahlfälschung und erkennen das Wahlergebnis nicht an.

Seit dem gab es zwei Anläufe der versuchten Farbrevolution. Unmittelbar nach den Wahlen riefen die Oppositionsparteien zur Protesten auf, denen aber nur einige tausend Menschen folgten. Dann übernahmen vom Westen finanzierte NGOs das Ruder, die ab 9. November zu Protesten aufriefen, wobei die von der deutschen Botschaft in Tiflis und von einigen europäischen Politikern, die extra nach Tiflis gereist waren, um die Demonstranten anzufeuern, unterstützt wurden. Aber auch diese Proteste verloren schnell an Schwung und es wurde wieder ruhig in Tiflis.

Hier werde ich aufzeigen, was in den letzten zwei Wochen seit dem passiert ist.

Der dritte Akt ab 18. November

Am 18. November begann eine neue organisatorische Runde. Die pro-westliche Präsidentin forderte erneut Neuwahlen, die Opposition rief erneut zu Protesten auf und die EU kündigte an, eine „politische Mission“ nach Georgien zu schicken, um die Lage einzuschätzen.

In der Nacht vom 18. auf den 19. November versuchte die Opposition zum ersten Mal, ein Zeltlager in Tiflis zu errichten, um – ganz nach Lehrbuch des Maidan-Putsches – ein dauerhaftes Protestcamp im Zentrum der georgischen Hauptstadt zu etablieren. Die Polizei löste das Lager jedoch noch in der Nacht auf, was friedlich und ohne Gewalt ablief, auch wenn die Opposition in sozialen Netzwerken Fotos von unglücklich dreinblickenden Mädchen posteten, die von der Polizei abgedrängt wurden und, dabei von Polizeigewalt sprach.

Am 19. November wandten sich die pro-westliche Präsidentin und die Opposition an das Verfassungsgericht und forderten, das Ergebnis der Parlamentswahl vom 26. Oktober annullieren zu lassen. Sie behauptete, es habe Wahlfälschung „nach der russischen Methode“ gegeben, worüber auch der Spiegel berichtete. Der Spiegel nahm in seinem Artikel die Behauptungen der Opposition auf, die Demonstranten seien von der Polizei geschlagen worden, als die Polizei das geplante Protestcamp auflöste.

An dem Tag gab es auch Berichte, die Opposition bereite Provokationen vor, wie beispielsweise Polizeiketten zu durchbrechen und öffentliche Gebäude zu besetzen. Dabei solle die Polizei provoziert werden, damit endlich die gewollten Bilder von angeblicher Polizeigewalt zustande kommen, die die westlichen Medien so dringend brauchen. Dass zu diesem Zweck georgische Nationalisten, die in der Ukraine in der sogenannten „georgischen Legion“ gegen Russland kämpfen, nach Georgien gereist sein sollen, wurde in den Wochen zuvor immer wieder gemeldet.

Am 19. November wurde der erste derartige Fall gemeldet. Ein Demonstrant hat an dem Tag einen Polizisten mit einem Knüppel angegriffen und geschlagen, allerdings führte das zu keiner Eskalation. Der Täter wurde am 21. November festgenommen und sitzt in Untersuchungshaft.

Das Wochenende vor der konstituierenden Sitzung

Am 25. November soll das neu gewählte Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen kommen. Die Opposition hatte von Beginn an gesagt, dass das der entscheidende Tag sei, bis zu dem die „Revolution“ erfolgreich sein solle, weshalb ab dem 18. November, eine Woche vor der konstituierenden Sitzung des Parlaments, die Schlagzahl wieder erhöht wurde.

Da die Proteste so offen vom Westen angefeuert und hinter den Kulissen auch vom Westen finanziert und gelenkt werden, hat die georgische Regierung am 22. November erklärt, zur konstituierenden Sitzung des Parlaments würden entgegen der Tradition keine ausländischen Vertreter eingeladen. Der Parlamentssprecher erklärte dazu vor Journalisten:

„Die Mitglieder der Regierung sowie die Vertreter der Verfassungsorgane wurden zur ersten Sitzung des Parlaments eingeladen. Die Botschafter sind nicht zur ersten Sitzung eingeladen. Die Wahlen und die erste Sitzung des Parlaments sind unsere innere Angelegenheit. Um ausländischen Einfluss zu minimieren, ist es wichtig, dass die Teilnahme ausländischer Botschafter an diesem Prozess nicht nötig ist.“

Die pro-westliche georgische Präsidentin Salome Surabischwili demonstrierte am 22. November ihr Demokratieverständnis, als sie erklärte, sie sei unzufrieden mit den Aktionen der Opposition bei den Protesten gegen die Ergebnisse der Parlamentswahlen. Sie sagte:

„Niemand ist mit der Opposition zufrieden, weder ich noch die Bevölkerung, denn die Opposition war auf etwas anderes vorbereitet. Wir kannten den Aktionsplan gemäß der Charta, welche Gesetze verabschiedet werden sollten, wie wir zu den nächsten Wahlen kommen sollten.“

Die „Charta“ war ein Reformplan der Opposition für ihren Wahlsieg. Aber die Präsidentin meinte dabei nicht einen politischen Prozess, denn sie kritisierte, dass die Opposition sich nur auf die Wahlen vorbereitet habe, aber angeblich nicht auf Straßenproteste nach der Wahl. Die Proteste sollten „besser koordiniert werden, das ist die Forderung des Volkes“, fügte sie hinzu und machte damit unfreiwillig deutlich, dass auch ihr Ziel, und sie ist immerhin die Präsidentin des Landes, ein Putsch gegen die Regierung ist.

Für das Wochenende hat die Opposition zu neuen Protesten aufgerufen, die am Samstag aber sehr schlecht besucht waren. An einem geplanten Protestmarsch in einem ärmeren Teil von Tiflis haben nur ca. 20 Demonstranten teilgenommen, die von der dort wohnenden Bevölkerung negativ aufgenommen und denen viele Mittelfinger gezeigt wurden.

Eine geplante größere Kundgebung im Zentrum läuft ebenfalls sehr schleppend an, wie dieses Foto zeigt, das ca. eine Stunde nach Beginn der Veranstaltung aufgenommen wurde. Man hat fast das Gefühl, dass dort mehr Journalisten als Demonstranten sind. Das Titelbildes dieses Artikels wurde dort übrigens zur gleichen Zeit aufgenommen.

Etwas später wurden es jedoch mehr Demonstranten und nach Meldungen eines TASS-Korrespondenten haben sie die Straße auf einem Platz im Zentrum der Hauptstadt blockiert. Auf seinen Bildern sind bereits weit mehr Demonstranten zu sehen.

Die Rolle der Ukraine

Im Wahlkampf haben Regierung und Opposition Russland und die Ukraine sehr stark thematisiert. Die Regierung ist nicht pro-russisch, aber sie hat sich trotz des unglaublichen Drucks aus dem Westen nicht an der anti-russischen Politik und den Sanktionen beteiligt. Russland ist einer der wichtigsten Handelspartner Georgiens, dessen Wirtschaft sehr von Landwirtschaft und Tourismus lebt. Und Russland ist traditionell einer der größten Abnehmer georgischer Lebensmittel und Weine und russische Touristen besuchen das kleine Land jedes Jahr zu Hunderttausenden.

Daher hat die Regierung für einen pro-georgischen Kurs plädiert, der die Interessen Georgiens an erste Stelle stellt, anstatt das Land auf Druck des Westens für die Ukraine zu ruinieren, oder gar, wie von den USA gewünscht, eine zweite Front gegen Russland zu eröffnen.

Die Opposition hingegen hat mit den üblichen Parolen von „Freiheit und Demokratie“ einen pro-westlichen Kurs, Unterstützung der Ukraine und Teilnahme an den Russland-Sanktionen gefordert.

In Georgien berichten die Medien umfassender als im Westen, weshalb man in Georgien versteht, wie gefährlich die Entscheidung der US-Regierung war, Ziele in Russland mit US-Raketen zu beschießen. Nicht, weil die Georgier pro-russisch wären (ob sie das sind, dazu kommen wir noch) sondern einfach weil das brandgefährlich ist. Und auch Putins Reaktion darauf wurde in Georgien genau registriert.

Das mag ein Grund dafür sein, dass die Kundgebungen der Opposition nun wieder sehr schlecht besucht sind, denn die Georgier wollen in den Konflikt nicht eingezogen werden, weshalb das Spiel mit dem Feuer, das die Biden-Regierung spielt, in Georgien wohl eher Sorgen als pro-westliche Begeisterung hervorruft.

Georgien und Russland

Wie schwierig und auch irrational das Verhältnis der Georgier zu Russland ist, zeigt ein einfaches Beispiel. Die Georgier sind, wie alle kaukasischen Völker, ein kleines, aber sehr stolzes Volk, dem seine Unabhängigkeit wichtig ist. Zur Sowjetunion haben die Georgier mehrheitlich ein negatives Verhältnis, was vor allem daran liegt, dass die landwirtschaftlich orientierten Georgier in der Sowjetunion enteignet und ihre Familienbetriebe zu staatlichen Betrieben zusammengefasst wurden.

Andererseits sind viele Georgier aber stolz Stalin, denn der war Georgier und er war sicherlich der wichtigste Georgier in der Weltgeschichte. Dass Stalin gleichzeitig einer der Führer der Kommunistischen Partei und damit mitverantwortlich für die in Georgien ungeliebte Kollektivierung in der Sowjetunion war, blenden die meisten der Georgier, die stolz auf Stalin sind, aus. Diesen Stolz auf Stalin habe ich oft erlebt, wenn ich privat mit Georgiern zu tun hatte. Viele haben große Portraits von Stalin in ihren Wohnungen.

Das Beispiel zeigt anschaulich, schwierig und auch irrational das Verhältnis der Georgier zu Russland ist.

Und das gilt auch heute. Einerseits sind Russen in Georgien willkommen und alle Russen, die dort Urlaub machen, sind begeistert von der georgischen Gastfreundschaft und den Menschen, andererseits gibt es in Georgien auch anti-russische und nationalistische Tendenzen, die vor allem durch den von Georgien ausgelösten Kaukasuskrieg von 2008 befeuert werden, denn auch in Georgien wird der Krieg oft als angebliche russische Aggression bezeichnet, obwohl sogar die EU das Gegenteil festgestellt und den Krieg als georgische Aggression eingestuft hat.

Würde der US-geführte Westen nicht versuchen, Georgien gegen Russland zu treiben, könnten die beiden Länder sehr gute Beziehungen aufbauen. Die Folgen des Krieges von 2008 könnte man recht leicht überwinden und wirtschaftlich profitiert Georgien von Russland und Russland wäre es sehr recht, wenn die georgische Regierung sich einfach auf die georgischen Interessen konzentrieren würde, anstatt dem Westen zu dienen, denn die georgischen Interessen decken sich weitgehend mit den russischen.

Diese gemeinsamen Interessen sind Stabilität im Kaukasus und wirtschaftliche Zusammenarbeit, wobei Russland Georgien schon heute weit entgegen kommt, obwohl die Länder seit dem Krieg von 2008 nicht einmal diplomatische Beziehungen haben. So sind georgische Weine in Russland beispielsweise als einzige Ausnahme vom 20-prozentigen Importzoll auf Weine freigestellt, was den georgischen Produzenten natürlich sehr hilft.

Hinzu kommt, dass beide Völker dem orthodoxen Glauben angehören und die gleichen traditionellen Werte teilen, wobei die Georgier sogar noch weitaus konservativer sind als die Russen.

Wenn der US-geführte Westen mit seinem Weltmachtanspruch nicht wäre, würden die beiden Länder in Frieden leben.


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

7 Antworten

    1. Oder der Westen schickt tausende von „Touristen“, die dann „protestieren“. Leider kann man nicht ohne weiters nur durch Hinsehen erkennen, ob jemand Georgier, Deutscher, Franzose, Engländer oder Amerikaner ist.

      1. Du hast bei deiner Aufzählung Ukrainische Neonazis vergessen.
        Es werden dort vom Westen insbesondere solche benötigt, die hartgesotten genug sind mit der Polizei ein Gemetzel zu veranstalten damit der Westen das als Staatsterror eines autokratischen Systems versus Freiheitskampf verkaufen könnte.
        Gott sei Dank ist abzusehen das diese Masche nicht mehr funktioniert.
        Der westliche Terror hat Ende Geländer auf der ganzen Linie.

  1. Ich denke so wie für die westlichen Kriegstreiber und Russland – Vernichter der Ukraine-Wahnsinn verloren ist und so wie sie seit wenigstens 2 Tagen begreifen müssen weit hinter den russischen militärischen Möglichkeiten hinterherzuhinken, sosehr werden sie auch begreifen, dass Farbrevolutionen nicht mehr so leicht vom Zaun zu brechen sind.
    Auch wenn die westliche Rhetorik weiter absurd ist und die Bereitschaft für eine weitere Eskalation im Westen noch immer vorhanden ist.
    Aber der Einschlag dieser neuen Rakete hat auch im sprichwörtlichen Sinn wie eine Bombe eingeschlagen.
    Auch wenn der Vernichtungswille gegen Russland weiter besteht, so bleibt den westlichen Kriegstreibern nichts anderes übrig als ihre Strategie(n) radikal neu zu überdenken.

  2. „Auch wenn der Vernichtungswille gegen Russland weiter besteht, so bleibt den westlichen Kriegstreibern nichts anderes übrig als ihre Strategie(n) radikal neu zu überdenken.“

    Was sollen die, ihrer Meinung nach denn überdenken? Wenn sie einen Rückzieher machen, stehen sie als genau DIE Idioten da die sie sind und werden von der ganzen Welt ausgelacht.

    Außerdem hat man alles im Griff, auf dem sinkenden Schiff ^^

  3. Das ist natürlich UNSINN. Die Kollektivierung mag ja bei Kulaken (Wucherer+Großbauern) und dem Adel unbeliebt gewesen sein, doch nicht bei den normalen Bauern und schon gar nicht bei den Arbeitern.

    Das ist auch kein Wunder, denn diese Kollektive und Sowchosen erhielten von den MTS kostenlos die Traktoren inkl. den Traktoristen und Mechanikern. Auch konnte die oft sehr kleinteilige Landwirtschaft die maschinelle Bearbeitung unmöglich machte beendet werden.
    Mit der Kollektivierung wurde nach der letzten Mißernte anfang der 30er Jahre, die in manchen Gebieten zu Hungersnot führte und Hilfen nötig machte. begonnen. Bis Mitte der 30er Jahre war bereits ein Großteil kollektiviert, auch wenn manche lokale KP-Führung es übertrieb, es mit Zwang durchführte und von Stalin kritisiert und zurückgepfiffen wurde.
    Jedenfalls gehörten ab dieser Kollektivierung Hungersnöte der Vergangenheit an. Während der zaristischen Selbstherrschaft kam es regelmäßig alle paar Jahre zu Hungersnot und bis zu mehreren Mio Toten.

    Lebensmittel mußten erst wieder unter dem unfähigen Antikommunisten Chruschtschow importiert werden (genau genommen war Gorbatschow der direkte Nachfolger dieses C.)

    Wer mehr zu russischer Geschichte und zu Stalin wissen möchte (auch HERR RÖPER hätte das nötig) sollte folgendes Buch lesen: https://zambon.net/shop/de/shop/302/gerhard-schnehen-stalin.-eine-marxistische-biografie
    Dieses Buch ist kein langweiliger Geschichtsstoff sondern sehr spannend geschrieben und sollte Pflichtlektüre sein.

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